OGH 13Os66/92

OGH13Os66/9221.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schützenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich Hans M* wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs 1, 86 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 17. April 1991, GZ 28 Vr 1544/90‑68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Wasserbauer, und des Verteidigers Dr. Obereder, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E30392

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9. Oktober 1963 geborene Zeitschriftenwerberkontrolleur Erich Hans M* des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs 1, 86 StGB (I./) und des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

 

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 5 a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte der Sache nach das Urteil nur im Punkt I./ des Schuldspruches und im Strafausspruch.

Nach diesem Teil des Schuldspruches liegt ihm zur Last, am 15. Juli 1990 in Linz Anita L* durch zahlreiche Faustschläge und Fußtritte, wodurch die Genannte einen Schädelbasisbruch, einen Nasenbeinbruch, Hämatome im Bereich des rechten Auges, am Hinterkopf, an der Nasenwurzel, am Rücken und an der Gesäßgegend, an beiden Unterschenkeln, an beiden Unterarmen sowie ein flächenhaftes Hämatom am Brustkorb erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wobei die Tat ihren Tod zur Folge hatte.

Einen Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung des Anton S* zum Beweis dafür, daß anläßlich eines am 20. Juli 1990 zwischen Alexandra L*, Wolfgang M* und Anton S* geführten Gespräches auch erwähnt worden sei, Anita L* seien die von L* an ihr wahrgenommenen Verletzungen von einem unbekannten Täter bei dem Überfall in der Waschküche zugefügt worden (AS 623).

Dieser Antrag verfiel zu Recht der Abweisung. Das Erstgericht ging davon aus, daß ein solches Gespräch zwischen den im Antrag genannten Personen stattfand und auch den im Antrag angeführten Inhalt hatte (vgl AS 658). Wie das Schöffengericht dazu ausführte, läßt aber der Gesprächsinhalt im Hinblick auf den ‑ vom Gericht in seine beweiswürdigenden Erwägungen miteinbezogenen (AS 659, 666) ‑ Umstand, daß Anita L* oftmals die wahre Ursache ihrer Verletzungen, nämlich die Mißhandlungen durch den Angeklagten, verschwiegen hat, keinen zwingenden Rückschluß auf die Täterschaft einer anderen (unbekannten) Person zu (AS 666). Eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten liegt sohin nicht vor.

Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt.

Zu welcher Uhrzeit (des Tattages) der Angeklagte Anita L* aufgesucht und auf welche Weise sie ihre Wohnung zur Anzeigeerstattung verlassen hat (AS 641), war vom Erstgericht nicht gesondert zu erörtern, weil dies keine für die Lösung der Schuldfrage maßgebenden Tatumstände und damit keine entscheidende Tatsache betrifft.

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen findet die Urteilsfeststellung, derzufolge der Angeklagte der Anita L* auch Fußtritte versetzt hat (AS 640, 647, 661, 664), sowohl in den Angaben der Zeugin Michaela A*, wonach L* bei Schilderung ihrer Mißhandlung durch den Angeklagten auch Fußtritte erwähnte (AS 69 iVm AS 545), aber auch in den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr.Johann H* über die Entstehungsursache der Verletzungen an den unteren Gliedmaßen durch derartige Tätlichkeiten (AS 351) ihre beweismäßige Deckung.

Die Tatsache, daß im Bericht der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Juli 1990 (vgl AS 19) nur vermerkt ist, daß Anita L* die Anzeige zurückziehen wollte, steht dem Umstand nicht entgegen ‑ und war daher entgegen dem Vorbringen der Rüge nicht gesondert zu erörtern ‑, daß der erhebende Polizeibeamte S* den von der Genannten dafür angeführten Beweggrund (unerträgliche psychische Belastung infolge der zu erwartenden Untersuchungen) erst in der Hauptverhandlung erwähnt hat (AS 617).

Eine Aktenwidrigkeit ist nach Ansicht des Beschwerdeführers deshalb gegeben, weil die vom Gericht festgestellten Tathandlungen (Faustschläge und Fußtritte) nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H* nicht zu einem Schädelbasisbruch hätten führen können; nach diesem wäre für eine solche Verletzung ein relativ heftiger breitflächiger Aufprall des Hinterkopfes durch einen Sturz oder einen Stoß gegen ein hartes Hindernis erforderlich gewesen. Die Rüge gibt hier aber nur einen aus dem Zusammenhang gelösten Teil des Gutachtens wieder (vgl AS 351), sie übergeht die weiteren Angaben des Sachverständigen dazu, wonach die Schädelverletzungen der Folge von heftigen mehrfachen stumpfen Gewalteinwirkungen entsprechen, und insbes. jene Ausführungen (AS 351, 357 f, 365; 561 f), in welchen die oben wiedergegebenen tatrichterlichen Feststellungen ihre Deckung finden. Die Richtigkeit der auf freier Beweiswürdigung beruhenden, aus bestimmten Beweisergebnissen gezogenen Schlüsse (hier: Herbeiführung der Schädelverletzung durch stumpfe Gewalteinwirkung) kann aber unter dem Gesichtspunkt einer Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (Mayerhofer‑Rieder, StPO3 ENr. 185 ff zu § 281 Z 5).

