OGH 7Ob554/92

OGH7Ob554/9225.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Verlassenschaft nach dem am 20.Dezember 1991 verstorbenen Ferdinand L*****, und 2.) Marta L*****, beide vertreten durch Dr.Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Franz D***** 2.) Alois B*****, 3.) Peter H*****, 4.) Dipl.Ing.Heinrich P*****, 5.) Stefan S*****, und

6.) Ferdinand St*****, alle vertreten durch Dr.Bruno Binder und Dr.Helmut Blum, Rechtsanwälte in Linz, wegen 89.615,40, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28.Jänner 1992, GZ 4 R 237/91-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 13.Juni 1991, GZ 3 Cg 48/90-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit S 6.876,90 (darin S 1.146,15 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Hälfteeigentümer der Liegenschaft A*****. Die Beklagten waren in den Jahren 1979 und 1980 Gesellschafter der Jagdgesellschaft L*****, die den klägerischen Grund bejagte. 1979 und 1980 machten die Kläger jeweils unter Einhaltung der im oberösterreichischen JagdG vorgesehenen Meldefrist gegenüber dem Erstbeklagten als dem Jagdleiter der Jagdgenossenschft L***** Wildschäden geltend. Die Jagd- und Wildschadenskommission L***** stellte mit Bescheiden vom 2.5.1979 und 31.3.1980 fest, daß den Klägern kein Anspruch auf Ersatz des aufgetretenen Wildschadens zustehe. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land gab den Berufungen der Kläger mit Bescheiden vom 3.2.1987 teilweise Folge und sprach ihnen Teilbeträge zu. Gegen diese Bescheide brachte die Jagdgesellschaft L***** Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein, der in beiden Fällen beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend § 70 des O.Ö.JagdG anregte. Mit Erkenntnis vom 28.9.1988 G 69/88 hob der Verfassungsgerichtshof § 70 Abs.2 und 3 des O.Ö.JagdG, worin die Entscheidung über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden einer Jagd- und Wildschadenskommission zugewiesen wurde, als verfassungswidrig auf. Dieses Erkenntnis wurde den Klägern am 4.11.1988 zugestellt. Mit Erkenntnis vom 14.12.1988, den Klägern zugestellt am 19.1.1989 zur Zahl 87/03/0072 und 0073 gab der Verwaltungsgerichtshof den beiden Beschwerden der Jagdgesellschaft L***** Folge und hob die zitierten Berufungsbescheide der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land auf. Diese Behörde hob in der Folge die Bescheide der Jagd- und Wildschadenskommission L***** vom 2.5.1979 und 31.3.1980 ersatzlos mit der Begründung auf, daß zur Entscheidung über die Schadenersatzansprüche der Kläger die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Zwischen den Parteien wurden in der Folge keinerlei Vergleichsgespräche geführt.

Mit der am 16.3.1990 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehren die Kläger von den Beklagten den Ersatz von Wildschäden aus den Jahren 1979 und 1980 von insgesamt S 89.515,40. Die dreijährige Frist des § 1489 ABGB habe erst ab Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu laufen begonnen.

Die Beklagten beantragten die Klagsabweisung und wendeten zunächst ihre mangelnde Passivlegitimation ein, weil nur die Jagdgesellschaft und nicht die Gesellschafter selbst zur Haftung herangezogen werden könnten. Außerdem sei die Forderung verjährt. Ab der Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes hätten die Kläger unverzüglich ihre Schadenersatzklage einbringen müssen. Für das Zuwarten mit ihrer Klage habe es keinerlei Gründe gegeben.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren als verjährt ab. Die Geltendmachung von in drei Jahren verjährenden Wildschäden bei der Jagd- und Wildschadenskommission L***** sei als "Belangen" im Sinne des § 1497 ABGB zu verstehen, weil den Klägern im Jahre 1979 und 1980 zur Geltendmachung ihrer Ansprüche keine andere Möglichkeit offengestanden sei. Es fehle aber an der gehörigen Fortsetzung des Rechtsschutzgesuches, weil sich die Kläger nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes mit der vorliegenden Klagsführung unangemessen lange Zeit gelassen hätten. Sie hätten keine triftigen Gründe für die verspätete Geltendmachung vorgebracht.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu.

Die gegen dieses Urteil von den Klägern erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Aufhebung der Abs.2 und 3 des § 70 des O.Ö.JagdG 1964 wurde vom Verfassungsgerichtshof mit dem Widerspruch dieser Bestimmungen zu Art.6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte begründet (vgl. VfGH Slg 11826). Sie bewirkte rückwirkend, daß keine Verwaltungsbehörde mit der Entscheidung über den Ersatz von Jagd- und Wildschäden berufen werden durfte. Auch der klagsgegenständliche Anspruch der Kläger wurde daher davon erfaßt. Aus § 1 JN ergibt sich, daß somit zur Entscheidung? in derartigen, "bürgerlichenRechtssachen" ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig sind.

