European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:0130OS00111.9200005.1021.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 6. April 1992, AZ 8 Bs 375/91 (GZ 27 E Vr 2312/90‑49 des Landesgerichtes Linz) verletzt, soweit es den Angeklagten in Stattgebung seiner Berufung unter Aufhebung des erstinstanzlichen Schuldspruches (auch) von der Anklage wegen Vergehens nach dem § 288 Abs 1 StGB gemäß dem § 259 Z 3 StPO freisprach, das Gesetz in der Bestimmung des § 291 StGB.
Gründe:
Beim Landesgericht Linz wurden unter AZ 21 Vr 876/87 Vorerhebungen gegen Dr. H* und andere Ärzte des Landeskrankenhauses Linz wegen des § 88 Abs. 1 und 4 (§ 81 Z 1) StGB geführt. Es bestand der Verdacht fahrlässiger Fehlbehandlung der minderjährigen Gertrude R*. Über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 29. Dezember 1987 (S 3 k) wurde am 5. Februar 1988 der Kinderarzt Dr. Felix W* vom Untersuchungsrichter als Zeuge nach Vorhalt des § 153 StPO einvernommen (ON 13). Dabei sagte er ua aus:
„Am 28. Dezember 1981 war bereits eine eindeutig spastisch bedingte Hemiplegie linksseitig feststellbar. Darüber bin ich mir ganz sicher. Auf Grund der Ambulanzkarte, auf der ich die diesbezügliche Eintragung persönlich gemacht habe, kann ich eben diese Feststellung mit Sicherheit treffen. Wenn auf der Ambulanzkarte diese Eintragung gemacht wurde, dann habe ich das Kind auch zu diesem Zeitpunkt im Landeskinderkrankenhaus untersucht“ (S 159).
Diese Vernehmung wurde um 8.55 Uhr beendet. Noch am selben Tag wurden die Akten der Staatsanwaltschaft Linz nach (teilweiser) Entsprechung zur Antragstellung zugeleitet (S 3 m). Am 8. Februar 1988 rief Dr. W* den Untersuchungsrichter an und gab bekannt, daß er „seine ZV von der Vorwoche noch etwas korrigieren möchte“. Für diese Vernehmung wurde der 9. Februar 1988 als Termin vereinbart, die Akten wurden von der Staatsanwaltschaft herbeigeholt (AV S 3 n).
Am 9. Februar 1988 relativierte der Zeuge seine Angaben und räumte ein, daß er die fragliche Eintragung auch später (als am 28. Dezember 1981) gemacht haben könne (S 165).
Auf Grund des in der Hauptverhandlung modifizierten und ausgedehnten Strafantrages (ON 28, S 387) wurde Dr. Felix W* mit Urteil eines Einzelrichters vom 16. Juli 1991, GZ 27 E Vr 2312/90‑37, der Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach dem § 293 Abs. 2 StGB (Gebrauch der das unrichtige Datum 28.Dezember 1981 aufweisenden Ambulanzkarte als falsches Beweismittel in seinen Vernehmungen am 5. und 9. Februar 1988) sowie der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs 1 StGB (zufolge der bereits wiedergegebenen Aussage vom 5. Februar 1988) schuldig erkannt. Von dem Vorwurf der falschen Beweisaussage auch am 9. Februar 1988 wurde er gemäß dem § 259 Z 3 StPO unter Bezugnahme auf den § 291 StGB - unangefochten - freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung des Angeklagten gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 6. April 1992, AZ 8 Bs 375/91 (ON 49) Folge und sprach ihn von beiden Schuldspruchfakten gemäß dem § 259 Z 3 StPO frei. Den hier allein interessierenden Freispruch vom Vorwurf der falschen Beweisaussage stützte das Berufungsgericht auf die Annahme tätiger Reue im Sinne des § 291 StGB.
Dieses Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht verletzt, soweit der Angeklagte in Stattgebung seiner Berufung auch von der Anklage der falschen Beweisaussage nach dem § 288 Abs. 1 StGB, begangen am 5. Februar 1988, freigesprochen wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 291 StGB. Nach dieser Gesetzesstelle ist der Täter wegen einer nach den §§ 288 oder 289 StGB mit Strafe bedrohten Handlung nicht zu bestrafen, wenn er die unwahre Erklärung vor Beendigung seiner Vernehmung richtigstellt. Wann eine Vernehmung beendet (abgeschlossen) ist, bestimmt sich nach den jeweiligen Verfahrengesetzen; in der Regel wird dies der Abschluß der Protokollierung sein, es sei denn, daß nach dem für den Täter erkennbaren Willen des Gerichtes die Aussage später fortgesetzt werden soll, sohin faktisch noch nicht beendet ist (Foregger‑Kodek, StGB5 Erl. zu § 291; ebenso Leukauf‑Steininger, Komm3, § 291, RN 3 mwN; aM Pallin in WK Rz 2 zu § 291 StGB). Angesichts des klaren Gesetzeswortlautes ist die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung einer vom Erstgericht vorgenommenen extensiven Interpretation zum Nachteil des Angeklagten nicht haltbar. Die gesetzliche Einschränkung des Geltungsbereiches der tätigen Reue auf Richtigstellungen, die noch vor Beendigung der Vernehmung vorgenommen werden, steht dieser Auffassung des Berufungsgerichtes entgegen. An der Tatsache aber, daß im vorliegenden Fall die Vernehmung des Dr. W* als Zeugen im maßgeblichen Zeitpunkt schon beendet war, kann angesichts des Umstandes, daß die Akten schon der Staatsanwaltschaft zugeleitet waren, ehe es über Initiative des Zeugen zu dessen neuerlicher Vernehmung kam, nicht gezweifelt werden. Die vom Berufungsgericht ebenfalls zur Stütze seiner Rechtsauffassung herangezogene Rechtslage in Deutschland (§ 158 dStGB) ist anders gestaltet und somit als Interpretationshilfe ungeeignet.
Das Berufungsgericht verletzte daher ‑ zum Vorteil des Angeklagten ‑ das Gesetz in der Bestimmung des § 291 StGB. Diese Gesetzesverletzung war in Stattgebung der vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes festzustellen und somit spruchgemäß zu erkennen.
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