OGH 3Ob51/92

OGH3Ob51/9227.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei P*****gesellschaft mbH., ***** vertreten durch Dr.Rudolf Schuh, Rechtsanwalt in Linz, wider die verpflichtete Partei "J*****" *****gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000,-), infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 7.April 1992, GZ R 266-267/92-115, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 27.Februar 1992, GZ 10 E 1783/91-110, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluß der 2.Instanz vom 7.4.1992, ON 115, der in seinem Punkt 1 mangels Anfechtung unberührt bleibt, in seinem Punkt 2. 1) und 2. 2) dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes vom 27.2.1992, ON 110, in seinem Punkt 3 a, 1.Absatz, wiederhergestellt wird.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 19.069,20 (darin S 3.178,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Titelgerichtes vom 6.3.1991 wurde der betreibenden Partei aufgrund der einstweiligen Verfügung vom 8.2.1991 gegen die verpflichtete Partei zur Erwirkung der Unterlassung der Verwendung einer bestimmten, als Grünland gewidmeten Grundstücksfläche als Parkplatz für Kraftfahrzeuge von Kunden, Lieferanten und Angestellten gemäß § 355 EO die Exekution bewilligt. In der Folge wurden über die verpflichtete Partei wegen fortgesetzten Zuwiderhandelns Geldstrafen verhängt.

Mit rechtskräftigem Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 18.2.1992 wurde die einstweilige Verfügung vom 8.2.1991 mit Zustimmung der betreibenden Partei mit Wirkung ab 22.1.1992 aufgehoben. Mit dem weiteren Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 27.2.1992 wurde die Exekution nach § 39 Abs 1 Z 1 EO eingestellt. Anlaß für beide Entscheidungen war der Umstand, daß seit 22.1.1992 eine rechtswirksame Umwidmung der Grundfläche von Grünland in eine Verkehrsfläche (Privatparkplatz) vorliegt.

Mit Beschluß vom 27.2.1992, ON 110, Punkt 3 a, 1.Absatz, verfügte das Erstgericht über Antrag der verpflichteten Partei, daß die mit näher bezeichneten Strafvollzugsbeschlüssen zwischen dem 15.3.1991 und dem 9.1.1992 verhängten Geldstrafen nicht mehr eingehoben werden. Nach Einstellung der Exekution seien Geldstrafen nicht mehr einzubringen. Die Vollziehung der Zwangsstrafe müsse entfallen, wenn das mit der Zwangsstrafe verfolgte Ziel erreicht sei. Aufgabe der Zwangsstrafe sei es, den Willen einer Partei, einem ihr erteilten Gebot zuwiderzuhandeln, zu brechen. Sei dieser Zweck erreicht, bevor die verhängte Strafe vollstreckt oder der als Zwangsstrafe auferlegte Betrag entrichtet worden sei, wäre es zweckwidrig, auf dem Vollzug der Haft oder der Eintreibung des Geldbetrages zu bestehen, weil dann jedes Moment eines Sühne - oder Besserungszweckes ausscheide. Da der Flächenwidmungsplan geändert und rechtswirksam kundgemacht worden sei, sei nachträglich die Pflicht zur Zahlung weggefallen. Die Geldstrafen seien daher nicht mehr einzuheben.

Die zweite Instanz gab dem Rekurs der betreibenden Partei Folge und wies den Antrag der verpflichteten Partei, die näher bezeichneten Geldstrafen nicht mehr einzuheben, ab. Sie sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach § 359 Abs 2 EO sei, wenn die Geldstrafe zu Unrecht verhängt worden sei oder die Pflicht zu ihrer Zahlung nachträglich wegfalle, der erhaltene Betrag dem Verpflichteten zurückzuzahlen. Daß die Geldstrafen zu Unrecht verhängt worden wären, werde nicht behauptet. Der nachträgliche Wegfall der Zahlungspflicht aber könne sich nur auf Fälle beziehen, in denen das Unterlassungsgebot rückwirkend beseitigt werde; er sei nicht gegeben, wenn das Verbot aufgrund einer zwischenzeitigen Änderung der Sachlage mit Wirkung ab Eintritt dieser Änderung wegfalle. Bei anderer Ansicht würden gerichtlich verfügte Unterlassungsverpflichtungen völlig entwertet. Werde daher auch in Lehre und Rechtsprechung die Meinung vertreten, daß bereits verhängte Geldstrafen nach Einstellung der Exekution nicht mehr einzuheben seien, weil es sich bei ihnen um ein reines Beugemittel handle, so könne dies doch nicht auch für den Fall gelten, daß das Unterlassungsgebot nicht mit rückwirkender Kraft entfalle.

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach herrschender Ansicht handelt es sich bei den gemäß § 355 Abs 1 EO zu verhängenden Strafen um Beugemittel, nicht um Vergeltungsstrafen (Heller-Berger-Stix 2591 mwN);

Petschek-Hämmerle-Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht, 219); sie sollen nicht den Verstoß des Verpflichteten gegen das gerichtliche Gebot oder Verbot vergelten, sondern den Willen des Verpflichteten auf Erfüllung ausrichten (Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht3, 314 mwN); sie dienen der Verhinderung weiteren Zuwiderhandelns (EvBl 1972/176). Durch die UWG-Novelle 1980 hat sich daran nichts geändert (SZ 58/100).

