OGH 6Ob562/92

OGH6Ob562/9212.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Wolfgang ***** K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der V***** Gesellschaft mbH, wider die beklagte Partei W***** Verlagsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Harald Essenther, Rechtsanwalt in Wien, wegen 710.679,97 S sA (Revisionsinteresse 355.340 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12.März 1992, GZ 3 R 220/91-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18.Juli 1991, GZ 16 Cg 2/90-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Ein Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens findet nicht statt.

Text

Begründung

Über das Vermögen einer Gesellschaft mbH (folgend Gemeinschuldnerin), die zwei Zeitschriften herausgab, wurde am 10.April 1989 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die beklagte Gesellschaft mbH gab und gibt eine monatlich erscheinende Zeitschrift heraus, die an ankommende Fluggäste am Flughafen Wien-Schwechat unentgeltlich verteilt wird. Die beiden Gesellschaften mbH mit dem Unternehmensgegenstand Verlagsgeschäft waren bis September/Oktober 1987 durch idente Gesellschafter und Geschäftsführer, im Zeitraum Jänner 1986 bis März 1988 durch dieselben Geschäftsräumlichkeiten und weiters durch ihre geschäftliche Zusammenarbeit verbunden. Mit Vertrag vom 10.Dezember 1986 verpachteten die beiden Gesellschafter der Gemeinschuldnerin dieser entgeltlich auf unbestimmte Zeit den Titel und die gleichlautende Wortmarke der von der beklagten Partei herausgegebenen Zeitschrift. Gleichfalls mit Vertrag vom 10.Dezember 1986 - aufgelöst von der beklagten Partei per 31.Dezember 1987 - trat die Gemeinschuldnerin der beklagten Partei das Recht ab, für die von beiden Gesellschaften herausgegebenen Zeitschriften den Inseratenverkauf einschließlich Werbung, Inseratenbetreuung und Inkasso vorzunehmen. Der beklagten Partei oblag die Akquirierung und gesamte Abwicklung der Inseratenaufträge. Das Entgelt der beklagten Partei hiefür betrug 30 % des Nettoerlöses, die restlichen 70 % waren von ihr an die Gemeinschuldnerin abzuführen und dienten zur Deckung der Druckkosten; sie wurden in der Buchhaltung der Gemeinschuldnerin als Druckkostenbeitrag bezeichnet. Dieser Anteil von 70 % stand in keiner prozentuellen Verbindung mit der Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern durch die Gemeinschuldnerin an die beklagte Partei. Die Gemeinschuldnerin fungierte als Verlag, die beklagte Partei als Inseratenbüro, sodaß die Gemeinschuldnerin sämtliche Kosten für die Herstellung der Zeitschriften trug.

Bei der Gemeinschuldnerin waren eine Verlagssekretärin, eine Verlagsangestellte und ein Journalist angestellt, die auch für die beklagte Partei tätig waren, wobei genaue prozentuelle Anteile der für die beklagte Partei geleisteten Arbeit nicht feststellbar sind. Ausdrückliche Vereinbarungen der beklagten Partei und der Gemeinschuldnerin über die Abgeltung der Tätigkeit der Mitarbeiter erfolgten nicht. In der Zeitungsbranche ist es branchenüblich, eine Gesellschaft mbH für das Inseratengeschäft und eine für die verlegerische Tätigkeit einer Zeitschrift zu gründen, ebenso die Festsetzung der finanziellen Teilung der Erlöse aus dem Inseratengeschäft von 30 : 70 % bzw 40 : 60 %. Oftmals kommt es zu übergreifenden Tätigkeiten der beiden Gesellschaften, wobei meist - anders als hier - jährliche Pauschale verrechnet werden.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei 710.679,97 S sA mit dem Vorbringen, die Gemeinschuldnerin habe der beklagten Partei drei im einzelnen genannte Arbeitskräfte, die zu mindestens 60 % ihrer Arbeitszeit nur für die beklagte Partei tätig gewesen wären, zur Verfügung gestellt, weshalb 60 % der von der Gemeinschuldnerin bezahlten Gehälter und gehaltsabhängigen öffentlichen Abgaben begehrt würden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem nach § 273 Abs 1 ZPO festgesetzten Teilbetrag von 355.340 S sA statt und wies das Mehrbegehren von 355.339,97 S sA unangefochten ab. In Ansehung der drei Dienstnehmer der Gemeinschuldnerin hätten die Streitteile schlüssig ein Leiharbeitsverhältnis, bei dem nach § 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt als bedungen gelte, abgeschlossen. Subsidiär wäre die Beklagte auch durch die Arbeitstätigkeit von Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin bereichert.

