Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 erster Fall StGB (Punkte I bis III des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 26.Juni 1967 geborene Alexander G***** wurde mit dem angefochtenen Urteil (ua) des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er (I. bis III.) in der Zeit von Jänner 1990 bis 16. Oktober 1990 in Knittelfeld als Geschäftsführer der R*****-Bar die im Spruch namentlich angeführten (insgesamt zwölf) Personen (durchwegs ausländischer Staatsangehörigkeit) der Unzucht in einem anderen Staat, als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, zugeführt.
Zu zusätzlichen Anklagepunkten wegen des Verbrechens des Menschenhandels in bezug auf 22 weitere Personen erging ein rechtskräftiger Teilfreispruch.
Nach den wesentlichen tatrichterlichen Feststellungen beschäftigte der Angeklagte als Geschäftsführer der R*****-Bar die von einer Agentur als Tänzerinnen vermittelten Frauen in dem bordellartigen Betrieb, wo sie (auch) die Prostitution ausübten. Er führte sie - so das Erstgericht - (solcherart) nicht nur der Prostitution zu, sondern "veranlaßte neben der Bereitstellung von Quartier auch regelmäßige Gesundheitskontrollen bei der Bezirkshauptmannschaft Knittelfeld und Behördenwege". Für die Zimmerbenützung forderte er 100 S bis 150 S (täglich), zudem 300 S pro Geschlechtsverkehr und war auch am Sektumsatz in den Separees beteiligt (US 5).
Diese Feststellungen stützen sich auf das - durch die sicherheitsbehördlichen Angaben von vier tatbetroffenen Frauen im wesentlichen bestätigte - anfängliche Tatsachengeständnis des Angeklagten, wonach er ab Jänner oder Februar 1990 vorwiegend von einer Agentur vermittelte "Exotinnen" aus dem südamerikanischen Raum, insbesondere aus der Dominikanischen Republik und Brasilien, beschäftigte, die außer ihrer Tätigkeit als Tänzerinnen und Animierdamen teilweise auch in von ihm entgeltlich zur Verfügung gestellten Zimmern die Prostitution ausübten. Die bulgarischen Staatsangehörigen Dessislava I***** und Maja (Seite 185: Maia) M***** seien ohne Vermittlung bei ihm erschienen und hätten im Club gearbeitet; ob sie der Prostitution nachgegangen seien, wisse er nicht. Überhaupt sei es ihm gleichgültig, ob Mädchen in dem Barbetrieb als Prostituierte tätig gewesen seien. Die in den Hauptverhandlungen am 4.Februar 1991, 2.September 1991 und 23.März 1992 modifizierte Verantwortung des Angeklagten, er habe die von der Agentur vermittelten Ausländerinnen nicht zur Prostitution verhalten und "auch keinerlei Geld (von ihnen) kassiert", lehnte das Erstgericht als unglaubwürdig ab.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft allein seinen Schuldspruch wegen des Verbrechens des Menschenhandels mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Dieser Beschwerde kommt Berechtigung zu, soweit auf der Basis rechtlicher Überlegungen eine für eine abschließende Tatbeurteilung unzureichende Tatsachengrundlage geltend gemacht wird.
Der Begriff des "Zuführens" zur gewerbsmäßigen Unzucht setzt nämlich eine massivere Einwirkung auf das Schutzobjekt voraus als das Zuführen zu einer einzelnen unzüchtigen Handlung im Sinn der §§ 213, 214 StGB. Zuführen im Sinn des § 217 StGB verlangt eine gezielte Einflußnahme auf das Schutzobjekt in Richtung einer Umwandlung der gesamten Lebensführung zur Prostitution, und zwar dahin, daß die betreffende Person diese Lebensführung zum Zweck (nunmehriger oder weiterer) Ausübung der Prostitution in einen für sie fremden Staat verlagert. Dabei genügt ein bloßes Verleiten (z.B. Beraten) zur Herstellung des Tatbestandes ebensowenig wie eine bloße Unterstützung einer zur gewerbsmäßigen Unzucht in einem fremden Staat bereits entschlossenen Person durch Bereitstellen von Quartier sowie "Veranlassung" regelmäßiger Gesundheitskontrollen und sog. Behördenwege, weil Zuführen eben mehr als bloße Hilfe bedeutet und die Einflußnahme, soll sie dem Begriff des Menschenhandels entsprechen, mit Rat und Tat geschehen muß. Das Angebot der (freiwilligen) Möglichkeit von Prostitutionsausübung, zum Beispiel für Tänzerinnen, erfüllt den Tatbestand noch nicht (vgl. 12 Os 165/91; Pallin im WK Rz 5 und 5 a zu § 217 StGB und die dort angeführte Literatur und Judikatur).
Eine solche gezielte Einflußnahme des Angeklagten auf den Lebenswandel der von ihm eingestellten Frauen (die zum Teil schon vor diesem Zeitpunkt in Österreich der Prostitution nachgingen - vgl. die Ausführungen betreffend Elvira C***** und Paulino E*****, US 7, ferner die Angaben der Dessislava I***** und Maja (Maia) M*****, die aus eigenem Antrieb in Österreich einreisten, um hier die Prostitution auszuüben, S 177 ff, 185 ff) ist den dazu nicht näher konkretisierten Feststellungen des Erstgerichtes schon in objektiver Hinsicht nicht deutlich zu entnehmen. Dazu kommt, daß Strafbarkeit nach § 217 Abs. 1 StGB nur dann gegeben ist, wenn die tatbetroffene Person der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zugeführt wird. Ein Schuldspruch des Angeklagten wegen des Verbrechens des Menschenhandels in bezug auf bestimmte Frauen bedürfte daher auch der Feststellung, daß diese Personen ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich hatten.
In subjektiver Hinsicht schließlich beschränkt sich das Erstgericht auf die Wiedergabe der wechselnden Verantwortung des Angeklagten, ohne eigenständige Feststellungen zum Tätervorsatz zu treffen.
Die Urteilsannahme, daß der Angeklagte (unter Deliktsverwirklichung nach § 217 Abs. 1 StGB) Frauen der Prostitution zugeführt hat, erweist sich somit als substanzloser Gebrauch der verba legalia, weshalb der angefochtene Schuldspruch mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO behaftet ist.
Da sich sohin zeigt, daß schon die dargelegten - vom Obersten Gerichtshof nicht sanierbaren - Feststellungsmängel die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidbar machen, war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu erkennen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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