OGH 9ObA226/92

OGH9ObA226/922.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Mag.Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** K*****, Vertragslehrerin, ***** vertreten durch ***** Sekretär *****, dieser vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei Land Steiermark, vertreten durch den Landeshauptmann Dr.Josef Krainer, Graz-Burg, dieser vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 9.067,70 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.April 1992, GZ 8 Ra 105/91-12 , womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.September 1991, GZ 31 Cga 128/91-8, bestätig wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.295,36 (darin S 362,56 Umsatzsteuer und S 120 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist bei der beklagten Partei als Vertragslehrerin beschäftigt. Nach dem Dienstvertrag vom 5.Oktober 1990 war ihr Dienstverhältnis vorerst vom 10.September 1990 bis längstens 5.Juli 1991 befristet. Sie war in das Entlohnungsschema II L eingestuft; ihre Beschäftigung richtete sich nach dem jeweils erforderlichen Ausmaß. Mit Nachtrag vom 14.November 1990 wurde dieser Dienstvertrag mit Wirksamkeit vom 1.Dezember 1990 dahin abgeändert, daß das Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, das Entlohnungsschema I L anzuwenden und die Klägerin vollbeschäftigt ist.

Bis zum 30.November 1990 erfolgte die Entlohnung der Klägerin im Sinne des § 44 d VBG 1948 nach dem Teiler 10, da die Zeit der Hauptferien von der Dauer ihres befristeten Dienstverhältnisses nicht umfaßt war. Ab dem 1.Dezember 1990 erhielt sie die ihr gebührende Monatsentlohnung. Bis dahin hatte die Klägerin ein monatliches Nettogehalt von ca S 12.000 bezogen und bereits verbraucht. Sie rechnete nicht damit, daß die beklagte Partei einen Rückforderungsanspruch stellen werde.

Die beklagte Partei behielt anläßlich der Bezugsanweisung für Jänner 1991 einen Betrag in Höhe von S 8.375,80 als "Übergenuß" für die Zeit von September 1990 bis Dezember 1990 und einen Betrag in Höhe von S 1.752,30 als "Übergenuß" an Sonderzahlungen für die Zeit von September 1990 bis November 1990 ein.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung der für die Zeit von September bis November 1990 einbehaltenen Beträge. Ihr Dienstvertrag sei mit Wirkung vom 1.Dezember 1990 geändert worden. Bis dahin sei sie korrekt nach dem Teiler 10 entlohnt worden. Für eine nachträgliche Anwendung des Teilers 12 und die Einbehaltung der ihr solchermaßen zugekommenen Entlohnung bestehe keine gesetzliche Grundlage. Sie habe ihr geringes Einkommen aus der Teilbeschäftigung umgehend zur Deckung ihrer Lebensbedürfnisse verwendet und keine Ersparnisse anlegen können. Es werde daher auch gutgläubiger Erhalt und Verbrauch der Entlohnungsdifferenz eingewendet.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Eine Änderung des Entlohnungsschemas sei lediglich als Überstellung, nicht aber als Begründung eines neuen Dienstverhältnisses anzusehen. Da die Klägerin nach dieser Änderung auch während der Ferien beschäftigt gewesen sei, könne es durch die Überstellung nicht zu Doppelanweisungen von Ferialbezügen kommen. Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung der Bestimmung des § 44 d VBG widerspreche der Absicht des Gesetzgebers, die Einkommen von Lehrern, die während der Ferien unbeschäftigt sind, jenen gleichzustellen, deren Dienstverhältnis die Zeit der Ferien umfaßt. Soweit die Klägerin mehr Entgelt beanspruche, als ihr für 12 Monate zustehe, könne sie sich nicht auf einen gutgläubigen Verbrauch berufen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Bestimmung des § 44 d VBG keine Handhabe dafür biete, bei Umstellung der Gehaltsberechnung von Teiler 10 auf Teiler 12 bereits ausgezahlte Differenzbeträge rückzufordern. Ebenso sei aus den Durchführungsbestimmungen des Bundesministeriums für Unterricht zur Zweiten VBG-Novelle vom 26.Juni 1961 nichts für den Standpunkt der beklagten Partei zu gewinnen. Danach sei bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes während des Schuljahres die geänderte Entlohnung nach Teiler 12 flüssig zu machen. Die Rechtswirkungen der Vertragsänderung seien erst mit 1.Dezember 1990 eingetreten, sodaß eine Rückverrechnung unzulässig sei. Im übrigen liege auch ein gutgläubiger Verbrauch der zuviel erhaltenen Entlohnung durch die Klägerin vor; sie sei daher nicht verpflichtet, sich diese Beträge anrechnen zu lassen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision gemäß § 46 Abs 1 Z 1 ASGG nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, daß die Klägerin für den Zeitraum ab September 1990 bis November 1990 gesetzeskonform entlohnt worden sei. Eine für den abweichenden Fall der Klägerin passende Regelung sei weder der Bestimmung des § 44 d VBG noch den Durchführungsbestimmungen, zu denen überdies eine Behauptung der beklagten Partei fehle, daß sie Vertragsbestandteil geworden seien, zu entnehmen. Aus § 4 Abs 4 des VBG sei abzuleiten, daß ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis, das verlängert werde, erst im Fall einer weiteren Verlängerung so anzusehen sei, wie wenn es von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen worden wäre.

Selbst wenn man davon ausginge, daß die Klägerin für die Zeit von September bis November 1990 übermäßig entlohnt worden sei, könne sie nicht als unredlicher Empfänger einer Nichtschuld im Sinne der §§ 1437, 326 ABGB angesehen werden. Aufgrund des Bestandes eines befristeten Dienstverhältnisses sei ihr guter Glaube bei Empfang und Verbrauch der Entlohnung nicht in Zweifel zu ziehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zu "verwerfen".

