OGH 12Os87/92

OGH12Os87/9217.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, Dr.Rzeszut, Dr.Markel und Dr.Schindler als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Held als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas R***** wegen des Vergehens der unerlaubten Abwesenheit nach § 8 zweiter Fall MilStG über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 3.Februar 1992, GZ 10 E Vr 1068/91-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Kreisgerichtes Wr.Neustadt vom 3.Februar 1992, GZ 10 E Vr 1068/91-8, auf Abstandnahme vom nachträglichen Ausspruch der Strafe zum Urteil des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag vom 22.November 1989, GZ U 72/89-12, sowie auf Verlängerung der dort bestimmten Probezeit verletzt das Gesetz in dem im XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung (hier in Verbindung mit §§ 494a Abs 4, 498 StPO; § 16 Abs 2 JGG) verankerten Grundsatz der Bindung gerichtlicher Entscheidungen schon vor ihrer materiellen Rechtskraft sowie in der Bestimmung des § 15 Abs 2 JGG.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dieser Beschluß aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag vom 22.November 1989, GZ U 72/89-12, wurde der am 4.März 1972 geborene (im Urteilszeitpunkt jugendliche) Andreas R***** der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt. Gemäß § 13 Abs 1 JGG wurde der Ausspruch der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten. Die mit dem (in Rechtskraft erwachsenen) Urteil bestimmte Probezeit endete mit 28. November 1991. Mit Beschluß vom 13.Jänner 1992 (ON 21) sprach das Bezirksgericht Mürzzuschlag gemäß § 15 Abs 3 JGG aus, daß von der Verhängung einer Strafe endgültig abgesehen wird. Auch dieser Beschluß, der dem Bezirksanwalt am 13.März 1992 zur Kenntnis gelangte, erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Mit dem (in gekürzter Form ausgefertigten) Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt vom 3.Februar 1992, GZ 10 E Vr 1068/91-8, wurde Andreas R***** des Vergehens der unerlaubten Abwesenheit nach § 8 zweiter Fall MilStG schuldig erkannt und zu einer - gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren - bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Der Einzelrichter faßte zugleich den Beschluß auf Abstandnahme vom nachträglichen Ausspruch der Strafe zur erwähnten Verurteilung durch das Bezirksgericht Mürzzuschlag gemäß § 494a Abs 1 Z 2 (gemeint: Z 1) StPO und auf Verlängerung der Probezeit auf vier Jahre gemäß § 494a Abs 7 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wr.Neustadt steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag vom 13.Jänner 1992 auf endgültiges Absehen von der Verhängung einer Strafe entfaltete schon eine Bindungswirkung, bevor er noch mit dem Entfall seiner Anfechtbarkeit mit Beschwerde die in der Strafprozeßordnung nicht ausdrücklich geregelte, aber durch die Bestimmungen des XX.Hauptstückes dieses Gesetzes indirekt umschriebene materielle Rechtskraft erlangte. Nach Beschlußfassung über das endgültige Absehen von der Verhängung einer Strafe war eine Abänderung dieser Entscheidung nur mehr im Rechtsmittelweg zulässig. Der solcherart auf einer rechtswidrigen Inanspruchnahme der Entscheidungskompetenz beruhende Beschluß des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wr.Neustadt konnte weder den schon vorher wirksam beschlossenen Ausspruch auf endgültiges Absehen von der Verhängung einer Strafe beseitigen noch andere Rechtsfolgen für den Verurteilten bewirken (12 Os 91, 92/89; EvBl 1989/64; 15 Os 76/91).

Dazu kommt, daß eine Verlängerung einer gemäß § 13 Abs 1 JGG bestimmten Probezeit gesetzlich überhaupt nicht vorgesehen ist. Einer analogen Anwendung des § 53 Abs 2 StGB steht die jugendstrafrechtliche Sonderregelung des § 15 Abs 2 JGG entgegen, welche die Möglichkeit einer Verlängerung der Probezeit nicht eröffnet (ua 11 Os 82/90; SSt 47/86).

In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher der zwar rechtsunwirksame, potentielle Irrtümer über die rechtskräftige Finalisierung des in Rede stehenden Straffalls jedoch fördernde Beschluß aufzuheben.

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