OGH 8Ob514/92

OGH8Ob514/9229.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof.Dipl.Innenarchitekt Mag.K***** Sch*****, vertreten durch Dr.Andreas Steiger, Rechtsanwalt in Wien, wider die am 2.Jänner 1975 geborenen Zwillinge 1. mj. M***** Sch***** und 2. mj. M***** Sch*****, 2344 Maria Enzersdorf, Donaustraße 107/6, beide vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Mödling, diese vertreten durch Dr.Julius und Dr.Wolfgang Jeannee, Rechtsanwälte in Wien, wegen Bestreitung der ehelichen Abstammung infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 11.Juni 1990, GZ 44 R 2039/90-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 5.Februar 1990, GZ 1 C 24/90v-5, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die am 2.1.1975 geborenen Beklagten sind die beiden jüngsten Kinder des Klägers und seiner damaligen Ehefrau A*****. Die 1961 geschlossene Ehe wurde gemäß § 55a EheG am 12.3.1985 geschieden.

Mit der Ausübung des Besuchsrechtes gab es von Beginn an Schwierigkeiten. Zu Weihnachten 1988 erklärten die Beklagten dem Kläger, daß sie ihn heute nur ausnahmsweise besuchten, um ihn nicht zu kränken. M***** sagte zu ihm: "Du bist nicht unser Vater, es könnte auch ein anderer Mann sein". M***** äußerte sich ähnlich: "Du bist nicht unser Vater, warum könne sie nicht sagen". Die Äußerung der Kinder beruht auf ihrer Ansicht, daß sich der Kläger nicht wie ein richtiger Vater verhalte. Die Mutter hat nie erklärt, daß der Kläger nicht der leibliche Vater der Beklagten sei.

Das Erstgericht stellte weiters fest, daß die Mutter während der Ehe keine außerehelichen Beziehungen mit einem anderen Mann eingegangen sei, insbesondere auch nicht mit einem gewissen E***** M*****, den sie aus der Studienzeit kannte; es kam lediglich zu einem sporadischen freundschaftlichen Kontakt der Familien; die Mutter der Beklagten war insbesondere mit der damaligen zweiten Ehefrau E***** M***** befreundet. Ein Konnex zwischen den beiden Ehescheidungen besteht nicht.

Mit der am 18.12.1989 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die Beklagten nicht seine ehelichen Kinder seien. Er stützt seine Klage auf deren Erklärung am 25.12.1988, die er in einem auch von ihnen unterfertigten Gedächtnisprotokoll festhielt. Er verdächtigt nun E***** M*****, der leibliche Vater der Beklagten zu sein.

Das Erstgericht wies das Klagebgehren ab, ohne ein serologisches Gutachten einzuholen und ohne E***** M***** zu vernehmen. Das Beweisverfahren habe nicht einmal Ansatzpunkte für ehewidrige Beziehungen der Mutter erbracht. Der Wunsch der Kinder, ein anderer Mann möge ihr Vater sein, reiche als Umstand, die eheliche Geburt der Kinder in Frage zu stellen, nicht aus.