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, da die für Vertragslehrer erhebliche Rechtsfrage der Änderung der Auszahlung der Jahresentlohnung und der Anwendbarkeit der Grundsätze des Judikats 33 neu auf eine allfällige Bezugsdifferenz vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden wurde; sie ist aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Im übrigen ist der Rechtsrüge der beklagten Partei entgegenzuhalten:

Während dem Vertragslehrer des Entlohnungsschemas I L gemäß § 41 VBG ein Monatsentgelt zusteht, richtet sich die Jahresentlohnung eines Vertragslehrers des Entlohnungsschemas II L gemäß § 44 VBG nach Jahreswochenstunden. Diese Jahresentlohnung ist gemäß § 44 d Abs 1 VBG in gleich hohen Teilbeträgen als Monatsentgelt auszuzahlen (Teiler 12). Erfaßt das Dienstverhältnis allerdings die Zeit der Hauptferien nicht, gebührt dem Vertragslehrer anstelle dieses Monatsentgeltes ein Monatsentgelt, das sich ergeben hätte, wenn für jeden Monat der Unterrichtserteilung ein Zehntel der Jahresentlohnung ausgezahlt worden wäre (Teiler 10). Diese Bestimmung soll der Tatsache Rechnung tragen, daß ein Lehrer durch die Unterrichtserteilung während eines Schuljahres (rund 10 Monate) ungeachtet einer Weiterbeschäftigung in der Zeit der Hauptferien jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung der vollen Jahresentlohnung erfüllt hat.

Im vorliegenden Fall wurde das Dienstverhältnis der Klägerin nicht nur dahin abgeändert, daß es ab 1.Dezember 1990 unbefristet weiterbesteht, sondern auch eine Überstellung in das Entlohnungsschema I L vorgenommen, das ein Monatsentgelt vorsieht. Nun trifft es zwar zu, daß die Auszahlungsvorschrift des § 44 d Abs 1 VBG keinen eigenen Entgeltanspruch schafft, sondern lediglich die Umrechnung der Jahresentlohnung auf das Monatsentgelt und dessen Auszahlung regelt (9 Ob A 217/91). Insoweit konnte die Klägerin nicht mit einem höheren Entgelt rechnen als es ihrer Jahresentlohnung entsprach. Es ist ihr demnach für den Auszahlungszeitraum von September 1990 bis November 1990 ein sogenannter Übergenuß zugekommen, den sie nicht erhalten hätte, wenn das Dienstverhältnis von vorneherein unbefristet gewesen wäre. Damit ist aber für die beklagte Partei nichts gewonnen.

Nach der auf das Jud 33 neu (SZ 11/86 = Arb 3893) zurückgehenden und von der Lehre gebilligten Rechtsprechung können nämlich zu Unrecht ausgezahlte Dienstbezüge - sofern ihnen Unterhaltscharakter zukommt - dann nicht zurückgefordert werden, wenn sie der Dienstnehmer im guten Glauben empfangen und verbraucht hat (vgl dazu eingehend Wachter, Zur Nichtrückforderbarkeit irrtümlich bezahlten Arbeitsentgelts bei gutgläubigem Verbrauch, FS Strasser (1983) 147 ff, insbesondere 173 ff; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 201 f; Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 132 f; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 280 f; Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 183 ff; Arb 10.030, 8645 uva; ebenso § 13 a Abs 1 GehG). Diese Grundsätze sind entgegen der Ansicht der beklagten Partei aber auch anzuwenden, wenn - wie hier - der Rechtsgrund für die zunächst gesetzmäßige Auszahlung von Dienstbezügen nachträglich weggefallen ist (vgl Arb 10.476 ua). Für die Beurteilung, ob den Dienstnehmer eine Rückzahlungsverpflichtung trifft, ist allein entscheidend, ob dieser sowohl im Zeitpunkt des Empfanges als auch des Verbrauches des Überbezuges im guten Glauben gewesen ist und gewesen sein durfte. Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern die Redlichkeit des Dienstnehmers schon dann verneint, wenn er bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Betrages auch nur zweifeln mußte (Arb 8645 ua). Die dafür behauptungs- und beweispflichtige beklagte Partei hat einen solchen Beweis jedoch nicht erbracht.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, erfolgte die Auszahlung der Jahresentlohnung nach dem Teiler 10 gesetzeskonform und entsprach insoweit auch den Durchführungsbestimmungen des Bundesministeriums für Unterricht. Die beklagte Partei hat dazu nicht einmal behauptet, der Klägerin sei beim Empfang und Verbrauch ihrer Dienstbezüge bereits bekannt gewesen, daß ihr befristetes Dienstverhältnis in ein unbefristetes umgewandelt werde. Die Klägerin konnte somit vor Abschluß des ersten Nachtrags zum Dienstvertrag gar nicht erkennen, daß es allenfalls zu einer Änderung in der Auszahlung der Jahresentlohnung kommen werde. Abgesehen davon muß ein Dienstnehmer mangels jeglichen Hinweises selbst bei rückwirkender Änderung eines zuvor schon gültig zustandegekommenen Dienstvertrages nicht damit rechnen, daß der Dienstgeber bereits rechtmäßig empfangene Bezüge rückfordern werde (9 Ob A 142/89). Auf die bloße Interpretation des Gesetzestextes und der (lediglich internen) Durchführungsbestimmungen des Bundesministeriums für Unterricht kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, so daß dahingestellt bleiben kann, ob der Klägerin diese Durchführungsbestimmungen bei Abschluß des Dienstvertrages überhaupt zur Kenntnis gebracht worden sind.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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