OGH 14Ns14/92

OGH14Ns14/9213.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.‑Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Mag. Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Held als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gisela C* wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB, AZ 13 E Vr 45/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Erklärung der Angeklagten, das gesamte Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht abzulehnen, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:0140NS00014.9200006.1013.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Ablehnung des Oberlandesgerichtes Graz ist nicht gerechtfertigt.

 

 

Gründe:

 

In der oben bezeichneten Strafsache hat das Oberlandesgericht Graz über die Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe der Angeklagten Gisela C* gegen das Urteil vom 13. Mai 1992 zu entscheiden, in welchem ihr als Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB zur Last gelegt wird, am 6. November 1991 in Graz in der Berufungsverhandlung zu AZ 9 Bs 301,302/91 des Oberlandesgerichtes Graz (AZ 6 E Vr 248/91 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) ein mit 11. März 1990 rückdatiertes Vermögensverzeichnis nach § 47 Abs. 2 EO (betreffend ein gegen sie beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz zu AZ 12 E 4458/90 geführtes Exekutionsverfahren) zur Stützung ihrer Verantwortung vorgelegt zu haben, daß sie dieses Vermögensverzeichnis bereits am 12. März 1990 dem zuständigen Beamten der Exekutionsabteilung des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz präsentiert habe und es nur zufolge eines Mißverständnisses zur Ablegung des ihr in jenem früheren Strafverfahren zur Last gelegten falschen Offenbarungseides (§ 288 Abs 2 StGB) gekommen sei.

In der vorliegenden Berufungsschrift lehnt die Angeklagte das gesamte Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht mit der Begründung ab, daß die hier in Rede stehende strafbare Handlung in der Berufungsverhandlung eben vor dem auch nunmehr zuständigen Berufungsgericht begangen worden sei, weshalb dieses voreingenommen erscheine. Da die Angeklagte schon in jener Berufungsverhandlung zu der ihr zum Vorwurf gemachten Beweismittelfälschung erschöpfend einvernommen worden sei, wäre das Oberlandesgericht Graz gleichsam in untersuchungsrichterlicher Funktion tätig geworden, weshalb auch aus diesem Grunde die erforderliche Unbefangenheit und Unparteilichkeit des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht bei der Entscheidung über das eingebrachte Rechtsmittel nicht gewährleistet sei.

Rechtliche Beurteilung

Über die Zulässigkeit der Ablehnung hat im gegebenen Fall der Oberste Gerichtshof zu entscheiden (§ 74 Abs. 2 letzter Halbsatz StPO).

Die Ablehnung ist nicht gerechtfertigt.

Richtig ist, daß im seinerzeitigen Berufungsverfahren die Datierung des dem Berufungsgericht von der Angeklagten vorgelegten Vermögensverzeichnisses untersucht und als tatsachenwidrig erkannt worden ist (S 21 f, 35 ff, 43 ff, 51). Dies kommt allerdings in Ansehung jener Richter des Oberlandesgerichtes Graz, die an der Berufungsentscheidung gar nicht mitgewirkt haben, von vornherein als Befangenheitsgrund nicht in Betracht, weshalb die Ablehnungserklärung der Angeklagten insoweit überhaupt verfehlt ist.

Von den Mitgliedern des seinerzeitigen Berufungssenates gehört aber nur mehr ein Richter, nämlich der nunmehrige Senatspräsident des Oberlandesgerichtes Dr. Otto P*, dem Gremium des Oberlandesgerichtes Graz an. Auch in Ansehung seiner Person ist das Ablehnungsgesuch jedoch unbegründet.

Inwieweit Mitglieder von Gerichten höherer Instanzen wegen ihrer früheren (dienstlichen oder außerdienstlichen) Befassung mit einem Gegenstand des Strafverfahrens an einer Rechtsmittelentscheidung in diesem Strafverfahren nicht mitwirken dürfen, ist in den Bestimmungen über die Ausschließung von Gerichtspersonen (§§ 67 bis 69 und 489 Abs 3 StPO) geregelt. Einer der dort aufgezählten Fälle (der Ausschließung) liegt hier unbestrittenermaßen nicht vor. Die Ablehnung von (Rechtsmittel‑)Richtern aus anderen Gründen setzt aber voraus, daß Umstände vorliegen, die ‑ objektiv ‑ die volle Unvoreingenommenheit des Betreffenden in Zweifel zu ziehen und zur Befürchtung Anlaß geben, der Abgelehnte könnte sich bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Gründen leiten lassen. Die dienstliche Vorbefassung mit einer im Rechtsmittelverfahren relevanten Frage allein kann daher ‑ soferne kein Ausschließungsgrund vorliegt ‑ Befangenheit des richterlichen Organwalters nur dann begründen, wenn zusätzlich Gründe angegeben und dargetan werden, die bei objektiver Beurteilung die volle Unbefangenheit des betreffenden Richters aus persönlichen Gründen in Zweifel zu ziehen geeignet sind, wenn also mit Grund anzunehmen wäre, daß der Richter nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit an die Sache herantreten könnte und nicht jederzeit bereit wäre, auch einer vorläufig gewonnenen Meinung widerstreitende Beweisergebnisse unvoreingenommen zu würdigen und ihnen erforderlichenfalls Rechnung zu tragen (vgl EvBl. 1988/153; 11 Ns 3/88, 10 Ns 22/86 uva).

Derartige unsachliche psychologische Motive bei der anstehenden Entscheidung über die vorliegende Berufung können aber der hier allein in Betracht kommenden Person des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Graz Dr. Otto P* nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht im entferntesten unterstellt werden.

Da im übrigen weder der Genannte noch ein anderer Richter des Oberlandesgerichtes Graz sich in der gegenständlichen Strafsache für befangen erklärt haben, war dem Ablehnungsgesuch der Angeklagten Gisela C* ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte