OGH 2Ob501/89

OGH2Ob501/8929.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber Dr. Warta und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Mark Pierre T***, geboren am 20. Oktober 1985, 4030 Linz, Siemensstraße 10, vertreten durch das Jugendamt der Landeshauptstadt Linz, dieses vertreten durch Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Karl O***, Karosserieschlosser, 5020 Salzburg, Schuhmacherstraße 5, vertreten durch Hans Freyborn, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung der außerehelichen Vaterschaft und Unterhalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28. September 1988, GZ 18 R 294/88-72, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 9. Dezember 1987, GZ 4 C 25/87-58, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen;

im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.243,80 (darin keine Barauslagen und S 385,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Feststellung, der Beklagte sei sein außerehelicher Vater, mit der Begründung, der Beklagte habe seiner Mutter innerhalb eines Zeitraumes, von welchem bis zur Geburt des Kindes nicht mehr als 302 und nicht weniger als 180 Tage verstrichen sind, beigewohnt. Das Unterhaltsbegehren von S 1.800 monatlich sei den Lebensverhältnissen des Beklagten und den Bedürfnissen des Kindes angemessen.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und brachte vor, er sei nicht der Vater des Kindes. Er habe in der Zeit vom

10. bis 18. Februar 1985, ca. 5 bis 6-mal mit der Mutter des Klägers geschlechtlich verkehrt. Das Kind sei bei der Geburt voll ausgetragen gewesen, so daß die Zeugung vor dem 10. Februar 1985 stattgefunden haben müsse. Die Art des Kennenlernens der Mutter des Klägers lasse darauf schließen, daß sie auch mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt habe. Sie habe zu Jahresanfang 1985 einen ständigen Freund gehabt, der sie fast jeden Abend von ihrer Arbeitsstätte abgeholt habe. Das Unterhaltsbegehren sei auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt, weil dem Beklagten im Falle des Unterliegens in diesem Rechtsstreit erhebliche Belastungen entstünden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Der Kläger wurde am 20. Oktober 1985 von Margit A*** in Linz geboren. Mark Pierre wog bei seiner Geburt 3,29 kg und maß 51 cm. Zwischen 10. und 18. Februar 1985, also innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist vom 22. Dezember 1984 bis 23. April 1985, hatte die Mutter des Klägers ca. 5 bis 6-mal Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten. Die beiden hatten sich bei einem Hausball in der Nacht vom 9. auf den 10. Februar 1985 kennengelernt. Eine Feststellung, die Mutter des Klägers habe zu Jahresanfang 1985 einen ständigen Freund gehabt, der sie fast jeden Abend von ihrer Arbeitsstätte abgeholt und mit dem sie auch geschlechtlich verkehrt habe, erübrige sich aus den noch auszuführenden rechtlichen Erwägungen. Bei den in den Gutachten ON 7, ON 19 und ON 38, auf die ausdrücklich verwiesen werde, festgestellten Blutmustern des Klägers, dessen Mutter und des Beklagten ergibt sich, daß der Beklagte bei den Systemen GPI infolge Vorliegens eines stillen Allels beim Beklagten, HLA, HLA-C sowie HLA-DR nicht von der Vaterschaft zum Kläger ausgeschlossen werden kann. Bei der Verteilung der Erbmerkmale der Mutter und des Kindes besteht eine Ausschlußchance von ca. 98 % d.h., daß ca. 98 von 100 Männern der Bevölkerung die Chance haben, serologisch als Nichtväter anerkannt zu werden. Die Vaterschaftswahrscheinlichkeit beim Beklagten beträgt 98 bis 99 %, was nach der Methode Essen-Möller dem Kalkül "Vaterschaft sehr wahrscheinlich" entspricht. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Beklagte nicht der Vater des Klägers ist. Der Beklagte ist bei der Firma K*** in Salzburg als KFZ-Mechaniker beschäftigt und verdiente von November 1985 bis Oktober 1986 monatlich durchschnittlich S 17.280 sowie von November 1986 bis Oktober 1987 monatlich durchschnittlich S 17.860 (jeweils inklusive Sonderzahlungen und Überstundenentgelte). Ihn treffen keine weiteren Sorgepflichten. Die Mutter des Klägers bezieht Sondernotstandshilfe von monatlich durchschnittlich S 5.900 sowie die Familienbeihilfe für zwei Kinder. Sie verfügt über kein wesentliches Vermögen und bewohnt eine Mietwohnung im Ausmaß von ca. 80 m2.

