OGH 1Ob611/92

OGH1Ob611/9222.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Warta, Dr.Schlosser und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria L*****, vertreten durch Dr.Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Franz D*****, 2. Bernhard P*****, 3. Alois B*****, 4. Peter H*****, 5. Stefan S*****, 6. Ferdinand S*****, 7. Dipl.Ing. Heinrich P*****, 8. Karl Z*****, 9. Hubert S***** , 10. Josef M*****, 11. Franz H*****, alle vertreten durch Dr.Bruno Binder, Dr.Helmut Blum und Dr.Georg Lehner, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 154.817,96 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7. Juli 1992, GZ 4 R 315/91-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 20. September 1991, GZ 3 Cg 248/89-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird in Maria L*****, ***** richtiggestellt.

2. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 11.207,77 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.867,95 Ust.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist nach dem Tod ihres Gatten, des vormaligen Erstklägers, am 20. Dezember 1991 und Einantwortung seines Nachlasses an sie nunmehr Alleineigentümerin einer von der Jagdgesellschaft L***** (im folgenden nur Jagdgesellschaft), deren Gesellschafter die Beklagten sind bzw waren, bejagten Liegenschaft in L*****. Die Klägerin und ihr Gatte machten unter Einhaltung der im O.Ö.JagdG vorgesehenen Meldefrist gegenüber der Jagdgesellschaft bei der nach dem damals geltenden § 70 O.Ö.JagdG zuständigen Jagd- und Wildschadenskommission (der Gemeinde) L***** Wildschäden mit Wildschadensmeldungen geltend. Die Jagd- und Wildschadenskommission L***** verpflichtete die Jagdgesellschaft für Wildschäden an den Kulturen der klägerischen Liegenschaft

1.) mit Bescheid vom 2. Juni 1981, Agrar-447-1981/S, aufgrund der Wildschadensmeldung der Klägerin und ihres Gatten vom 11. Mai 1981 über S 32.690,-- zur Zahlung von S 2.410,--;

2.) mit Bescheid vom 22. Juli 1982, Agrar-447/1981/Schü, aufgrund der Wildschadensmeldung der Klägerin und ihres Gatten vom 4. Juni 1982 über S 18.865,74 zur Zahlung von S 550,--;

3.) im zweiten Rechtsgang mit Bescheid vom 9. September 1983, Agrar-447/6-1983/schü, aufgrund der Wildschadensmeldung der Klägerin und ihres Gatten vom 13. Mai 1983 über S 26.156,41 zur Zahlung von S 1.100,--;

4.) mit Bescheid vom 24. Mai 1984, Agrar-447/6-1984/Schü, aufgrund der Wildschadensmeldung der Klägerin und ihres Gatten vom 2. Mai 1984 über S 22.354,81 zur Zahlung von S 2.412;

5.) mit Bescheid vom 7. Juni 1985, Agrar-447/8-1985/schü, aufgrund der Wildschadensmeldung der Klägerin und ihres Gatten vom 21. Mai 1985 über S 67.152,41 zur Zahlung von S 1.201.

Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als Berufungsbehörde hat mit Bescheid vom 3. Februar 1987 den Berufungen der Klägerin und ihres Gatten gegen die oben unter 1.) bis 3.) und 5.) genannten Bescheide der Jagd- und Wildschadenskommission L***** teilweise Folge gegeben und jeweils zugesprochen zu 1.) mit Spruchteil III zu Agrar-151-1981