Das Berufungsgericht ändert dieses Urteil im gänzlichen klagsabweisenden Sinn ab. § 1152 ABGB sei im Verhältnis zwischen den Streitteilen unanwendbar, weil nicht ein Dienstnehmer oder Werkunternehmer einen Entgeltanspruch geltend mache. Der Klagsanspruch könnte nur aus § 354 HGB abgeleitet werden, jedoch lägen hier die Voraussetzungen dazu nicht vor. Denn aus dem gesamten Verhalten der Streitteile gehe hervor, daß für diese vereinbarungsgemäß erfolgte Zurverfügungstellung von Arbeitskräften kein besonderes Entgelt zu leisten gewesen sei. Ein solches Entgelt würde erstmals vom klagenden Masseverwalter verlangt. Im Rahmen der grundsätzlichen Vereinbarung über die Zusammmenarbeit der beklagten Partei und der Gemeinschuldnerin und die Aufteilung der Tätigkeiten sei auch diese Mitarbeit vorgesehen gewesen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der lukrierte Anteil der Gemeinschuldnerin von 70 % aus den Inseratenerlösen in keiner "prozentualen Verbindung" mit der Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern durch die Gemeinschuldnerin stehe. Eine solche detaillierte Vereinbarung sei nicht erforderlich gewesen, weil eine entsprechende Globalvereinbarung vorgelegen sei, und schließe - auch wenn sie für die Gemeinschuldnerin nachteilig gewesen sein sollte - daneben einen weiteren Entgeltanspruch aus. Zum Rechtsgrund der Bereicherung habe die klagende Partei in erster Instanz kein konkretes Tatsachenvorbringen erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz mit der Begründung, es fehle Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 354 HGB neben einer Vereinbarung, zugelassene Revision der klagenden Partei ist mangels Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Drei Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin verrichteten auch für die beklagte Partei Arbeiten, ohne daß hierüber eine ausdrückliche Vereinbarung - einschließlich über das Entgelt - zwischen den beiden Gesellschaften geschlossen worden wäre. Die Gemeinschuldnerin ist Formkaufmann nach § 6 Abs 1 HGB, § 61 Abs 3 GmbHG. Wer in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann dafür auch ohne Verabredung Provision fordern. Diese Entgeltsvermutung des § 354 Abs 1 HGB erstreckt sich auf jeden Kaufmann, der in Ausübung seines Handelsgewerbes für einen anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet; ihr liegt der der Verkehrssitte zu entnehmende Gedanke zugrunde, daß ein Kaufmann einem

anderen nicht umsonst Dienste leistet (EvBl 1989/172 = WBl 1989,193

mit Anm von Wilhelm; SZ 58/5 = RdW 1985, 245; SZ 48/120 = EvBl

1976/166; Schuhmacher in Straube, Rz 1 zu § 354 HGB; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 III 66; Schlegelberger-Hefermehl, HGB5 Rz 1 zu § 354; Horn in Heymann, Rz 1 zu § 354 HGB). Es handelt sich um einen gesetzlichen Anspruch auf Vergütung für Geschäftsbesorgung oder Dienstleistungen (1 Ob 591/85; Schlegelberger-Hefermehl aaO Rz 15).

Die Reichweite der Vorschrift wird aber dadurch begrenzt, daß die Fiktion einer Vergütungsvereinbarung nur subsidiär bei Fehlen einer Vereinbarung eingreift. § 354 HGB enthält somit keine zwingende Regelung; eine abweichende Parteienvereinbarung über die Unentgeltlichkeit der Leistung des Kaufmanns geht vor (1 Ob 810/82, 7 Ob 749/81; Schuhmacher in Straube, Rz 2 zu § 354 HGB;

Schlegelberger-Hefermehl aaO Rz 2; Horn aaO Rz 2;

Glanegger-Niedner-Renkl-Ruß, HGB2 Rz 4 zu § 354 unter Hinweis auf BGH WM 73,815; Baumbach-Duden-Hopt, HGB28 Anm 2C.). Die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Kaufmanns kann ausdrücklich oder auch schlüssig (Horn aaO Rz 7) vereinbart werden; dazu gehört auch der Fall, daß die Tätigkeit bereits als Nebenleistung aufgrund eines anderen Vertrages geschuldet wird (Schlegelberger-Hefermehl aaO Rz 10; Canaris in GroßkommHGB3 Anm 5 zu § 354; Baumbach-Duden-Hopt aaO Anm 2D.; Horn aaO Rz 8). Ob dies der Fall ist, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (Schlegelberger-Hefermehl aaO Rz 10) und kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage darstellen. Die Auffassung der zweiten Instanz, vorliegend sei bei den beiden (zur Herausgabe von Zeitschriften zusammenarbeitenden) räumlich und gesellschaftsrechtlich verflochtenen Gesellschaften die (teilweise) Überlassung von drei Arbeitskräften konkludent Teil der Gesamtvereinbarungen und das Entgelt dafür in dem der Gemeinschuldnerin zugekommenen 70 % Nettoanteil aus den Inseratenvergaben enthalten gewesen, widerspricht nicht den Grundsätzen der Vertragsauslegung.

Zutreffend und unbekämpft ist das Berufungsgericht vor der Unanwendbarkeit des § 1152 ABGB zur Beurteilung eines Ersatzanspruches der Gemeinschuldnerin und vom Fehlen ausreichender Behauptungen für einen allfälligen Bereicherungsanspruch ausgegangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die obsiegende beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.

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