Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 29.556,40 S (darin 40,-- S an Barauslagen und 4.919,40 S an Umsatzsteuer) und an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von 29.704,80 S (darin 12.000,-- S an Barauslagen und 2.950,80 S an Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27.11.1984 verschuldete der Lenker des bei der Beklagten haftpflichtversicherten LKWs mit dem polizeilichen Kennzeichen St
51.574 auf der Bundesstraße B 146 einen Verkehrsunfall, bei dem Manfred S***** verletzt und infolge der Unfallfolgen erwerbsunfähig wurde. In der Zeit vom 1.1.1986 bis 30.6.1990 erbrachte die Klägerin Leistungen in der Höhe von 1,224.141,30 S. Manfred S***** stand zur Unfallszeit im aktiven Dienstverhältnis bei der H***** Gesellschaft mbH und erhielt auf Grund der am 1.1.1981 in Kraft getretenen Versorgungsordnung dieser Gesellschaft eine Firmenpension, und zwar von 1986 bis 1989 Versorgungsbezüge in der Höhe von 455.210,-- S. § 19 dieser Versorgungsordnung bestimmt, daß dann, wenn die Berufsunfähigkeit durch Dritte herbeigeführt wurde und diese für den Schaden haftbar gemacht werden können, der Berechtigte aus der Versorgungsordnung von der Firma verpflichtet werden kann, seine Ansprüche mit Ausnahme des Schmerzengeldes an die Firma zur Deckung des mit dieser Versorgungsordnung verbundenen Aufwands abzutreten. Die Abtretung hat in der Höhe der geleisteten Zahlung bis zur Höhe der Zahlungen aus dieser Versorgungsordnung zu erfolgen, soweit die Ansprüche gegen diese Dritten nicht seitens der gesetzlichen Versicherungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften beansprucht werden.
Mit der am 4.9.1990 erhobenen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten als Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges die Bezahlung von 455.210,-- S sA mit der Begründung, daß die Ansprüche Manfred S***** gemäß § 332 ASVG auf sie übergegangen seien und die Beklagte zu Unrecht im Wege der Vorteilsausgleichung jene Pensionsleistungen vom Deckungsfonds in Abzug gebracht habe, die von der H***** Gesellschaft mbH Manfred S***** erbracht worden seien. Aus § 19 der Versorgungsordnung gehe hervor, daß durch die Firmenpension eine Entlastung eines allfälligen Drittschädigers nicht habe vorgenommen werden sollen. Die Versorgungsleistung schmälere daher den Deckungsfonds nicht.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Klägerin nicht berechtigt sei, die Zusatzpension ersetzt zu verlangen. Die Leistungen auf Grund der Versorgungsordnung seien für beide Teile rechtsverbindlich. Die Firmenpension wäre bei der Berechnung des Verdienstentganges zu berücksichtigen, und zwar im Sinne einer Minderung der Leistungspflicht des Schädigers. Was für den Geschädigten gelte, gelte auch für den Legalzessionar. Bei der Berechnung der Regreßforderung müsse sich die Klägerin daher die Firmenpension auf den Deckungsfonds anrechnen lassen, sodaß die Regreßforderung um die Höhe der Firmenpension zu reduzieren sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei der rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging es davon aus, daß durch die Firmenpension eine Entlastung eines allfälligen Drittschädigers nicht habe vorgenommen werden sollen, sodaß der von der Beklagten im Wege der Vorteilsausgleichung getätigte Abzug unzulässig sei. Es sei nicht Sinn der Versorgungsordnung, daß dadurch ein Drittschädiger gleichsam belohnt werden würde.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies, wobei es aussprach, daß die Revision unzulässig sei.
