OGH 6Ob583/92

OGH6Ob583/9224.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dkfm Geza M*****, und 2) Lydia M*****, beide vertreten durch Dr.Herbert Gartner und Dr.Thomas Furherr, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Karl N*****, und 2) Monika N*****, beide vertreten durch Dr.Guido Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Erklärung (Streitwert 392.620,02 S), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25.Mai 1992, GZ 14 R 71/92-29, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.Dezember 1991, GZ 16 Cg 86/90-23, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beiden Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG O*****, die beiden Beklagten Miteigentümer der benachbarten Liegenschaft EZ ***** KG O*****. Beide Grundstücke sind vom öffentlichen Straßennetz nur über das zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ ***** KG O***** gehörigen Grundstück Nr ***** erreichbar, in Ansehung dessen die Kläger und die Beklagten Dienstbarkeitsberechtigte des Notweges, bestehend aus einem Geh- und Fahrweg, sind. Die Kläger wollten gemeinsam mit einer weiteren Miteigentümerin auf ihrem Grundstück ein Zweifamilienhaus errichten. Die Beklagten verhinderten dies durch verschiedene Maßnahmen, sodaß das damit beauftragte - zwischenzeitig insolvent gewordene - Bauunternehmen mit Baugeräten und Baumaterial nicht zur Liegenschaft der Kläger gelangen konnte. Die Kläger stellten im Vorverfahren 5 C 1301/89 des Bezirksgerichtes Döbling (folgend Vorverfahren) das Begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, die Kläger und von ihnen beauftragte Personen an der Benützung des Notweges und der Durchführung der Bauarbeiten auf ihrer Liegenschaft ... zu hindern.

In diesem Vorverfahren wurde mit einstweiliger Verfügung (EV) des Bezirksgerichtes Döbling vom 27.Juni 1989 den Beklagten antragsgemäß aufgetragen, jede Störung in der Benützung des obgenannten Notweges durch die Kläger und von diesen beauftragten Personen (Begehen und Befahren) zu unterlassen. Vom Vollzug der EV werde Abstand angenommen, wenn die Beklagten den Erlag einer Sicherheitsleistung von 500.000 S dem Gericht nachweisen; da die Nachteile aus der Verzögerung des Baues grundsätzlichen mit Geld ausgeglichen werden könnten, sei dafür gemäß § 391 Abs 1 EO ein angemessener Betrag festzusetzen. Die Beklagten erlegten die Sicherheit, weshalb der Vollzug der EV entsprechend dem rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 7.Juli 1989 unterblieb. Dem von den Beklagten erhobenen Rekurs gegen die EV gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht mit Beschluß vom 5.September 1989, AZ 45 R 569/89, nicht Folge. Das Bezirksgericht Döbling erkannte mit Urteil vom 4.August 1989 im Sinn des gestellten Klagebegehrens. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht bestätigte mit Urteil vom 14.November 1989, AZ 45 R 670/89 dem Beklagtenvertreter zugestellt am 12.Jänner 1990, das Ersturteil; die Revision der beklagten Parteien wurde als (absolut) unzulässig zurückgewiesen (hg 6 Ob 568/90).

Die Kläger begehren die Zustimmung der Beklagten zur Ausfolgung des Betrages von 392.620,02 S aus dem im Vorverfahren erlegten Befreiungsbetrag, in eventu Zahlung dieses Betrages. Dazu tragen sie vor, die Beklagten hätten auch während des Vorverfahrens jegliches Betreten des Notweges durch die Kläger zu verhindern gewußt, sodaß vom 30.Juni 1989 bis 12.Jänner 1990 (somit für 196 Tage) keinerlei Bauführung hätte durchgeführt werden können. Die Kläger hätten durch den Nichtvollzug der EV einen Gesamtschaden von 392.620,02 S erlitten: a) 81.284,82 S, weil die Kläger durch die verzögerte Fertigstellung ihres neuen Wohnhauses ihre Eigentumswohnung nicht hätten verkaufen können und deshalb nicht in der Lage gewesen wären, den (dafür aufgenommenen) Kredit abzudecken; b) 178.854 S als höhere Baukosten durch die Bauverzögerung - Baupreisindex-Steigerung 96.000 S, Arbeits- und Wegzeiten 10.980 S, Wartezeiten 4.000 S, erhöhte Deponiegebühren 33.374 S, Schaden durch "Einsperren" einer Baumaschine des Bauunternehmens auf dem Grundstück der Kläger und dadurch erforderliche Beauftragung eines Ersatzunternehmens 34.500 S - sowie c) 132.517,20 S an Rechtsanwaltskosten für umfangreiche Besprechungen zwischen den Klägern, dem Bauunternehmen und dem Klagevertreter.

Die Beklagten wenden im wesentlichen ein, nicht schuldhaft gehandelt zu haben und bestreiten die einzelnen Ersatzansprüche dem Grunde und der Höhe nach. Zu Bauverzögerungen sei es nicht gekommen; erst im Februar 1990 habe eine Bauverhandlung über die auf Wunsch der Kläger geänderten Pläne des von den Klägern zu errichtenden Hauses stattgefunden. Die Beklagten hätten auch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 81.284,82 S sA (Position a) statt und wies das Mehrbegehren ab. Da die Kläger die Forderung des Bauunternehmens nicht anerkannt hätten, sei insoferne in ihrem Vermögen noch kein Schaden eingetreten. Die Honorarnote des Klagevertreters stelle zwar eine das Vermögen der Kläger mindernde Forderung dar; die Kläger hätte jedoch im Vorverfahren einen Kostenzuspruch ersiegt, in dem auch im Einheitssatz die Leistungen des Klagevertreters abgegolten seien.

