OGH 9ObA134/92

OGH9ObA134/9216.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Pipin Henzl und Ferdinand Rodinger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** J*****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen 1,534.438,70 S sA (Steitwert im Revisionsverfahren 1,173.442,08 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Juli 1991, GZ 5 Ra 87/91-28, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. Oktober 1990, GZ 34 Cga 87/89-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 20.905,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 3.484,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei betreibt als einheitliches Unternehmen mit einem einheitlichen Vorstand zwei organisatorisch und betriebswirtschaftlich getrennte Betriebe und zwar einerseits eine Bahn und andererseits ein Elektrizitätswerk, wobei jeder Betrieb über eine eigene Arbeitnehmervertretung verfügt. Die wirtschaftliche Bedeutung des E-Werksbetriebes (Aufwand und Ertrag) übersteigt jene des Bahnbetriebes bedeutend. Österreichweit sind erheblich mehr Dienstnehmer in Elektrizitätswerken als bei Privatbahnen beschäftigt.

Der Kläger absolvierte bei der beklagten Partei eine kaufmännische Lehre und war im Anschluß daran seit dem Jahre 1944 bei der beklagten Partei angestellt. Im Jahre 1960 wurde ihm zusammen mit einem anderen Bediensteten Gesamtprokura erteilt und ab 1. 1. 1964 wurde er als Nachfolger seines Onkels, dem er schon zuvor in wesentlichen Belangen zur Seite gestanden war, zum Vorstand der beklagten Partei bestellt. In der Zeit seiner Vorstandstätigkeit, die anfänglich mit einem Betrag von monatlich 2000 S abgefunden wurde, führte der Kläger seine bis dahin verrichtete Angestelltentätigkeit in der Finanzverwaltung und Buchhaltung weiter aus und bezog weiter sein Gehalt auf der Grundlage des Kollektivvertrages für Angestelle der Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) - dieser KV wurde der Ermittlung des Gehaltes des Klägers ab Beginn des Angestelltenverhältnisses zugrunde gelegt -, das zuletzt ab 1. 1. 1987 40.621 S betrug. Zusätzlich wurde dem Kläger ein Vorstandspauschale von 8000 S monatlich ausgezahlt. Die Erhöhung des Vorstandspauschales auf diesen Betrag war im Jahre 1979 erfolgt. Der Kläger ersuchte damals den Vorsitzenden des Aufsichtsrates um rückwirkende Zahlung des erhöhten Pauschales auch für das Jahr 1978. Der Aufsichtratsvorsitzende erklärte sich damit vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrates einverstanden. Zu einer entsprechenden Beschlußfassung im Aufsichtsrat kam es jedoch nicht. Anläßlich des 25jährigen, 35jährigen und 40jährigen Dienstjubiläums in den Jahren 1966, 1976 und 1981 wurde der Kläger wohl geehrt, ein Jubiläumsgeld wurde jedoch an ihn nicht ausgezahlt. Der Kläger hat die Zahlungen für das 35jährige und 40jährige Dienstjubiläum nicht angenommen, wobei er anläßlich des 35-Jahr-Jubiläums darauf hinwies, daß er selbst bestimme, was zu welcher Zeit an wen ausgezahlt werde. Nach Beendigung der letzten Vorstandsperiode mit 31. 12. 1987 erschien der Kläger nicht mehr zur Verrichtung seines Dienstes als Angestellter der beklagten Partei. Das Dienstverhältnis des Klägers wurde durch Kündigung durch die beklagte Partei mit 30. 9. 1988 beendet; seither bezieht der Kläger die gesetzliche vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 1,534.438,70 S sA. Er sei als Vorstandsmitglied ebenfalls kollektivvertragsunterworfen gewesen. Da er überwiegend im Bahnbetrieb beschäftigt gewesen sei, habe auf sein Dienstverhältnis die im Rang eines KV stehende Dienst- und Besoldungsordnung für die Angestellten österreichischer Privatbahnen (DBO) Anwendung zu finden, die eine Ausnahme von Vorstandsmitgliedern nicht vorsehe. Dabei wäre der Kläger in die Gehaltsgruppe X einzureihen gewesen. Er sei daher unterkollektivvertraglich entlohnt worden; der noch ausständige Anspruch an Gehalt und Abfertigung (Differenz auf die tatsächlich erfolgten Zahlungen) betrage 951.775,96 S. Weiters stehe dem Kläger ein Betrag von 84.000 S an Vorstandszulage zu; der aus der rückwirkenden Erhöhung der Vorstandszulage für das Jahr 1978 resultierende Betrag sei nicht ausgezahlt worden. An nicht gezahlten Jubiläumsgeldern gebühre dem Kläger ein Betrag von 160.412 S. In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht seien auf den Kläger gemäß § 7 Abs 4 der Satzung des Pensionsinstitutes der österreichischen Privatbahnen die Bestimmungen dieser Satzung anzuwenden. Aus wirtschaftlichen Überlegungen sei der Kläger aber bei der Gebietskrankenkasse sozialversichert worden, doch sei ihm zugesichert worden, daß er ebenso wie die E-Werksbediensteten nach der Betriebsvereinbarung vom 28. 12. 1982 behandelt werde. Bei der Berechnung der nach dieser Betriebsvereinbarung zustehenden Firmenzusatzpension, die unter Anrechnung der ASVG-Pension 80% des letzten Monatsverdienstes betrage, sei die beklagte Partei von dem Gehalt ausgegangen, das dem Kläger ausgezahlt worden sei. Der Ermittlung dieser Firmenpension sei jedoch das Gehalt zugrunde zu legen, das dem Kläger nach der DBO gebührt hätte. Aus der Differenz zwischen den tatsächlich bisher an den Kläger unter diesem Titel erbrachten Zahlungen und den tatsächlichen Ansprüchen ergebe sich eine weitere Forderung, die im einzelnen aufgeschlüsselt wurde.

