OGH 1Ob591/85

OGH1Ob591/8516.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma W. A, Einrichtungshäuser 'Die Wohnstube', Wien 7., Mariahilferstraße 24, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gertrude B, Hausfrau, Wien 19., Amalgergasse 10, vertreten durch Dr. Karl Stockreiter, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 197.764,97 samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Februar 1985, GZ 14 R 6/85-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5. Oktober 1984, GZ 40 b Cg 226/81-38, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 29.635,95 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 2.885,45 Umsatzsteuer und S 3.396,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte erteilte am 26.8.1980 der klagenden Partei für die Einrichtung der Wohnung Wien 19., Kreindlgasse 1 a/4, einen Planungsauftrag und am 17.10.1980 den Auftrag, die Einrichtung für diese Wohnung nach Maß herzustellen. Die Beklagte verweigerte der fristgerecht lieferbereiten klagenden Partei die Annahme der Einrichtungsgegenstände mit der Begründung, die Wohnung sei noch nicht fertig, es könne noch nicht geliefert werden. Seither werden die Möbel von der klagenden Partei auf einer Fläche von ca. 40 m 2 aufbewahrt.

Die klagende Partei begehrte zuletzt den Zuspruch des Betrages von S 380.962,-- samt 10,5 % Zinsen aus S 326.981,-- ab 1.6.1984. Sie ging dabei unter Berücksichtigung einer Akontozahlung von S 20.000,-- von einem am 13.2.1981 offenen Rechnungsbetrag von S 406.687,-- aus. Bis 13.9.1982 habe sich dieser Betrag durch Verrechnung eines Lagergeldes ab 25.4.1981 von monatlich S 2.800,-- zuzüglich Umsatzsteuer, d.s. S 56.168,--, bei Kapitalisierung der aufgelaufenen bankmäßigen Zinsen auf S 556.645,-- erhöht. Am 13.9.1982 habe die Beklagte eine Teilzahlung in der Höhe von S 300.000,-- geleistet, so daß sich ihre Schuld auf S 256.645,-- vermindert habe. Unter Geltendmachung eines weiteren Lagergeldes bis 24.6.1984 von insgesamt S 70.336,-- und der kapitalisierten Zinsen bis 31.5.1984 errechne sich der Klagsbetrag.

Die Beklagte wendete, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ein, das verrechnete Lagergeld sei nicht angemessen. Eine Einwendung, die klagende Partei habe die Teilzahlung von S 300.000,-- unrichtig verrechnet, erhob sie nicht. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, ein Betrag von S 70,-- pro m 2 zuzüglich Umsatzsteuer sei als Lagergeld angemessen. Da die Beklagte in Annahmeverzug geraten sei, sei die klagende Partei berechtigt gewesen, die Ware auf Kosten der Beklagten einzulagern.

Die Beklagte erhob Berufung, in der sie die Berechtigung der klagenden Partei, Lagergeld zu begehren, damit bekämpfte, daß Kosten der Lagerung gar nicht aufgelaufen seien, weil der klagenden Partei Lagerräumlichkeiten nicht entzogen worden seien und ein Mehraufwand nicht entstanden sei. Der Zuspruch von das gesetzliche Ausmaß übersteigende Zinsen sei verfehlt.

Das Berufungsgericht gab dieser Berufung teilweise Folge und wies einen Betrag von S 197.764,97 samt Anhang ab. Für den Zuspruch eines Lagergeldes an die klagende Partei lasse sich kein Rechtsgrund finden. Aus § 354 HGB könne der Anspruch nicht abgeleitet werden, weil es sich bei dem Geschäft um einen Werkvertrag, aber nicht um eine Geschäftsbesorgung oder Dienstleistung gehandelt habe. Der Zuspruch höherer bankmäßiger Zinsen sei berechtigt, weil die Beklagte in Verschleppungsabsicht den Prozeß geführt habe. Da die Beklagte aber die Zinsenhöhe bekämpft habe, sei diese vom Berufungsgericht nachzurechnen gewesen. Bei dieser Berechnung schied das Berufungsgericht insbesondere Zinsenbeträge aus, die auf Zeiträume vor der Teilzahlung vom 13.9.1982 entfielen. Infolge des Wegfalles des Lagergeldes und der geringeren kapitalisierten Zinsen verringerten sich auch die ab diesem Zeitpunkt kapitalisierten Zinsen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil selbst nach Abzug der im Klagsbetrag enthaltenen kapitalisierten Zinsen der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hatte, S 300.000,-- überstieg und das Revisionsinteresse über S 15.000,-- liegt. Sie ist auch berechtigt.

Wer in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann nach § 354 HGB dafür auch ohne Verabredung Provision und, wenn es sich um Aufbewahrung handelt, Lagergeld nach den an dem Orte üblichen Sätzen fordern. § 354 HGB erfaßt jede Tätigkeit eines Kaufmannes, die befugterweise im Interesse eines anderen geleistet wird (Hämmerle-Wünsch 3 III 67); die Geschäftsbesorgung oder Dienstleistung darf nur nicht im ausschließlichen Eigeninteresse des Kaufmannes liegen (SZ 53/134). Die Berechtigung des Kaufmannes zur Geschäftsbesorgung oder Dienstleistung muß entweder auf einem zwischen beiden Teilen bestehenden Vertragsverhältnis beruhen oder sich auf Geschäftsführung ohne Auftrag stützen (EvBl 1955/134). Ob der andere Teil Kaufmann ist, ist nicht relevant (Hämmerle-Wünsch aaO 24; Canaris in Großkomm. HGB 3 § 354 Rz 4). Dieser Anspruch wurzelt nicht im Schadenersatz, es handelt sich vielmehr um einen gesetzlichen Anspruch auf Vergütung für Geschäftsbesorgung oder Dienstleistungen (Schlegelberger-Hefermehl, HGB 5 § 354 Rz 15).

§ 354 Abs 1 HGB hebt als Dienstleistung die Aufbewahrung hervor und gewährt für eine solche ein Lagergeld. Eine den Anspruch auf Lagergeld begründende Dienstleistung eines Kaufmannes liegt daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung auch dann vor, wenn der Werkbesteller in Annahmeverzug gerät und der Hersteller des Werkes den Vertragsgegenstand in seinen Geschäftsräumlichkeiten aufbewahrt (EvBl 1962/131; 4 Ob 520/69; Canaris aaO Rz 14;

Schlegelberger-Hefermehl aaO Rz 6). Daß die Höhe des begehrten Lagergeldes nicht gegen die genannten Grundsätze verstieß, stellte das Erstgericht, von der Beklagten unbekämpft, fest. Das Erstgericht hat daher zutreffend bei der Berechnung des zugesprochenen Betrages an Lagergeld von insgesamt S 126.504,-- samt Anhang berücksichtigt. Die Beklagte ließ die Verrechnung der von ihr erfolgten Teilzahlungen auf Zinsen und Kapital durch die klagende Partei unbestritten, sie bekämpfte in ihrer Berufung auch nur den Zuspruch höherer als der gesetzlichen Zinsen. Das Berufungsgericht hatte daher unter Einbeziehung des Lagergeldes von einer offenen Schuld der Beklagten nach der Teilzahlung vom 13.9.1982 von S 256.645,-- auszugehen und sich auf eine überprüfung des vom zuletzt geforderten Kapital begehrten Zinssatzes zu beschränken. Diese ergab keinen Anlaß zur Veränderung des Zuspruchs durch das Erstgericht. Der Revision ist Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte