Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"Barbara Z***** ist schuldig, beginnend mit dem auf die Zustellung dieses Beschlusses folgenden Monatsersten zu Unrecht ausgezahlte Unterhaltsvorschußbeträge in der Höhe von insgesamt S 22.000,-- in monatlichen Raten a S 500,-- auf das Konto des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz einzuzahlen.
Der darüber hinausgehende Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, die Mutter zum Rückersatz weiterer zu Unrecht ausbezahlter Unterhaltsvorschüsse von S 96.000,-- zu verpflichten, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der uneheliche Vater ist ab 14.August 1985 verpflichtet, der mj.Barbara einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000,-- zu bezahlen. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 3.September 1986, ON 3, wurde der Minderjährigen ein titelmäßiger Unterhaltsvorschuß, zu zahlen an die Mutter Barbara *****, für den Zeitraum vom 1.September 1986 bis 31.August 1989 gewährt. Mit Beschluß vom 5.Oktober 1989, ON 20, wurde der Unterhaltsvorschuß für die Zeit vom 1.September 1989 bis 31.August 1992 weitergewährt.
Mit Beschluß vom 25.Juli 1991, ON 31, sprach das Erstgericht aus, daß der mit Beschluß vom 3.September 1986, 4 P 313/86-3 für die Zeit vom 1. September 1986 bis 31.August 1989 in der Höhe von monatlich S 2.000,-- bewilligte Vorschuß mit Wirkung vom 1.September 1986 zur Gänze eingestellt wird. Dies deshalb, weil hervorgekommen sei, daß der uneheliche Vater seit 14.August 1985 mit seiner Tochter Barbara im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, sodaß die Voraussetzungen für eine Vorschußgewährung nicht gegeben gewesen seien.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz beantragte am 3.September 1991, das Kind, dem gesetzlichen Vertreter, die Pflegeperson und den Unterhaltsschuldner nach den §§ 22 f UVG zum Ersatz der zu Unrecht gezahlten Vorschüsse zu verpflichten und zwar für den Zeitraum vom 1. September 1986 bis 31.Juli 1991 im Betrag von S 118.000,--.
Das Erstgericht verpflichtete die Mutter Barbara *****, beginnend mit dem auf die Rechtskraft des Beschlusses folgenden Monatsersten an zu Unrecht ausbezahlten Unterhaltsvorschußbeträgen insgesamt S 48.000,-- in monatlichen Raten a S 1.000,-- zurückzubezahlen. Das Mehrbegehren von S 70.000,-- wurde abgewiesen. Gleichzeitig ordnete das Erstgericht für den Fall der Wiederbewilligung von Unterhaltsvorschüssen anstelle einer von der Mutter zu leistenden Rückzahlung die Einbehaltung eines monatlichen Unterhaltsvorschußbetrages von S 1.000,-- an. Das Erstgericht führte aus, die Mutter habe in dem vom Ersatzantrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz umfaßten Zeitraum zwischen Mai 1987 und 23. April 1991 (richtig 1.September 1986 bis 31.Juli 1991) zu Unrecht Unterhaltsvorschußbeträge in der Höhe von monatlich S 2.000,-- bezogen, insgesamt während 48 Monaten sohin S 96.000,-- (tatsächlich wurde in 59 Monaten ein Betrag von S 118.000,-- bezogen). Die Mutter sei teilweise als Beiköchin und teilweise als Haushälterin tätig und verfüge über ein bescheidenes Einkommen von rund S 5.000,-- netto monatlich. Die Rückforderung des gesamten zu Unrecht ausbezahlten Vorschußbetrages von S 96.000,-- würde die Leistungsfähigkeit der Mutter übersteigen bzw. würde die Bezahlung des gesamten Betrages den Zweck des Unterhaltsschutzgesetzes beeinträchtigen und widerspräche der Bestimmung des § 22 Abs 3 UVG. Die Rückzahlung eines Betrages von S 48.000,-- in monatlichen Raten a S 1.000,-- sei den finanziellen Verhältnissen der beteiligten Personen und dem Unterhaltsbedarf des Kindes gegenüber vertretbar und angepaßt.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag, die uneheliche Mutter zum Ersatz der zu Unrecht gezahlten Vorschüsse zu verpflichten, abgewiesen wird. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt.