Zu Unrecht vermißt der Angeklagte eine zureichende Begründung der auf die Richtigkeit der Anzeigenbehauptungen der Anita L* fußenden und eine Unfallversion ausschließenden Urteilsannahmen. Hat doch das Erstgericht denkrichtig seine auf zahlreiche Indizien gegründeten Erwägungen dargelegt, die für seine Überzeugung maßgebend waren, daß der Angeklagte der Anita L* die zu ihrem Tod führenden Verletzungen zugefügt hat (AS 657 ff). Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Mängelrüge schließlich aus bestimmten Verfahrensergebnissen, die seiner Meinung nach für die von ihm vorgebrachte Tatversion sprechen, günstigere Schlußfolgerungen hinsichtlich der Entstehungsursache der Schädelverletzungen der Anita L* zu ziehen sucht, als dies das Schöffengericht tat, so erschöpfen sich diese Ausführungen in einer versuchten Umwertung der Verfahrensergebnisse und damit in einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung.

Als nicht stichhältig erweist sich aber auch das im wesentlichen die Argumentation in der Mängelrüge wiederholende Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO, das unter Berücksichtigung der aktenkundigen (gewichtigen) Belastungsmomente keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken vermag.

Der Einwand, der Inhalt der von Anita L* am 15. Juli 1990 erstatteten Anzeige stehe der Annahme einer zur Herbeiführung ihrer schweren Schädelverletzung geeigneten Gewalteinwirkung entgegen, ist deshalb nicht zielführend, weil nach den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. H* die beim Tatopfer festgestellten Verletzungen durch die in der Anzeige beschriebenen Tätlichkeiten erklärbar sind (AS 566, 568). Auch die auf das Vorliegen eines Unfallgeschehens abzielende und auf eine derartige Behauptung der Verstorbenen gegenüber Alexandra L* gestützte Argumentation des Beschwerdeführers geht fehl. Abgesehen davon, daß die genannte Zeugin dieser Erklärung der Anita L* keinen Glauben schenkte (AS 47, 607), ist durch die Aussage der Zeugen Michaela A* und Claudia R* erwiesen, daß L* wiederholt aus Scham und Stolz Mißhandlungen durch den Angeklagten verschwiegen und als Verletzungsursache unwahr ein selbstverschuldetes Ereignis angegeben hat (AS 65, 543, 618, 659). Zufolge der sich aus den Angaben der Zeugen Wolfgang M*, Alexandra L* und Michaela A* ergebenden Belastung des Angeklagten konnte das Schöffengericht auch unter Berücksichtigung der übrigen Verfahrensergebnisse die eine Zufügung der tödlichen Schädelverletzungen bestreitende Einlassung des Angeklagten als unglaubwürdig und widerlegt erachten. Wenn der Beschwerdeführer die ihn belastende Beweisführung als nicht überzeugend darzustellen und den Todeseintritt auf ein von ihm nicht zu verantwortendes Unfallgeschehen zurückzuführen trachtet, wendet er sich erneut gegen die schlüssigen und lebensnahen Beweiswürdigungserwägungen des Schöffengerichtes. Diesen Ausführungen, mit denen der Angeklagte einer für ihn günstigeren Tatversion zum Durchbruch zu verhelfen sucht, fehlt demnach die Eignung, die Richtigkeit des dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatsachensubstrates ernstlich in Frage zu stellen.

Mit seiner Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich der Beschwerdeführer gegen eine Qualifikation der Tat nach dem § 86 StGB.

Er behauptet zunächst, es liege außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, daß durch bloße Schläge gegen Gesicht und Körper ein Schädelbasisbruch mit einer Subduralblutung eintreten könne, sodaß der "Risikozusammenhang zwischen Körperverletzung und Tod" verneint werden müsse.

Dies jedoch nicht mit Recht.

Eine Prüfung des Adäquanzzusammenhanges ‑ die unmittelbar an den konkret eingetretenen Erfolg und Kausalverlauf, der zu diesem Erfolg geführt hat, anknüpft und also primär ex post orientiert ist (EvBl. 1987/142, JBl. 1988 S 395; Leukauf‑Steininger, Komm3 Vorbem § 1 RN 33; Burgstaller in WK § 7 Rz 21, § 6 Rz 62, 63) ‑ ergibt, daß es nicht völlig außerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Erfahrung liegt, wenn Faustschläge gegen den Kopf ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ zu den im Urteil beschriebenen Verletzungen und zum Tode führen, was ‑ wie das Erstgericht konstatierte (vgl AS 670) ‑ für den Angeklagten nach seinen individuellen Verhältnissen zur Tatzeit durchaus erkennbar war.