Das Berufungsgericht übernahm die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, verneinte die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und bestätigte die Entscheidung. Es habe kein Anlaß zur Einholung eines serologischen Gutachtens und der Vernehmung E***** M***** bestanden, weil der Kläger keine Umstände aufzuzeigen vermochte, die es höchstwahrscheinlich machten, daß die Beklagten nicht von ihm abstammten. Seine Klage sei im Ergebnis mit Recht abgewiesen worden, weil die Jahresfrist des § 156 Abs 1 ABGB noch gar nicht zu laufen begonnen habe; § 156 ABGB diene nicht dem Zweck, willkürliche Ehelichkeitsbestreitungsklagen zu ermöglichen; eine Klage ohne objektive Grundlage habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen und sei daher abzuweisen. Da zur Frage, ob die Einbringung einer Ehelichkeitsbestreitungsklage vor Beginn der Frist des § 156 ABGB berechtigt sei, höchstgerichtliche Judikatur fehle, ließ es die Revision an den Obersten Gerichtshof zu.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des Klägers. Als Revisionsgründe macht er Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die aufgeworfene Rechtsfrage, zu der - soweit ersichtlich - eine oberstgerichtliche Judikatur fehlt, wurde zwar vom Berufungsgericht unrichtig gelöst, sie ist aber nicht entscheidungswesentlich und daher keine "erhebliche" im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Nur der Vollständigkeit halber weist der Oberste Gerichtshof darauf hin, daß es eine "verfrühte" Ehelichkeitsbestreitungsklage nach der Geburt des Kindes nicht gibt. § 156 ABGB ist dahin zu lesen, daß die Ehelichkeitsbestreitungsklage frühestens mit der Geburt erhoben werden kann und jedenfalls ein Jahr nach dem Zeitpunkt endet, in dem der Mann derart konkrete Kenntnisse von Umständen erlangt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen, daß er erwarten kann, seiner Beweispflicht nachkommen zu können; daß eine Klage als "verfrüht" abzuweisen wäre, wenn der Vater nach Meinung des erkennenden Gerichtes keine ausreichenden Verdachtsmomente unter Beweis stellen konnte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Im entscheidungswesentlichen Punkt haben die Vorinstanzen die Klage im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewiesen, sodaß die Revision gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO zurückzuweisen ist. Zwar herrscht im Vaterschaftsbestreitungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz und es kommt in diesem die Regel, daß ein Mangel im erstinstanzlichen Verfahren keinen Revisionsgrund darstellt, nicht zur Anwendung (EvBl 1957/191 uva, zuletzt 2 Ob 501/89); die Unterlassung von amtswegigen Beweisaufnahmen unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist aber nur insoweit revisibel, als die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens zur amtswegigen Wahrheitsforschung verkannt wurden (EvBl 1976/281 uva, zuletzt 8 Ob 605/89 und 5 Ob 546/89), dies ist hier aber nicht der Fall.

Das Gericht hat zwar die Pflicht, alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände - auch von Amts wegen - aufzuklären (ÖAmtsVorm 1990, 51); es müssen aber nicht sämtliche erdenklichen Beweise, insbesondere auch nicht der Sachverständigenbeweis, aufgenommen werden, denen der Charakter eines Erkundungsbeweises zukommt (EFSlg 26.736 uva). Das Gericht ist nicht genötigt, Beweise aufzunehmen, die nach der Sachlage überflüssig sind (vgl ÖAmtsVorm 1974, 62 ua).

Vor allem die Aufnahme eines serologischen Sachverständigenbeweises hat zu unterbleiben, wenn konkrete Verdachtsgründe für Zweifel an der Vaterschaft des Klägers fehlen. Es kann zwar den Beteiligten im Interesse der materiellen Wahrheitsfindung grundsätzlich der mit einem serologischen Gutachten verbundene Eingriff in ihre körperliche Integrität zugemutet werden, aber das Gesetz verlangt dazu auch - wie aus § 7 Abs 2 FamRAnglVO klar hervorgeht, arg. "erforderlich" - seine offenbare Notwendigkeit zur Klärung des Sachverhaltes. Werden keine Tatsachen bewiesen, die geeignet sind, bei objektiver Beurteilung die Ehelichkeit des Kindes ernsthaft in Zweifel zu ziehen, ist die Ehelichkeitsbestreitungsklage auch ohne Einholung eines serologischen Sachverständigengutachtens abzuweisen. Der bloße Wunsch des Klägers, sich "Klarheit zu verschaffen", reicht für eine Bestreitungsklage nicht aus. Ob konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die die Einholung eines serologischen Gutachtens erforderlich machen, obliegt der pflichtgemäßen Ermessensentscheidung durch das Gericht (dazu ausführlich OGH 27.6.1991, 8 Ob 614/91).

Bei dieser Ermessensentscheidung ist den Vorinstanzen kein Fehler unterlaufen, der die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen kann. Nach den getroffenen Tatsachenfeststellungen, an die der Oberste Gerichtshof auch im vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Ehelichkeitsbestreitungsverfahren gebunden ist, war Motiv der Äußerung der Kinder, die auch nach den Angaben des Klägers allein seinen Verdacht vorrief, er sei nicht ihr Vater, bloß ihre Unzufriedenheit mit ihm als Vater. Durch diese wenig taktvolle Äußerung seiner Kinder anläßlich des Weihnachtsbesuches durfte sich der Kläger durchaus zu Recht gekränkt erachten, sie ist bei objektiver Beurteilung jedoch nicht geeignet, die Ehelichkeit der Kinder ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

Den beklagten Parteien waren für ihre Revisionsbeantwortung keine Kosten zuzusprechen, weil sieauf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen haben.

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