Das Gericht zweiter Instanz führte aus, gemäß § 22 Abs 3 UVG erlösche die Rückzahlungspflicht drei Jahre nach Auszahlung der Vorschüsse. Der Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz sei der Mutter zwischen 17.September und 1.Oktober 1991 zugestellt worden, die Fallfrist reiche daher bis 1.Oktober 1988 zurück. Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Haftung nach § 22 UVG sei ein Beschluß, der die beschlußmäßige Auszahlungsgrundlage wieder entkräfte. Mit dem Einstellungsbeschluß sei die Einstellung der Unterhaltsvorschüsse nur für die Zeit vom 1.Septemer 1986 bis 31.August 1989 ausgesprochen worden, hinsichtlich der Weitergewährung liege kein Beschluß über die Einstellung vor. Rückgefordert könnten daher nur die in der Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 31.August 1989 (11 Monate) ausbezahlten Vorschüsse von insgesamt S 22.000,-- werden. Das Erstgericht habe zwar nicht ausgesprochen, ob eine Rückersatzpflicht des primär ersatzpflichtigen Kindes bestehe, es sei aber davon auszugehen, daß das Erstgericht dies verneint habe. Der Mutter sei die Belehrung im Sinne des § 13 Abs 2 UVG zugekommen, sie könne sich nicht auf Rechtsunkenntnis berufen. Die Nichtzurkenntnisnahme bzw. Ignorierung der zugekommenen Rechtsbelehrung sei als grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 22 Abs 1 UVG zu werten. Grundsätzlich bestünde daher hinsichtlich eines Teilbetrages von S 22.000,-- eine Rückzahlungspflicht, diese sei jedoch gemäß § 22 Abs 2 UVG nicht gegeben, weil durch die Geltendmachung dieser Rückersatzpflicht der laufende Unterhalt des Kindes gefährdet würde. Nach der Aktenlage sei der uneheliche Vater Unfallrentner und verfüge lediglich über eine monatliche Rente von S 3.540,-- ohne irgendwelche Nebeneinkünfte. Auf Grund dieses geringen Einkommens sei er ab 1.April 1992 nur noch zu einer Unterhaltsleistung von monatlich S 1.000,-- verpflichtet. Bei dieser Situation treffe die Mutter neben der Unterhaltspflicht, die sie in der Erfüllung ihrer Verpflichtung der Pflege und Erziehung in ihrem Haushalt für die Minderjährige erbringe, noch die Verpflichtung zur Geldalimentation in der Höhe, die zum Durchschnittsbedarf gleichaltriger Kinder durch den primär geldalimentationspflichtigen Vater nicht erbracht werde. Der Durchschnittsbedarf gleichaltriger Kinder in der Altersstufe zwischen 6 und 10 Jahren liege derzeit bei monatlich S 2.720,--. Derzeit sei die Mutter offenbar im Haushalt tätig bzw. verdiene als Haushälterin monatlich S 4.900,--. Daraus ergebe sich, daß der laufende Unterhalt des Kindes gefährdet werde, wenn der Mutter die Rückzahlung des Betrages von monatlich S 1.000,-- - unabhängig von der Frage der Einbringlichkeit dieses Betrages - auferlegt würde.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs, in welchem die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses beantragt wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Der im Revisionsrekrus vertretenen Ansicht, die dreijährige "Verjährungsfrist" habe erst im Juli 1991 begonnen, kann nicht beigetreten werden. Gemäß § 22 Abs 3 UVG erlischt die Ersatzpflicht drei Jahre nach Auszahlung der Vorschüsse. Es handelt sich um eine Präklusivfrist, der Antrag auf Verpflichtung zum Rückersatz muß dem Ersatzpflichtigen innerhalb der Dreijahresfrist zugekommen sein (EvBl 1986/30). Zutreffend hat daher das Rekursgericht den Fristbeginn drei Jahre vor Zustellung des Rückersatzantrages angenommen. Die Frage, wann der Präsident des Oberlandesgerichtes erstmals die Möglichkeit hatte, den Antrag zu stellen, ist ohne Bedeutung.
Zu folgen ist dem Rekursgericht auch dahin, daß (derzeit) nur eine Rückzahlung der bis 31.August 1989 ausbezahlten Vorschüsse in Frage kommen kann. Voraussetzung für einen auf § 22 UVG gestützten Rückersatzanspruch ist nämlich eine in Rechtskraft erwachsene Entscheidung, die die beschlußmäßige Auszahlungsgrundlage wieder entkräftet (SZ 57/24). Das Erstgericht stellte die Vorschüsse nur für die Zeit vom 1.September 1986 bis 31.August 1989 ein, nicht aber für die Zeit der Weitergewährung. Daß im Innehaltungsbeschluß vom 19.Juli 1991, ON 29, auch der Zeitraum der Weitergewährung bis zum 31.August 1992 angeführt ist, vermag daran nichts zu ändern. Richtig ist, daß das Erstgericht bei seiner Entscheidung über den Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes die gesamten ausbezahlten Unterhaltsvorschüsse berücksichtigte, also offenbar davon ausging, die Unterhaltsvorschüsse seien auch für die Zeit der Weitergewährung ab 1.September 1989 eingestellt. Tatsächlich fehlt insoweit aber ein Beschluß über die Einstellung und schon aus diesem Grund kommt derzeit eine Verpflichtung zur Rückzahlung der ab 1.September 1989 ausbezahlten Vorschüsse nicht in Frage.