Aber selbst wenn man davon ausginge, daß auf das Dienstverhältnis des Klägers der KV-EVU anzuwenden sei, sei er zu gering entlohnt worden. Er sei unrichtig in die Gehaltsgruppe V anstatt in die Gehaltsgruppe VI eingereiht worden. Hieraus resultierten Gehalts- und Pensionsdifferenzen, die im Rahmen eines Eventualbegehrens geltend gemacht wurden.

Die beklagte Partei beantragtedie Abweisung der Klage. Der Kläger habe immer im E-Werksbereich der beklagten Partei gearbeitet. Der KV-EVU habe für Vorstandsmitglieder keine Gültigkeit, doch habe zwischen den Parteien immer Einigkeit darüber bestanden, daß der Kläger auch als Vorstandsmitglied nach den Richtlinien dieses KV entlohnt werde. Die DBO sei nicht anzuwenden; sollte sie Anwendung finden, wäre der Kläger maximal in die Verwendungsgruppe VIII einzustufen, die ein geringeres Gehalt vorsehe, als das, das dem Kläger tatsächlich gezahlt worden sei. Die Firmenzusatzpension werde dem Kläger auf der Grundlage seines letzten Gehaltes gezahlt. Für das Begehren auf Zahlung der erhöhten Vorstandszulage für das Jahr 1978 bestehe keine Grundlage. Hinsichtlich der Jubiläumsgelder werde Verjährung und Verzicht eingewendet.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers im Umfang eines Teilbetrages von 360.996,72 S samt stufenweisen Zinsen statt und wies das Mehrbegehren ab. In der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied gewesen sei, sei er nicht Dienstnehmer gewesen. Kollektivverträge fänden auf das Vorstandsverhältnis des Klägers keine Anwendung und könnten auch keine Grundlage für die Ermittlung des zustehenden Bezuges bilden. Die zwischen den Parteien bestandene Übereinkunft über die Entlohnung des Klägers nach Gehaltsgruppe V des KV-EVU sei wirksam gewesen. Für die Zeit bis 31. 12. 1987 fehle daher eine Rechtsgrundlage für das Gehaltsdifferenzbegehren des Klägers. Für die Zeit vom 1. 1. 1988 bis 30. 9. 1988 (Ende des Dienstverhältnisses) sei auf den Kläger der KV-EVU anzuwenden, wobei für die Einstufung von seiner Tätigkeit vor der Bestellung zum Vorstandsmitglied auszugehen sei. Da er bereits damals eine leitende Stellung bekleidet habe, sei er in die Verwendungsgruppe VI einzustufen. Aus dem hieraus resultierenden höheren Gehaltsanspruch ergäben sich - unter Berücksichtigung der tatsächlich erbrachten Zahlungen - die noch aushaftenden Forderungen des Klägers an Gehalt, Abfertigung und bisher angefallenen Firmenpensionsleistungen in der zuerkannten Höhe. Seine auf die DBO gegründeten Forderungen seien nicht berechtigt, weil diese Bestimmungen auf das Dienstverhältnis des Klägers nicht anzuwenden seien. Der Anspruch auf die Jubiläumsgelder sei verjährt. Eine Erhöhung der Vorstandszulage für das Jahr 1978 sei nicht wirksam erfolgt, so daß diese Begehren nicht zu Recht bestünden.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Teilen erhobenen Berufungen nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und trat dessen rechtlicher Beurteilung im wesentlichen bei. Die Anwendung der DBO für die Zeit der Vorstandstätigkeit des Klägers komme schon deshalb nicht in Betracht, weil Kollektivverträge auf das Rechtsverhältnis von Vorstandsmitgliedern keine Anwendung zu finden hätten. Mit der Bestellung zum Vorstandsmitglied erlösche ein zuvor bestandenes Angestelltenverhältnis. Die Unabhängigkeit des Vorstandes einer AG in Ausübung der Geschäftsführung, die sich in der völligen Weisungsfreiheit äußere, sei ein Wesenszug des österreichischen Aktienrechtes und schließe die Angestellteneigenschaft und auch die Anwendbarkeit von Kollektivverträgen aus. Aber selbst wenn man nicht von vornherein ausschließe, daß ein KV die dienstrechtliche Stellung von Vorstandsmitgliedern regeln könne, wäre es erforderlich, daß sich eine solche Ausdehnung des Geltungsbereiches aus dem KV ergebe. Diesbezüglich enthalte die DBO jedoch keinen Hinweis.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG können durch einen Kollektivvertrag die gegenseitigen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geregelt werden. Voraussetzung für die Anwendung eines Kollektivvertrages auf ein Rechtsverhältnis ist, daß es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt. Ein Vertragsteil muß daher Arbeitnehmer sein. Die Arbeitnehmereigenschaft von Vorstandsmitgliedern einer AG und die Anwendbarkeit von KVen auf Vorstandsmitgliedern wird aber in der österreichischen Rechtsprechung grundsätzlich verneint (WBl 1989, 64 mwN). Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn das Vorstandsmitglied neben dieser Funktion im Unternehmen eine Angestelltenbeschäftigung ausübt, deren Umfang unter Umständen den wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmacht, wie dies beim Kläger der Fall gewesen sein könnte, kann unerörtert bleiben, weil dies ohne Einfluß auf die Entscheidung bliebe.

