OGH 15Os139/89

OGH15Os139/8928.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.November 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richters Dr. Steinmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois K*** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 2, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 17. Mai 1989, GZ 11 Vr 319/88-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches in der Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alois K*** auf Grund einer wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 2, 86 StGB gegen ihn erhobenen Anklage des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt, weil er am 20.Mai 1988 (zu ergänzen: in Pettenbach dadurch, daß er) den damals 72-jährigen, in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkten und an den Füßen mit "Schlapfen" bekleideten Alois V*** auf einer Wiese mit körperlicher Gewalt abgedrängt habe, wodurch dieser zu Boden gestürzt sei, einen Oberschenkelhalsbruch erlitten habe und an dessen Folgen am 22.Juli dJ verstorben sei, fahrlässig den Tod eines anderen herbeigeführt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen den Schuldspruch kommt insofern Berechtigung zu, als er in Ausführung der Rechtsrüge der Sache nach (auch) Feststellungsmängel in bezug auf die Zurechnung der Todesfolge (Z 10 mit Beziehung auf § 88 Abs. 1 und Abs. 4 StGB) reklamiert.

Denn eine letztlich eingetretene schwerere Tatfolge ist mangels Risikozusammenhangs nicht zuzurechnen, wenn das Opfer in Ansehung seiner Primärverletzung ein Folgeverhalten an den Tag gelegt hat, welches für jeden vernünftig denkenden Menschen in seiner Lage unter den gegebenen Umständen schlechthin unbegreiflich ist, wie etwa dann, wenn sich der Verletzte in voller Kenntnis seines verletzungsbedingten lebensbedrohlichen Zustands und der zu gewärtigenden Konsequenzen des Unterbleibens einer sofortigen lebensrettenden ärztlichen Behandlung einer solchen bewußt nicht unterzieht, und wenn ohne dieses Folgeverhalten des Opfers die schwerere Tatfolge mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (vgl. EvBl. 1987/142 = RZ 1987/71, besprochen von Burgstaller in PALLIN-FS, 1989, 40 bis 45).

Konstatierungen dazu wären aber in der Tat im Hinblick darauf erforderlich gewesen, daß es V*** nach seiner Entlassung aus der stationären Spitalsbehandlung am 7.Juli 1988 vorerst abgelehnt hat, sich neuerlich ins Krankenhaus einweisen zu lassen, bevor er sich am 20. dM dann doch dazu entschloß, obwohl das bereits am

14. dM vom beigezogenen Vertretungs-Arzt Dr. H*** empfohlen (S 111 f.) und schon am 16. dM von dem ihn ständig behandelnden Arzt Dr. G*** als unumgänglich bezeichnet worden war (S 54). Da demnach im Urteil Tatsachen nicht festgestellt wurden, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen wären (§ 288 Abs. 2 Z 3 zweiter Satz StPO), war nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung der übrigen Beschwerdeeinwände bedarf.

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht auf ausreichender Beweisgrundlage Konstatierungen (1.) über Inhalt, Umfang und Intensität der dem Alois V*** zuteil gewordenen ärztlichen Belehrungen, insbesondere in bezug auf die Aktualität einer unmittelbaren Lebensgefahr für ihn und auf eine darin begründete Notwendigkeit unverzüglicher abermaliger Spitalsbehandlung, (2.) über den Stand seines darauf bezogenen Risikobewußtseins bei der ursprünglich zweimaligen Ablehnung seiner neuerlichen Einlieferung ins Krankenhaus sowie (3.) im Fall eines den aufgezeigten Kriterien entsprechenden Fehlverhaltens auch darüber zu treffen haben, ob ohne dieses ein nachweisbar tatbedingter Todeseintritt, sei es durch die in concreto dahin wirksam gewordene Sepsis oder sei es durch eine andere medizinische Zwischenursache, wie etwa eine Thrombose, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu vermeiden gewesen wäre. Bei einem erneuten Schuldspruch wird das - nur für den Sanktionenbereich geltende (vgl. SSt. 56/79, EvBl. 1987/197, RZ 1988/11 ua) - Verschlimmerungsverbot (§§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO) zu beachten sein.

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