In Erledigung der in der Berufung allein vertretenen Rechtsrüge pflichtete das Berufungsgericht dem Erstgericht vorerst dahin bei, daß die Anrechnung eines Vorteils dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen müsse und nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen dürfe. Es sei also nicht schlechthin jeder Vorteil anzurechnen, der dem Geschädigten aus dem vom Schädiger verursachten Ereignis zufließe, es komme vielmehr immer auf die ganz besondere Art des erlangten Vorteils und den Zweck der Leistung des Dritten an. Lehre und Rechtsprechung verträten daher die Auffassung, daß freiwillige Zuwendungen dritter Seite, die zu dem Zweck gemacht würden, dem Geschädigten eine erste Hilfe zuteil werden zu lassen, das Unglück, das ihn betroffen habe, zu mildern oder ihm - etwa im Falle einer Sammlung unter Arbeitskollegen - Solidarität zu bezeugen, nicht anzurechnen seien. In all diesen Fällen sei davon auszugehen gewesen, daß der Dritte seine Leistungen dem Geschädigten unabhängig vom Ausmaß seines Schadenersatzanspruches und zusätzlich zu diesem zuwenden wollte, weshalb die Anrechnung als unbillig erachtet worden sei. Ähnlich verhalte es sich mit gewissen Sozialleistungen, die im Hinblick auf eine ganz bestimmte, durch das schädigende Ereignis ausgelöste soziale Situation gewährt würden. Wiederholt sei ausgesprochen worden, daß sich ein ersatzpflichtiger Schädiger gegenüber dem Geschädigten nicht auf die Unterhalts- bzw Sorgepflichten des Dritten berufen könne. Der hier zur Beurteilung vorliegende Fall sei dem vom Obersten Gerichtshof zu 2 Ob 215, 216/79, SZ 53/58 veröffentlichten Fall vergleichbar. Hier wie dort habe der Geschädigte nicht eine Leistung erhalten, die ihm nur wegen der durch das schädigende Ereignis ausgelösten Notlage, Hilfsbedürftigkeit usw gewährt werde, sondern habe schon vor dem schädigenden Ereignis ein Anspruch auf die Firmenpension bestanden. Wie in der veröffentlichten Entscheidung sei der Zweck der Firmenpension auch hier in ähnlicher Weise umrissen, nämlich "H***** Gesellschaft mbH" biete mit der Versorgungsordnung, die allen Mitarbeitern und deren Familienangehörigen zugutekomme, eine zusätzliche finanzielle Absicherung zur gesetzlichen Pensionsversicherung. Den Mitarbeitern und ihren Angehörigen solle dadurch ermöglicht werden, ihren erarbeiteten Lebensstandard auch nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben beizubehalten. Hier wie dort habe sich der Dienstgeber in dieser Versorgungsordnung verpflichtet, dem Dienstnehmer eine den bisherigen Einkommensverhältnissen entsprechende Versorgung zu sichern. Der Zweck der Zuwendung des Dritten widerspreche daher einer Vorteilsausgleichung nicht. Bei der Berechnung des Deckungsfonds sei somit diese Firmenpension einzubeziehen, weshalb das erstinstanzliche Urteil im aufgezeigten Sinn abzuändern gewesen sei.
Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß es sich im Rahmen der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (SZ 53/58) gehalten habe.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.
Die beklagte Partei machte von dem ihr eingeräumten Recht, eine Revisionsbeantwortung einzubringen, Gebrauch, und beantragte darin, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß seine Entscheidung mit der in SZ 53/58 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Einklang stünde. Die Revision ist auch berechtigt.
Festzuhalten ist vorerst, daß der Entscheidung SZ 53/58 eine Direktklage der Hinterbliebenen des Verunglückten gegen den Schädiger zugrundelag, im vorliegenden Fall es sich aber um eine Regreßklage eines Sozialversicherungsträgers gegen den Schädiger im Sinne des § 332 ASVG handelt. Nach § 332 ASVG gehen Schadenersatzansprüche des Verletzten auf den Träger der Sozialversicherung - und zwar schon im Schädigungszeitpunkt - über, soweit dieser Leistungen zu erbringen hat. Zunächst sind sämtliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger zu ermitteln. Die Summe der persönlich, sachlich und zeitlich kongruenten Einzelposten bildet den sogenannten Deckungsfonds (vgl Harrer in Schwimann, ABGB V, Rz 80 f zu § 1325). Die Frage, ob eine Vorteilsausgleichung vorzunehmen ist, bzw ob die Anrechnung eines Vorteils auszuschließen ist, und deren Beantwortung einer wertenden Entscheidung - im Sinne einer teleologischen Betrachtungsweise - bedarf, stellt sich begrifflich erst nach dem Zeitpunkt des Forderungsüberganges gemäß § 332 ASVG. Da in den Fällen der Legalzession der Forderungsübergang - wie bereits erwähnt - schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses eintritt, führt eine Legalzession im Ergebnis zu einer Versagung der Vorteilsausgleichung (vgl Harrer, aaO, Rz 6 zu Anh nach §§ 1323 f), sodaß sich im Bereich gesetzlicher Zessionen das Problem der Vorteilsanrechnung gar nicht stellt, der Ersatzanspruch in voller Höhe aufrecht bleibt und ganz oder teilweise auf den Zessionar übergeht (vgl Koziol, Haftpflichtrecht2 I 212; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 13 zu § 1312; vgl auch ZVR 1977/77). Ebenso lehren Koziol-Welser9 I 460, daß die Vorschriften über die Legalzession zunächst von einer Verhinderung des Vorteilsausgleiches ausgehen und voraussetzen, daß der Anspruch des Geschädigten gegen den Dritten (Versicherer) dem Schädiger nicht zugutekommt.
Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, daß der Deckungsfonds (Verdienstentgang) durch die Versorgungsbezüge des Geschädigten seitens des ehemaligen Dienstgebers H***** Gesellschaft mbH nicht geschmälert wird. Dies hat aber zur Folge, daß der Schädiger - dem ja die Leistungen des ehemaligen Dienstgebers nicht zugutekommen sollen - der klagenden Partei deren Leistungen im Rahmen des (um die Versorgungsleistungen nicht verminderten) Deckungsfonds zu ersetzen hat.
Damit erweist sich aber die Revision als berechtigt, weshalb die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils abzuändern war.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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