S 5.598,12, zu 2.) mit Spruchteil IV zu Agrar-182-1982 S 8.682,69, zu

3.) mit Spruchteil V zu Agrar-123-1983 S 17.025, zu 5.) mit Spruchteil VII zu Agrar-174-1985 S 4.442, und die Mehrbegehren jeweils abgewiesen sowie zu 4.) mit Spruchteil VI zu Agrar-180-1984 der Berufung der Klägerin und ihres Gatten nicht, hingegen der Berufung der Jagdgesellschaft Folge gegeben und den Antrag der Klägerin und ihres Gatten auf Zuerkennung des Ersatzes von Wildschäden sowie ihre Berufung abgewiesen. Über Beschwerden der Jagdgesellschaft gegen die zu 1.) bis 3.) und 5.) genannten sowie weitere Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land regte der Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzesmäßigkeit von § 70 O.Ö.JagdG beim Verfassungsgerichtshof an, der mit Erkenntnis vom 28. September 1988, Zl. G 69, 70, 71, 91, 117, 118, 119 und 206/88, - der Klägerin und ihrem Gatten am 4. November 1988 zugestellt - Abs 2 und Abs 3 des § 70 O.Ö.JagdG, worin die Entscheidung über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden einer Jagd- und Wildschadenskommission zugewiesen ist, infolge Widerspruchs zu Art 6 MRK als verfassungswidrig aufhob. Somit ist in Oberösterreich keine Verwaltungsbehörde (mehr) mit der Entscheidung über den Ersatz von Jagd- und Wildschäden berufen. Der Verwaltungsgerichtshof gab mit Erkenntnis vom 14. Dezember 1988, Zl 87/03/0072 und 0073, - der Klägerin und ihrem Gatten am 19. Jänner 1989 zugestellt - den Beschwerden der Jagdgesellschaft ua zu 1.) bis

3.) und 5.) Folge und hob die genannten Berufungsbescheide der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als rechtswidrig auf, weil über die Schadenersatzansprüche der Klägerin und ihres Gatten nicht eine Verwaltungsbehörde, sondern die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Darauf hat die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land mit Bescheiden vom 14. Februar 1989, - der Klägerin und ihrem Gatten zugestellt am 16. Februar 1989 -, zu 1.) Zl. Agrar-151-1981 den ersten Absatz des Spruches des Bescheides der Jagd- und Wildschadenskommission L***** vom 2. Juni 1981, Agrar-447-1981/S, ersatzlos aufgehoben, zu 2.), 3.) und 5.) Zl. Agrar-182-1982, Agrar-123-1983 und Agrar-174-1985 die Berufungen der Klägerin und ihres Gatten gegen die Bescheide der Jagd- und Wildschadenskommission L***** vom 22. Juli 1982, Agrar-447-1983/Schü, vom 9. September 1983, Agrar-447/6-1983/schü, und vom 7. Juni 1985, Agrar-447/8-1985/schü, als unzulässig zurückgewiesen, jeweils mangels Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde; die Schadenersatzansprüche der Klägerin und ihres Gatten müßten im ordentlichen Rechtsweg entschieden werden.

Infolge Beschwerde der Klägerin und ihres Gatten zu 4.) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 3. Februar 1987 behob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Oktober 1988, B-317/87-10, diesen Spruchteil. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land gab sodann mit Bescheid vom 19. Dezember 1988, Zl. Agrar-180-1984, der Berufung der Jagdgesellschaft Folge, behob den Bescheid der Jagd- und Wildschadenskommission L***** vom 24. Mai 1984, Agrar-447/6-1984/Schü, ersatzlos und wies die Berufung der Klägerin und ihres Gatten ab.

Zwischen den Parteien wurden keine Vergleichsgespräche geführt, die Beklagten zeigten keinerlei Zahlungsbereitschaft.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Ersatz von in der Zeit vom Mai 1981 bis Winter 1984/85 entstandenen Wildschäden von insgesamt 159.336,96 S sA (unter Berücksichtigung der von der Jagd- und Wildschadenskommission L***** zuerkannten, wenngleich noch nicht eingebrachten Beträge von insgesamt 4.519 S) - in Ansehung des Erst-, Dritt- bis Siebentbeklagten 97.018,96 S, in Ansehung des Zweit- bis Elftbeklagten (weitere) 57.799 S, jeweils zur ungeteilten Hand - gerichtete Klagebegehren, einem Einwand der Beklagten folgend, wegen Verjährung ab. Die Geltendmachung von in drei Jahren verjährenden Wildschäden bei der damals zuständigen Jagd- und Wildschadenskommission L***** sei zwar als "Belangen" iS des § 1497 ABGB zu verstehen, weil der Klägerin und ihrem Gatten bis 1988 keine andere rechtliche Möglichkeit zur Geltendmachung ihrer Ansprüche offen gestanden sei, wohl aber fehle es an der gehörigen Fortsetzung des Rechtsschutzgesuches, weil zwischen der Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes am 19. Jänner 1989 bzw der Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land am 14. Februar 1989 und der Klagseinbringung am 7. Juli 1989 unangemessen lange Zeit verstrichen und von der Klägerin keine triftigen Gründe für die verspätete Geltendmachung vorgebracht worden seien. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB habe nicht erst ab Kenntnis der Klägerin von den Erkenntnissen des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes neu zu laufen begonnen. Die Aufhebung einer die ausschließliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde normierenden Bestimmung als verfassungswidrig sei nicht dem Stillstand der Rechtspflege iS des § 1426 (gemeint: § 1496) ABGB gleichzusetzen.