In rechtlicher Hinsicht zog das Erstgericht die gesetzliche Vermutung des § 163 ABGB heran und erachtete den Beweis des Gegenteils als nicht erbracht. Daß die Vaterschaft eines anderen Mannes wahrscheinlich wäre, sei nicht einmal behauptet worden. Die hiezu erforderliche Einbeziehung des anderen Mannes in die blutgruppenserologische Untersuchung sei wegen Unbekanntheit dieses Mannes nicht möglich gewesen. Die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gründete das Erstgericht auf die §§ 166 und 140 ABGB. Das Gericht zweiter Instanz verwarf die Berufung des Beklagten, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, und gab dem Rechtsmittel im übrigen nicht Folge. Das Berufungsgericht traf nach Beweisergänzung durch Vernehmung der Zeugen Alice J***, Christine F*** und Andreas O*** die Feststellungen, daß ein anderer Mann als der Beklagte, welcher der Mutter des Klägers innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als 302 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Entbindung beigewohnt hat, nicht festgestellt werden kann. Insbesondere kann kein anderer Mann festgestellt werden, dessen Vaterschaft wahrscheinlicher als die des Beklagten wäre. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 1, 2, 3, und 4 ZPO mit dem Antrag, "die angefochtenen Urteile in dieser Sache aufzuheben und zu befinden, daß zuerst und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Beweislast den Kläger treffe, das Verfahren, insbesondere durch Beischaffung des Geburtenprotokolls, aber auch durch Bestellung eines Obergutachters, der sich vor allem mit den beiden einander widersprechenden Gutachten zu befassen haben werde, aber auch mit dem Inhalt des Geburtenprotokolls, durchzuführen und sodann über die Sache neuerlich zu entscheiden sei."

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, unzulässig, im übrigen aber nicht berechtigt.

Die Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Unter dem Anfechtungsgrund nach § 503 Abs 1 Z 1 ZPO bekämpft der Beklagte die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liege nicht vor, obwohl Feststellungen über die Art des Bekanntwerdens des Beklagten mit der Mutter des Klägers fehlten, es sei unerheblich, von wem die Initiative zum Geschlechtsverkehr ausgegangen sei, und obwohl weder das Geburtenprotokoll beigeschafft worden noch das übrige Verfahren ausreichend gewesen sei (keine Begründung für die einseitige Bevorzugung des Speiser-Gutachtens, keine ex offo Bestellung eines Obergutachters) und für die Entscheidung keine ausreichenden Gründe angegeben worden seien.

Diese Ausführungen wenden sich jedoch ausschließlich gegen die Begründung des Beschlusses, mit dem das Berufunggericht die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen hat, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann der Beschluß des Berufungsgerichtes, mit welchem eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde, weder mit Revision noch mit Rekurs erfolgreich bekämpft werden (JBl 1970, 91 uva). In diesem Umfang war die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen. In der Rechtsrüge wiederholt der Beklagte zunächst seine Ausführungen zum Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 1 ZPO, vermag jedoch damit ebensowenig wie eine Nichtigkeit eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes aufzuzeigen. Bei seinen weiteren Ausführungen, die Ansicht des Berufungsgerichtes, "daß die durchgeführten Beweise im Berufungsverfahren ausreichen und trotz Unterlassung der für den ganzen Fall entscheidenden Beischaffung des Geburtenprotokolls von der Landesfrauenklinik Linz die vorliegenden Unterlagen es erlaubt hätten, das weitere, wieder eröffnete Beweisverfahren abzubrechen und auch nicht einen Bericht der Staatsanwaltschaft Linz betreffend Glaubwürdigkeit der Kindesmutter A*** abzuwarten, sondern kurzerhand das angefochtene Urteil auszusprechen", stelle eine "offenbar unrichtige rechtliche Beurteilung, besonders der Verfahrensgesetze" dar, ist der Beklagte darauf zu verweisen, daß der Anfechtungsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO nur bei unrichtiger Beurteilung in materiellrechtlicher Beziehung vorliegen kann, während zur Geltendmachung einer unrichtigen Anwendung der Prozeßgesetze die Revisionsgründe der Nichtigkeit oder der Mangelhaftigkeit des Verfahrens dienen (SZ 23/1, EvBl 1960/282 uva). Daß diese Revisionsgründe aber im vorliegenden Fall nicht vorliegen, wurde bereits dargelegt.