Die beklagte Partei führt in ihrem Unternehmen zwei getrennte Betriebe. Die Arbeitnehmer des E-Werkbetriebes unterliegen dem KV-EVU, die Arbeitnehmer des Bahnbetriebes der DBO, die ein KV im Sinne § 2 ArbVG ist (§ 1 Abs 1 DBO). Zur Klärung der Frage, welcher KV auf einen Arbeitnehmer anzuwenden ist, der in beiden Betrieben tätig ist, ist auf die Kollisionsregel des § 10 ArbVG zurückzugreifen. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung findet dann, wenn eine überwiegende Beschäftigung in einem von mehreren Betrieben nicht vorliegt, jener KV Anwendung, dessen Geltungsbereich unbeschadet der Verhältnisse im Betrieb die größere Zahl von Arbeitnehmern des fachlichen Wirkungsbereiches (bezogen auf Österreich - Floretta-Strasser, ARbVG2, Anm 6 zu § 10) erfaßt. Österreichweit unterliegen jedoch nach dem festgestellten Sachverhalt mehr Arbeitnehmer dem KV-EVU als der DBO. Für Arbeitnehmer der beklagten Partei, die in beiden Betrieben beschäftigt werden, gilt daher dann, wenn die Beschäftigung in einem der Betriebe nicht überwiegt, der KV-EVU. Da nicht erwiesen wurde, daß im Sinne der Klagebehauptung ein Überwiegen der Beschäftigung des Klägers im Bahnbetrieb vorlag, könnte für ihn, selbst wenn man die Anwendbarkeit eines KV auf sein Rechtsverhältnis zur beklagten Partei während seiner Vorstandstätigkeit bejahte nur der KV-EVU maßgebend sein. Dieser schließt jedoch Vorstandsmitglieder von seinem Anwendungsbereich aus. Dies führt aber nicht dazu, daß nun wieder auf die DBO zurückzugreifen wäre. Es ist nämlich in erster Linie zu prüfen, welcher von mehreren in Betracht kommenden Kollektivverträgen im konkreten Fall heranzuziehen ist. Verweisen Kollisionbestimmungen des ArbVG auf einen dieser KV, so scheiden andere aus der Betrachtung aus, es sei denn, daß sich aus diesem KV etwas anderes ergibt, was aber hier nicht zutrifft. Schließt dieser KV das Rechtsverhältnis von seinem Anwendungsbereich aus, so hat dies zur Folge, daß auf dieses kein KV anzuwenden ist. Dem Begehren des Klägers kommt daher, soweit er es darauf gründet, daß auf ihn die Bestimmungen der DBO anzuwenden gewesen wären, schon aus diesem Grund keine Berechtigung zu.

Die Begründung des Berufungsgerichtes bezüglich der Begehren des Klägers auf Zahlung des Jubiläumsgeldes und der erhöhten Vorstandsentschädigung für das Jahr 1978 ist zutreffend, so daß es genügt, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist hiezu auszuführen:

Ob das Rechtsverhältnis des Klägers zur beklagten Partei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, ist für die Frage der Verjährung nicht entscheidend, weil die Bestimmung des § 1486 Z 5 ABGB das Entgelt für Dienstleistungen jeder Art betrifft (Arb 8844) und ihre Anwendung einen Arbeitsvertrag nicht zur Voraussetzung hat. Aus welchen Motiven der Kläger das Jubiläumsgeld nicht zu einem früheren Zeitpunkt geltend machte, ist für die Frage der Verjährung nicht relevant.

Unbestritten ist, daß ein Beschluß des Aufsichtsrates, von dem die rückwirkende Erhöhung der Vorstandszulage abhängig gewesen wäre, nicht gefaßt wurde. Dem Begehren des Klägers fehlt daher die Grundlage.

Die Vorinstanzen haben daher das noch offene Begehren des Klägers zu Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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