OGH 11Ns3/88

OGH11Ns3/8818.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Februar 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in der Strafsache gegen Elfriede S*** wegen des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2 (zweiter Fall) StGB über die Ablehnung sämtlicher Richter des Oberlandesgerichtes Linz durch die Angeklagte nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Erklärung der Angeklagten, alle Richter des Oberlandesgerichtes Linz wegen Befangenheit abzulehnen, ist nicht gerechtfertigt.

Text

Gründe:

Der Angeklagten Elfriede S*** wirft die Staatsanwaltschaft Salzburg mit der (in sogenannter Rechtskraft erwachsenen) Anklageschrift vom 5.Oktober 1987, 8 St 4.117/87, das Verbrechen der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2 (zweiter Fall) StGB vor. Es liegt ihr zur Last, in der Zeit vom 9.März 1979 bis 12.Jänner 1987 unter wissentlichem Mißbrauch ihrer Befugnisse als Kreditsachbearbeiterin der O*** S*** unter Vorgabe

fingierter Kreditnehmer und Vorlage falscher Urkunden an sich selbst Kredite ausbezahlt zu haben, wobei der Bank jedenfalls ein 8 Millionen S übersteigender Schaden entstanden sei (siehe auch Anklageausdehnung in der Hauptverhandlung).

Schon vor Ausschreibung der Hauptverhandlung lehnte die Angeklagte den Vorsitzenden und sämtliche Richter des Landesgerichtes Salzburg ab, welchem Antrag das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 18.November 1987, AZ 11 Ns 728/87, nicht Folge gab. Gleichzeitig wurde zum AZ 11 Ns 735/87 verfügt, daß die über die Angeklagte verhängte Untersuchungshaft zwölf Monate dauern dürfe (§ 193 Abs. 4 StPO).

Weil der Inhalt dieser beiden in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse schon vor deren Zustellung in Salzburger Zeitungen bekanntgegeben wurde, vermutet die Angeklagte, daß sich Richter des Oberlandesgerichtes Linz oder des Landesgerichtes Salzburg der Verletzung des Amtsgeheimnisses schuldig gemacht haben und leitet daraus ab, daß ihr die Richter in Salzburg und Linz "befangen gegenüberstehen".

Diesen am 4.Dezember 1987 beim Landesgericht Salzburg eingelangten Antrag wies der Vorsitzende gemäß dem § 73 StPO als verspätet zurück, weil der Angeklagten bereits am 27.November 1987 die Ladung für die am 7.Dezember 1987 anberaumte Hauptverhandlung zugestellt worden war. Zu Beginn der Hauptverhandlung weigerte sich die Angeklagte unter Hinweis auf ihren Ablehnungsantrag, sich zu verantworten, weil sie kein Vertrauen zum Gericht habe, stellte aber nach Durchführung des Beweisverfahrens einen Beweisantrag, der schließlich die Vertagung der Hauptverhandlung und die Rückleitung des Aktes an den Untersuchungsrichter zur Folge hatte. Hierauf legte der Vorsitzende einen die bezughabenden Aktenteile beinhaltenden Teilakt zur Entscheidung über die (in der Hauptverhandlung wiederholte) Ablehnung dem Oberlandesgericht Linz vor, das seinerseits den Akt an den Obersten Gerichtshof weiterleitete und dazu die Äußerung sämtlicher Strafrichter dieses Gerichtshofes anschloß, sich nicht befangen zu fühlen. Über Ersuchen des Obersten Gerichtshofes berichtete das Oberlandesgericht Linz ergänzend, die durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, daß weder Richter noch Kanzleibeamte noch die Pressestelle des Oberlandesgerichtes Linz die Presse über die am 18. November gefaßten, am 19.November geschriebenen und am 20. November 1987 abgefertigten Beschlüsse, AZ 11 Ns 728 und 735/87, informierten. Es bestünde aber durchaus die Möglichkeit, daß die Presse über die Oberstaatsanwaltschaft vom Inhalt der Entscheidung Kenntnis erlangt hat.

Rechtliche Beurteilung

Die Ablehnung ist nicht begründet.

Befangenheit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Richter an eine Sache, aus welchem Grund immer, nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt und nicht jederzeit bereit ist, auch einer vorläufig gewonnenen Meinung widerstreitende Beweisergebnisse unvoreingenommen zu würdigen und ihnen erforderlichenfalls auch Rechnung zu tragen. Werden sämtliche Richter eines Gerichtes abgelehnt, müssen solche persönlichen Gründe für jeden einelnen Amtsträger glaubhaft gemacht werden (Mayerhofer-Rieder2, E 1 bis 12 zu § 72 StPO zuletzt 11 Os 184/85, 10 Ns 1/86, 11 Ns 20/86 uva).

Das Vorbringen der Ablehnungswerberin ist aber - wie sich aus dem oben Gesagten ergibt - nicht geeignet darzutun, daß ein richterliches Organ des Oberlandesgerichtes Linz eine Handlung setzte, die auch nur den Anschein einer Befangenheit erwecken könnte. Im übrigen könnte eine auf korrektem Weg der Presse erteilte Information über die Tätigkeit der Justiz grundsätzlich kein die Befangenheit eines ganzen Gerichtshofes auslösendes Ereignis sein (vgl. hiezu den Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 14. März 1984, JMZ 4514/1-Pr 2/84).

Der Erklärung der Angeklagten kommt daher, soweit sie sich - undifferenziert und substanzlos - auf sämtliche beim Oberlandesgericht Linz ernannten Richter bezieht und damit eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes erfordert (§ 74 Abs. 2, letzter Halbsatz, StPO) keine Berechtigung zu.

Über die Ablehnung der Richter des Landesgerichtes Salzburg wird nunmehr das Oberlandesgericht Linz abzusprechen haben.

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