Der Beginn der Verjährungsfrist nach § 1478 ABGB ist grundsätzlich an die objektive Möglichkeit der Rechtsprechung geknüpft, d.h. die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald der Geltendmachung des Anspruches kein rechtliches Hindernis entgegensteht. Entscheidend ist daher der Zeitpunkt, in dem das Recht zuerst ausgeübt hätte werden können (vgl. Schubert in Rummel, ABGB § 1478 Rz 2 mwN). Während aufrechter Geltung des Abs.2 und 3 des § 70 des O.Ö-JagdG konnten Wildschäden nur im Verwaltungsweg bei der Wildschadenskommission geltend gemacht werden. Der Argumentation, daß erst das diese Norm behebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes als Verjährungsbeginn anzusehen sei, steht entgegen, daß der Anspruch als solcher bereits weit früher tatsächlich geltend gemacht worden ist und es für den Spruch des Höchstgerichtes des entsprechenden Anlaßfalles bedurfte. Die Kläger können sich daher nicht auf einen aus ihrem Unverschulden gesetzten "erfolglosen" Akt der Rechtsverfolgung gleich den Bestimmungen der §§ 210 ff BGB, zu denen das österreichische Recht keinerlei Parallelbestimmung vorsieht (vgl. Schubert aaO § 1497 Rz 6), berufen.

Unter Stillstand der Rechtspflege versteht man die Unmöglichkeit der Rechtsverfolgung, nach herrschender Lehre genügt es, daß das zuständige Gericht an seiner (gemeint ist wohl gesamten) Tätigkeit gehindert ist (vgl. Klang in Klang2 VI, 649 mwN). § 1496 ABGB bezieht sich daher nicht auf Fälle, in denen einzelne Rechtsschutzgesuche beim zuständigen und voll funktionsfähigen Gericht nicht eingebracht werden können, weil der (Landes-)Gesetzgeber für sie eine andere Behörde bzw. ein anderes Verfahren bestimmt hat. Auch aus anderen Gründen lag bis zur Abklärung der Gesetzeslage durch den Verfassungserichtshof kein einem dem Stillstand der Rechtspflege gleichzuhaltender Zustand im Sinne des § 1496 ABGB vor. Dieser Gerichtshof des öffentlichen Rechts behandelte das klägerische Rechtsschutzgesuch im rechtsstaatlichen Sinne. Dadurch wurde den Klägern noch kein Rechtsverlust zugefügt. Die Verfassungsgerichtshofentscheidung stellt inhaltlich eine Zuständigkeitsabklärung dar. Eine solche hat für den Anspruchswerber dann keinerlei nachteilige Folgen, wenn das Rechtsschutzgesuch bei der vom Gesetz bezeichneten Behörde oder Gericht eingebracht wurde und dieses ohne sein Verschulden einer anderen Behörde zugewiesen wurde. Auch eine beim unzuständigen Gericht eingebrachte Klage unterbricht die Verjährung, wenn die Klage in der Folge gemäß § 230 a bzw. § 261 ZPO an das zuständige Gericht überwiesen werden kann (vgl. VersR 1976, 1198).

Zutreffend haben daher die Vorinstanzen erkannt, daß die Geltendmachung des Wildschadens durch die Kläger in den Jahren 1979 und 1980 der damaligen Gesetzeslage entsprach und daher einem "Belangen" im Sinne des § 1489 ABGB gleichzuhalten ist. Bis zur Aufhebung der Bescheide der Verwaltungsbehörde durch den Verwaltungsgerichtshof stand der Geltendmachung der Gegenstand diese Bescheide bildenden Ansprüche eine rechtswirksame Entscheidung entgegen. Mit der Aufhebung der Bescheide durch den Verwaltungsgerichtshof ist dieses Hindernis weggefallen. Infolge des Inhaltes des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes konnte auch kein Zweifel bestehen, welche Behörde nunmehr über die Ansprüche zu entscheiden hatte. Die Kläger hätten daher ihr Rechtsschutzgesuch nach der Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes am 15.1.1989 innerhalb einer angemessenen Frist beim zuständigen Gericht durch Klagsführung fortsetzen müssen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat ist die Stellung der Kläger mit jener des Privatbeteiligten, der auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird vergleichbar (vgl. MGA ABGB32 § 1497/117 und 119 f). Ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung des Anspruches noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Beruft sich der Beklagte auf Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung, ist es Sache des Klägers, beachtliche Gründe für seine Untätigkeit nachzuweisen (vgl. Schubert aaO § 1497 Rz 10). Im vorliegenen Fall war der Schaden ziffernmäßig genau, ebenso wie die zur Verantwortung heranzuziehenden Personen und deren kategorische Weigerung, etwas zu bezahlen, bekannt. Das Verstreichenlassen von mehr als einem Jahr nach der Zustellung des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses ist unangemessen lang.

Der Revision der Kläger war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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