Das Berufungsgericht hob über Berufung beider Parteien das Urteil erster Instanz aus dem Grunde des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO auf. Es werde noch festzustellen sein, ob es zu den Bauverzögerungen auch dann gekommen wäre, wenn die Beklagten den Zutritt des Bauunternehmens zur Baustelle (nicht) gehindert hätte, welche Zinsen den Klägern dadurch enstanden und welche ihnen erspart worden seien, ob die vom Bauunternehmen verrechneten Mehraufwendungen tatsächlich entstanden und von den Klägern zu ersetzen seien, welche Leistungen der Rechtsfreund der Kläger infolge der Weigerung der Beklagten, dem Bauunternehmer den Zutritt zu ihrem Grundstück zu ermöglichen, erbracht habe und was die Kläger ihrem Rechtsfreund dafür zu bezahlen haben, allenfalls, in welchem Umfang durch die Zuerkennung des Einheitssatzes im Vorverfahren (das Honorar für) diese Leistungen den Klägern bereits zugesprochen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz zugelassene Rekurs der Beklagten ist nicht gerechtfertigt.

Der - hier nicht zu beurteilende - Anspruch nach § 394 EO ist ein aus einem verfahrensrechtlichen Tatbestand erfließender materiellrechtlicher Ersatzanspruch, der vom Verschulden der antragstellenden gefährdeten Partei unabhängig ist; es handelt sich um eine reine Erfolgshaftung (SZ 62/66 = ÖBl 1990, 278 mwN; Heller-Berger-Stix EO4 2859; Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren Rz 924). Nach § 391 Abs 1 letzter Satz EO ist in dem Beschluß, durch welchen eine EV bewilligt wird, sofern dies nach Beschaffenheit des Falles zur Sicherung des Antragstellers genügt, ein Geldbetrag festzustellen, durch dessen gerichtliche Hinterlegung die Vollziehung der bewilligten Verfügung gehemmt und der Gegner der gefährdeten Partei zu dem Antrage auf Aufhebung der bereits vollzogenen Verfügung berechtigt wird. Gemäß § 399 Abs 1 Z 3 EO kann die Aufhebung ... der einstweiligen Verfügung ua dann beantragt werden, wenn der Gegner der gefährdeten Partei die ihm (iS des § 391 Abs 1 letzter Satz EO) vorbehaltene, dem Gericht genügend erscheinende Sicherheit geleistet hat und sich darüber ausweist. Nach Lehre und Rechtsprechung wird durch einen Aufhebungsbeschluß nach § 399 Abs 1 Z 3 EO nicht die einstweilige Verfügung selbst aufgehoben, sondern nur ihr (allenfalls weiterer) Vollzug abgewendet (SZ 61/169 = JBl 1989, 57; Rintelen, Die einstweilige Verfügung 90; Walker, Österr. Exekutionsrecht4 388). An die Stelle der ursprünglichen Sicherungsmaßnahmen - hier: des vom Bezirksgericht Döbling ausgesprochenen Unterlassungsgebotes - tritt der vom Gegner der gefährdeten Partei erlegte, dem Gericht zur Sicherung des gefährdeten Anspruchs ausreichend erscheinende Geldbetrag (SZ 61/169; SZ 57/56 = JBL 1985, 246 = ÖBl 1984, 85 ua; Heller-Berger-Stix aaO 2846 f; Rintelen aaO). Die gefährdete Partei muß in der Sicherheit Ersatz für alle Nachteile finden, die sie dadurch erleidet, daß die Erfüllung ihres Anspruches nicht so gesichert ist, wie dies bei Vollzug der EV der Fall gewesen wäre und erhält durch die Bestimmung und den Erlag eines Geldbetrages die Möglichkeit geboten, mit diesem im Fall des Obsiegens den Zustand auf Kosten des Antragsgegners wiederherzustellen, wie er vor Eingriff in den zu sichernden Anspruch bestanden hat (SZ 52/39; ÖBl 1971, 145 ua; Heller-Berger-Stix aaO 2845). Die zur Abwendung des Vollzugs einer EV erlegte Sicherheit haftet für alle Nachteile, welche die gefährdete Partei bei Vollzug der EV nicht erlitten hätte (Heller-Berger-Stix aaO 2847, 2894). Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits in seiner Entscheidung SZ 23/318 ausgesprochen, die Sicherheit hafte nicht nur für den Schaden, den die gefährdete Partei dadurch erleidet, daß der Antragsgegner den auszufolgenden Gegenstand (dort Schmuck) durch eine schuldhafte Handlung ganz der Exekution entzieht oder daß die Ausfolgung durch einen Zufall, der den Gegenstand beim Schuldner trifft, unmöglich wird, sondern für schuldhafte oder zufällige Entwertungen, die der geschuldete Gegenstand beim Schuldner durch Beschädigung oder den Gebrauch erfährt und die ihn nicht getroffen hätten, wenn die Verwahrung durchgeführt worden wäre. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Somit ist der Ersatzanspruch der gefährdeten Partei auf die nach § 391 Abs 1 letzter Satz EO vom Antragsgegner erlegte und vom Gericht angenommene Sicherheit wegen Herbeiführung einer Veränderung, die durch die EV unterbunden worden wäre, verschuldensunabhängig.

Die Beklagten haften, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, mit der von ihnen erlegten Sicherheit für die Schäden der Kläger, die dadurch entstanden, daß die erlassene EV nicht in Vollzug gesetzt wurde. Hält das Berufungsgericht, von einer zutreffenden Rechtsansicht ausgehend, das Beweisverfahren und die Sachverhaltsfeststellungen - hier zur Kausalität und der Höhe des Schadens der Kläger - noch für ergänzungsbedürftig, so kann der Oberste Gerichtshof als reine Rechtsinstanz dem nicht entgegentreten (EFSlg 64.162 uva).

Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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