Unzutreffend ist auch die weitere Behauptung der Rechtsrüge, die objekive Zurechnung des Erfolges (Tod der Anita L*) und damit die Annahme der Qualifikation des § 86 StGB sei deshalb verfehlt, weil der notwendige Risikozusammenhang im Hinblick darauf, daß sich die Verletzte nicht in ärztliche Behandlung begeben habe, nicht vorliege.

Nach den Urteilsfeststellungen erlitt Anita L* am 15. Juli 1990 durch Faustschläge und Fußtritte des Angeklagten auch einen Schädelbasisbruch; sie wurde noch am 20. Juli 1990 in ihrer Wohnung von Alexandra L* besucht (AS 645 f) und am 23. Juli 1990 dort tot aufgefunden (AS 646). Der Tod ist auf diese Verletzung zurückzuführen (AS 649 unten/650). L* wollte sich wegen der durch die Tätlichkeiten des Angeklagten erlittenen Verletzungen nicht in ärztliche Behandlung begeben (AS 642 erster Absatz) und hat auch einer Aufforderung der Polizeibeamten, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nicht Folge geleistet (AS 644 f). Eine frühzeitige ärztliche (chirurgische) Intervention hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Lebensrettung bedeutet (AS 650 oben).

Richtig ist zwar, daß der Risikozusammenhang entfällt, wenn das verletzte Opfer im Bewußtsein des eigenverantwortlichen Lebensrisikos ein Folgeverhalten setzt, das für jeden vernünftigen Menschen unter den gegebenen Umständen schlechthin unbegreiflich ist und wenn ohne dieses Verhalten die schwere Folge mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (EvBl 1987/142; Leukauf‑Steininger, Komm3, Vorbem § 1 RN 37, § 80 RN 24; Kienapfel, BT3 § 86 RN 14, § 80 RN 98 bis 98 c). An dem Risikozusammenhang fehlt es etwa dann, wenn sich der Verletzte in voller Kenntnis seines verletzungsbedingten lebensbedrohlichen Zustandes und der zu gewärtigenden Konsequenzen des Unterbleibens einer sofortigen lebensrettenden ärztlichen Behandlung bewußt einer solchen nicht unterzieht, und wenn ohne dieses Verhalten die schwere Tatfolge mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (15 Os 139/89; EvBl 1987/142 = RZ 1987/71, besprochen von Burgstaller in Pallin‑FS, 1989, 40 bis 45). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Die Urteilsfestellungen ‑ gedeckt durch das Beweisverfahren, vgl Aussage der Zeugen Dieter L*, AS 613 ff, Rudolf S*, AS 616 ff und N.L* AS 620 ff ‑ lassen den Schluß zu, daß das Opfer keine Kenntnis seines verletzungsbedingten lebensbedrohlichen Zustandes und der zu gewärtigenden Konsequenz des Unterbleibens einer sofortigen lebensrettenden ärztlichen Behandlung hatte, sodaß der Umstand, daß es Anita L* unterließ, sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen, im vorliegenden Falle nicht schlechthin unbegreiflich ist.

Die Strafzumessungsrüge (Z 11) entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung, weil sie sich im Einwand einer fehlenden Begründung für das vom Erstgericht bestimmte Strafausmaß erschöpft, ohne aber eine rechtsfehlerhafte Beurteilung der festgestellten für die Strafbemessung entscheidenden Tatsachen oder einen rechtlich unvertretbaren Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung zu behaupten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 86 StGB unter Bedachtnahme gemäß dem § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20. August 1990, 28 a Vr 897/90‑25, zu einer (Zusatz‑)Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Bei deren Bemessung war das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen erschwerend, mildernd hingegen war das teilweise Geständnis.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte die Verhängung einer milderen, schuldangemessenen Strafe beantragt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt und in deren Würdigung einer Zusatzstrafe verhängt, die ‑ auch unter weiterer Bedachtnahme auf die Straferkenntnisse des Bezirksgerichtes Linz‑Land vom 10. Dezember 1991, 4 U 183/91 und des Bezirksgerichtes Linz vom 23. Jänner 1992, 20 U 1144/91 (vgl Leukauf‑Steininger, Komm3, § 31 RN 14) ‑ nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes im Hinblick auf die Schwere der personalen Tatschuld im Verein mit dem objektiven Gewicht der verschuldeten Rechtsgutverletzung, wie sie die tödliche Verletzung eines Menschen unter den gegebenen Umständen bedeutet, nicht überhöht erscheint. Für eine Strafermäßigung bestand daher kein Anlaß.

Der Kostenausspruch stützt sich auf die angeführte Gesetzesstelle.

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