Zu erörtern bleibt, ob die Mutter zu verpflichten ist, die in der Zeit vom 1.Oktober 1988 bis 31.August 1989 ausbezahlten Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von insgesamt S 22.000,-- zurückzuzahlen. Die Mutter lebte schon zur Zeit der erstmaligen Gewährung der Vorschüsse mit dem Vater und der minderjährigen Barbara im gemeinsamen Haushalt, sie hatte Belehrung im Sinne des § 13 Abs 2 UVG erhalten. Trotzdem nahm sie seit 1.September 1986 die Unterhaltsvorschüsse entgegen ohne dem Gericht den Sachverhalt, der der Gewährung der Vorschüsse entgegenstand, mitzuteilen. Daß ihr unter diesen Umständen zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, kann nicht zweifelhaft sein. Eine Rückersatzpflicht besteht gemäß § 22 Abs 2 UVG allerdings dann nicht, wenn dadurch der laufende Unterhalt des Kindes gefährdet wäre. Nach den EBzRV (5 BlgNR 14. GP 20) sollte mit dieser Einschränkung des Rückersatzanspruches des Bundes die Zielsetzung des Gesetzesvorhabens - die Sicherung des Unterhaltes minderjähriger Kinder - nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß der Bund Vorschüsse, die er einmal zu Unrecht gewährt hat, mit aller Strenge eintreibt. Es handle sich um eine Art Härteklausel.
Im Revisionsrekurs wird ausgeführt, seit der Exekutionsordnungsnovelle 1991 würden Unterhaltspflichten so weitgehend berücksichtigt, daß eine Gefährdung des laufenden Unterhaltes des Kindes nicht mehr eintreten könne. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Mutter eine ihr mit Gerichtsbeschluß aufgetragene Leistung, auch wenn nach den Vorschriften der Exekutionsordnung eine zwangsweise Durchsetzung derzeit nicht möglich sein sollte, nicht erbringt. Maßgebend ist vielmehr nur, ob der Unterhalt des Kindes gefährdet wäre, wenn der Ersatzpflichtige die im gemäß § 22 Abs 1 UVG aufgetragene Leistung erbringt.
Das Rekursgericht ging davon aus, der Vater sei nur zu einer Unterhaltsleistung von S 1.000,-- monatlich verpflichtet, die Mutter verdiene monatlich S 4.900,-- netto, der Unterhalt des Kindes, dessen Durchschnittsbedarf derzeit bei monatlich S 2.720,-- liege, wäre gefährdet, wenn der Mutter die Rückzahlung eines Betrages von S 1.000,-- auferlegt würde. Nicht erwähnt hat das Rekursgericht die Familienbeihilfe, die die Mutter für das Kind bezieht und die gemäß § 8 Abs 2 FamLAG ab 1.Jänner 1992 S 1400,-- und ab 1.Juli 1992 S 1.450,-- monatlich beträgt. Die Familienbeihilfe hat den Charakter einer Betreuungshilfe und gilt als Einkommen des Bezugsberechtigten, ohne daß sie unmittelbar dem Kind zuzuwenden ist (EFSlg 41.028; RZ 1991/26). Bei Beurteilung, ob ein Rückersatz von Vorschüssen den Unterhalt des Kindes gefährden würde, ist auf diese Beihilfe jedenfalls Bedacht zu nehmen.
Durch die dem Vater auferlegte Unterhaltsleistung und die Familienbeihilfe wird der Durchschnittsbedarf der minderjährigen Barbara nahezu gedeckt. Es kann daher der Mutter trotz ihres niedrigen Einkommens eine geringe monatliche Leistung, und zwar S 500,--, auferlegt werden, ohne daß dadurch der Unterhalt des Kindes gefährdet wäre.
In diesem Sinne war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Mutter eine Zahlungspflicht von monatlich S 500,-- aufzuerlegen. Eine Einbehaltung von Unterhaltsvorschüssen war schon deshalb nicht anzuordnen, weil derzeit keine Unterhaltsvorschüsse gewährt werden.
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