OGH 3Ob658/79

OGH3Ob658/7922.10.1980

SZ 53/134

Normen

HGB §354
HGB §369
HGB §371
HGB §354
HGB §369
HGB §371

 

Spruch:

Ein Kaufmann handelt bei Ausübung des gesetzlichen Zurückbehaltungsrechtes auch im Interesse des Eigentümers und hat daher Anspruch auf Ersatz von Lagerkosten

OGH 22. Oktober 1980, 3 Ob 658/79 (OLG Innsbruck 1 R 241/79; LG Feldkirch 5 Cg 2838/76)

Text

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung von insgesamt 116 288 S samt Anhang für Warenlieferungen bzw. nicht zurückgestellte Kommissionsware. Hierbei berücksichtigte die Klägerin einen Provisionsanspruch des Beklagten von 682.03 S sowie einen Spesenersatz für die Monate August 1975 bis einschließlich Feber 1976 in der Höhe von 17 500 S. Der Bestand der Forderung für gelieferte Waren in der Höhe von 54 484.92 S wurde vom Beklagten als richtig zugegeben, im übrigen aber der Klagsanspruch mit der Begründung bestritten, daß dem Beklagten Gegenforderungen zustunden. Weiters brachte der Beklagte vor, er habe die Kommissionsware deshalb mit Recht zurückbehalten, weil ihm die Klägerin verschiedene Beträge schulde. Es sei ihm auf Waren, die er selbst verkauft habe, ein Rabatt von 30% gewährt worden. Für vermittelte Aufträge sei ihm bei einem Preisnachlaß bis 20% eine Provision in der Höhe von 15 % und bei einem Preisnachlaß von 20 bis 30% eine solche in der Höhe von 7.5 % zugestanden. Es sei auch vereinbart gewesen, daß ihm ab April 1974 für Kundenbesuch in Vorarlberg ein Spesenersatz von monatlich 2 500 S zustehe. Das allein mache für die Monate April 1974 bis Juli 1975 den Betrag von 40 000 S aus. Nach Auflösung der Geschäftsverbindung habe der Beklagte die Klägerin aufgefordert, die Kommissionsware bis spätestens 26. März 1976 abzuholen, andernfalls er ein Lagergeld in der Höhe von 1000 S pro Tag in Rechnung stellen müsse. Dieses Lagergeld belaufe sich für die Zeit vom 26. März 1976 bis 20. September 1976 auf 173 000 S. Die Klägerin könne die Kommissionsware jederzeit abholen, er habe hiefür nichts zu bezahlen. Er habe deren Herausgabe nur deshalb abgelehnt, weil er verlangt habe, daß vorher eine ordentliche Abrechnung über die beiderseitige Geschäftsverbindung vorgenommen werde. Auch habe er dies von der Überprüfung der Ware abhängig gemacht, um nicht Gefahr zu laufen, wegen angeblich unsachgemäßer Lagerung belangt zu werden. Er habe die Ware immer ordnungsgemäß gelagert. Auf deren Verderblichkeit sei er nie aufmerksam gemacht worden.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung mit 36 302.89 S und "die eingewendete Gegenforderung von 213 000 S" bis zu dieser Höhe zu Recht bestehen und die Forderung der klagenden Partei durch Aufrechnung getilgt sei. Es wies daher das Klagebegehren ab. Auf Grund seiner Sachverhaltsfeststellungen vertrat es zusammenfassend die Ansicht, die klagende Partei habe keinen Anspruch auf Zahlung der Kommissionsware (im Werte von 79 985.12 S); der restlichen Klagsforderung von 36 302.89 S (anerkannte Forderung von 54 484.92 S abzüglich der bereits in der Klage anerkannten und berücksichtigten Gegenforderungen von 18 182.03 S) stunden weitere Gegenforderungen gegenüber, die den restlichen Klagsbetrag übersteigen, nämlich 50 000 S an Spesenersatz, 41 550 S als Lagergeld und Provisionen in nicht genau ermittelter Höhe. Die zurecht bestehende Klagsforderung sei daher durch Aufrechnung mit diesen Gegenforderungen getilgt.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sache an dieses zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt zurück.