Der Beklagte vermochte auch keine auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhende Feststellungsmängel der Vorinstanzen aufzuzeigen. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß § 163 ABGB in seinem Abs 1 eine widerlegbare gesetzliche Vaterschaftsvermutung aufstellt, welche unbestritten auf den Beklagten zutrifft. § 163 Abs 2 ABGB eröffnet dem Beklagten zur Widerlegung der Vaterschaftsvermutung zweierlei Möglichkeiten: Er kann entweder die Unwahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft beweisen oder die größere Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft eines anderen Mannes, für den die Vermutung gleichfalls gilt (vgl EFSlg. 51.254 ua). Im vorliegenden Fall hat das vom Erstgericht eingeholte blutgruppenserologische Sachverständigengutachten von Univ.Prof.Dr. S*** eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten von 98 bis 99 % ergeben.

Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß dem Beklagten der Nachweis der relativen Unwahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft nicht gelungen ist. Hiezu wäre die Einbeziehung eines anderen Mannes in die blutgruppenserologische Untersuchung notwendig gewesen. Im Hinblick auf den im Abstammungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz (Art.V Z 5 ue. KindG) kann es zwar nicht dem Beklagten auferlegt werden, Namen und Adresse des anderen Mannes zu nennen, da das Gericht von Amts wegen für die vollständige Aufklärung aller wichtigen Tatumstände zu sorgen hat; bleibt jedoch auch das Beweisverfahren ergebnislos, so geht dies zu Lasten des gemäß § 163 Abs 2 ABGB beweispflichtigen Beklagten. Im übrigen ist der Beklagte darauf zu verweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung zwar der Grundsatz, daß ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens keinen Revisionsgrund darstellt, bei jenen Verfahrensarten, die - wie hier - der Offizialmaxime unterliegen, nicht zur Anwendung kommt (EvBl 1957/191 ua); dies ändert aber nichts daran, daß der Untersuchungsgrundsatz nicht so weit geht, sämtliche erdenkliche Beweise aufnehmen zu müssen (EFSlg. 26.736 ua). Im übrigen gehört es zur Beweiswürdigung, wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, daß weitere Beweise an dem festgestellten Sachverhalt nichts ändern könnten. Auch im Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind darf in der Revision die Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht mehr bekämpft werden. Der Oberste Gerichtshof darf daher nicht überprüfen, ob die Beweisergebnisse ausreichen oder ob Kontrollbeweise notwendig sind (EFSlg. 41.789, 41.790, 36.784 ua). Vertritt das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - die Meinung, daß die Beweisergebnisse zu einer verläßlichen Feststellung ausreichen, die Mutter habe während der im § 163 Abs 1 ABGB genannten Zeit nur dem Beklagten beigewohnt, so daß insbesondere ein Tragzeitgutachten nicht erforderlich sei, so handelt es sich dabei um einen nicht revisiblen Akt der Beweiswürdigung.

Ausgehend von den für das Berufungsgericht bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen, daß der Beklagte der Mutter des Klägers innerhalb der Frist des § 163 Abs 1 ABGB beigewohnt hat, daß die Wahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft 98 bis 99 % beträgt und ihm auch der Entkräftungsbeweis nach § 163 Abs 2 ABGB nicht gelungen ist, kann in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß es hinsichtlich des Beklagten bei der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs 1 ABGB zu verbleiben hat und damit das Erstgericht ohne Rechtsirrtum die außereheliche Vaterschaft des Beklagten zum Kläger festgestellt hat, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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