Die zweite Instanz ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Auswirkung der Aufhebung einer die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde normierenden Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof auf Beginn und Ablauf von Verjährungsfristen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Denn ob ein weiterer Rechtszug an den Obersten Gerichtshof wegen Fehlens einer Rechtsprechung desselben zulässig ist, ist danach zu beurteilen, ob im Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels eine solche Rechtsprechung vorhanden war (JBl 1990, 254 zu § 502 Abs 4 Z 1 ZPO idF vor der WGN 1989). Eine ständige Rechtsprechung wird nicht gefordert (7 Ob 654/86; Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs-)Recht in ÖJZ 1983, 176). Zum Zeitpunkt der Erhebung der Revision durch die Klägerin am 17. August 1992 hat der Oberste Gerichtshof im "Parallelverfahren" 3 Cg 48/90 des Kreisgerichtes Steyr (= 4 R 237/91 des Oberlandesgerichtes Wien), in dem die Klägerin und ihr Gatte sechs Mitglieder der Jagdgesellschaft wegen Wildschäden auf ihrer Liegenschaft aus den Jahren 1979 und 1980 erfolglos belangten, bereits mit Urteil vom 25. Juni 1992, AZ 7 Ob 554/92, ausgesprochen, daß die Geltendmachung des Wildschadens durch die Klägerin und ihren Gatten in den Jahren 1979 und 1980 der damaligen Gesetzeslage entsprochen und daher einem "Belangen" iS des § 1489 ABGB gleichzuhalten sei. Bis zur Aufhebung der Bescheide der Verwaltungsbehörde durch den Verwaltungsgerichtshof sei der Geltendmachung der Gegenstand der Bescheide bildenden Ansprüche eine rechtswirksame Entscheidung entgegen gestanden. Mit der Aufhebung der Bescheide durch den Verwaltungsgerichtshof sei dieses Hindernis weggefallen. Infolge des Inhalts des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes habe auch kein Zweifel bestehen können, welche Behörde nunmehr über die Ansprüche zu entscheiden habe. Die Kläger hätten daher ihr Rechtsschutzgesuch nach der Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes am 19. Jänner 1989 innerhalb einer angemessenen Frist beim zuständigen Gericht durch Klagsführung fortsetzen müssen. Die Stellung der Kläger sei mit jener des auf den Zivilrechtsweg verwiesenen Privatbeteiligten vergleichbar. Ob ein längeres Zuwarten mit der Anspruchsverfolgung noch hingenommen werden könne oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliege, sei nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Berufe sich der Beklagte auf Verjährung wegen nicht gehöriger Verfahrensfortsetzung, müsse der Kläger beachtliche Gründe für seine Untätigkeit nachweisen. Dies habe die Klägerin und ihr Gatte unterlassen. § 1496 ABGB über den Stillstand der Rechtspflege beziehe sich nicht auf Fälle, in denen einzelne Rechtsschutzgesuche beim zuständigen und voll funktionsfähigen Gericht nicht eingebracht werden können, weil der (Landes-)Gesetzgeber für sie eine andere Behörde bzw ein anderes Verfahren bestimmt habe.

Es fehlt daher an einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Beginn der Verjährungsfrist bei Aufhebung einer die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde regelnden Bestimmung in einem Landesgesetz durch den Verfassungsgerichtshof vorliegt. Ob ein Zuwarten mit der Klagsführung von 19. Jänner 1989 (Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes) bis 7. Juli 1989 (Klagseinbringung) eine ungewöhnliche Untätigkeit der Klägerin darstellt, stellt wegen der Einzelfallbezogenheit (Schubert in Rummel2, Rz 10 zu § 1497 ABGB mwN) gleichfalls keine erhebliche Rechtsfrage dar. Die Revision ist demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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