Es führte zum Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung zusammenfassend aus, das Erstgericht habe nicht in allen Punkten in umfassender Weise die Ergebnisse der gesamten Beweisführung seiner Entscheidung zugrunde gelegt, sondern einzelne Beweise in ihrer Bedeutung überhaupt nicht gewürdigt oder es unterlassen, widerspruchsvolle Ergebnisse gegeneinander abzuwägen. In Erledigung der Rechtsrüge vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dem Beklagten stehe ein Anspruch auf Ersatz der infolge Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes aufgelaufenen Lagerkosten (Lagergeld) nicht zu; bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes nach § 371 HGB handle der Kaufmann nämlich ausschließlich im eigenen Interesse und für eigene Rechnung. In der mit der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes allenfalls verbundene Lagerung liege sohin keine im Sinne des § 345 HGB zu beurteilende Besorgung von Geschäften bzw. Dienstleistungen für eine andere Person vor.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs wendet sich mit Recht dagegen, daß das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen habe, weil es die Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung nicht berücksichtigt habe. Bei Bedenken des Berufungsgerichtes gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes kommt nicht die Aufhebung des Ersturteiles, sondern die Beweiswiederholung der zweiten Instanz in Betracht (RZ 1965, 30; EvBl. 1978/194 u. a.). Das Berufungsgericht hätte sohin die in der Berufung erhobene Beweiswürdigungsrüge sachlich erledigen müssen. Der Rekurs ist sohin im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Die beklagte Partei bekämpft aber mit Recht auch die im Aufhebungsbeschluß des Erstgerichtes überbundene Rechtsansicht, daß ein Kaufmann die ihm bei Geltendmachung des gesetzlichen Zurückbehaltungsrechtes (§§ 369, 371 HGB) entstandenen Kosten der Verwahrung der zurückgehaltenen Sache nicht nach § 354 HGB geltend machen könne. Es ist richtig, daß der Kaufmann, der ausschließlich für eigene Rechnung oder lediglich im eigenen Interesse handelt, keinen Anspruch auf Provision oder Lagergeld im Sinne des § 354 HGB hat. Es ist allerdings nicht der Ansicht beizupflichten, daß der Kaufmann bei Verwahrung von Sachen in Ausübung des gesetzlichen Zurückbehaltungsrechtes grundsätzlich ausschließlich im eigenen Interesse und für eigene Rechnung handelt, wie dies das Berufungsgericht meint. Die Verwahrung in Ausübung eines gesetzlichen Zurückbehaltungsrechtes (§§ 369, 371 HGB) geschieht vielmehr in Abwicklung eines bestehenden Rechtsverhältnisses zwecks Erhaltung des Wertes der Sache (Schutz vor Verlust oder Beschädigung) auch im Interesse des Eigentümers der Sache (Baumbach - Duden, HGB[23], 681, Anm. D; Schlegelberger[5], IV, 208; in diesem Sinne auch Löbl in Staub - Pisko[3], 137 zu Art. 290 AHGB). In dem vom Berufungsgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht zitierten HGB-RGRK[3] III/2, 423 Anm. 13 wird im übrigen auch die Ansicht vertreten, daß der Anspruch auf Ersatz der durch die Geltendmachung des gesetzlichen Zurückbehaltungsrechtes entstandenen Kosten der Lagerung durch den Verzug des Gegners begrundet sein werde. Sollte sohin der Beklagte das Zurückbehaltungsrecht mit Recht ausgeübt haben, so stunde ihm im Sinne des § 354 HGB auch ein Anspruch auf Ersatz der Lagerkosten zu. Da sich die Vergütung für die Aufbewahrung nicht nur auf Raumbenützung, sondern auch auf die Verantwortlichkeit des verwahrenden Kaufmannes bezieht, wäre es hiebei unerheblich, ob die Aufbewahrung in eigenen Räumlichkeiten des Zurückbehaltungsberechtigten erfolgt ist, bzw. ob dieser für die Aufbewahrung der Sachen bei einem Dritten Geld aufwenden mußte (Schlegelberger a.a.O.).

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