Daraus und aus der Bestimmung des § 39 Abs 1 Satz 1 EO, daß bei Einstellung der Exekution alle bis dahin vollzogenen Exekutionsakte aufzuheben sind, folgt nach gleichfalls herrschender Ansicht, daß nach Einstellung der Exekution eine - auch rechtskräftig - verhängte Haft nicht mehr vollzogen und eine - auch rechtskräftig - verhängte Geldstrafe nicht mehr eingehoben werden darf (Heller-Berger-Stix 2591 u 2600; Neumann-Lichtblau, Komm zur EO3, 1108; EvBl 1972/176 [mit der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme der Ersetzung einer einstweiligen Verfügung durch ein gleichlautendes Unterlassungs-Urteil]). Hat jenes Rechtsverhältnis, welches die Voraussetzung für die zu erzwingenden Duldungen oder Unterlassungen begründete, zu bestehen aufgehört, so ist damit auch die Voraussetzung für die Anwendung des im Fall des Zuwiderhandelns zur Durchführung gelangenden Zwangsmittels entfallen. Die Haft (Geldstrafe) bloß deswegen aufrecht zu erhalten, um den gekränkten Gefühlen, allenfalls einem Vergeltungsbedürfnis des betreibenden Gläubigers zu entsprechen, obwohl seine materiellrechtlichen Ansprüche nicht mehr bestehen, entspricht nicht den bloß auf Rechtdurchsetzung gerichteten Vorschriften der §§ 27 (u 360 ff) EO (SZ 4/37). Daß die Vollziehung der Zwangsstrafen zu entfallen hat, wenn das mit der Verhängung der Zwangsstrafe verfolgte Ziel erreicht ist, entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 5 Abs 2 VVG. Aufgabe der Zwangsstrafe sei es, einen dem Willen der Behörde entgegenstehenden Willen der Partei zu brechen; sei dieser Zweck erreicht, bevor die verhängte Haft vollstreckt oder der als Zwangsstrafe auferlegte Betrag entrichtet worden ist, so wäre es zweckwidrig, auf dem Vollzug der Haft oder auf der Eintreibung des Geldbetrages zu bestehen, weil hier jedes Moment eines Sühne- oder Besserungszweckes ausscheide (JBl 1954, 206).

Eine differenzierende Meinung vertritt Jelinek, Die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen, 255 ff. Sei der Exekutionstitel mit rückwirkender Kraft erloschen, zB infolge einer Nichtigkeits- oder einer Wiederaufnahmsklage, eines Wiedereinsetzungsantrages oder einer abändernden Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes, so sei die rückwirkende Vernichtung der Exekutionsakte iS des § 39 Abs 1 Satz 1 EO am Platz; das betreffe auch das Vollzugsverfahren. Werde aber der Titel nicht rückwirkend vernichtet, verliere er insbesondere bloß infolge einer nachträglichen Erlaubnis oder des Ablaufes der Zeit seine Wirkung, dann dürften die Einstellungswirkungen nicht auf den Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung zurückbezogen werden; sie träten vielmehr erst zur Zeit der Konkretisierung des Einstellungsgrundes ein. Werde die Exekution nicht rückwirkend, sondern erst ab einem späteren Zeitpunkt eingestellt, dann behalte die Exekutionsbewilligung ihre Kraft für die Zeitstrecke zwischen ihrer Erlassung und dem Bezugszeitpunkt der Aufhebung. Beugestrafen könnten allerdings nicht mehr verhängt werden, selbst wenn vor dem zeitlichen Bezugspunkt der Einstellung zuwider gehandelt worden sei; eine solche Bestrafung könnte sich nicht auf die Präventivfunktion des Beugeverfahrens berufen. Der Bezugspunkt der Einstellungswirkung könne auch nicht zu einem solchen späteren Zeitpunkt angesetzt werden, daß die noch offenen Bestrafungsverfahren abgewickelt werden können (Jelinek lehnt hier eine gegensätzliche Meinung Petscheks in GZ 1907, 6, - die Einstellung der Unterlassungsexekution hindere nicht die Durchsetzung der rechtskräftigen Strafverfügung, weil sie eine wahre Strafe auferlege - ausdrücklich ab). Auch Jelinek gelangt damit zum Ergebnis, es dürften nach Einstellung der Exekution Beugestrafen nicht mehr verhängt und nicht mehr vollzogen werden (aaO 257 aE).

Über die dargestellte differenzierende Meinung Jelineks gehen - worauf es ausdrücklich hinweist (aaO 254) - Heller-Berger-Stix, 493 hinaus. Nach dem Gesetz seien alle bis zur Einstellung vollzogenen Exekutionsakte aufzuheben. Es werde kein Unterschied gemacht, ob zum Zeitpunkt der einzelnen Vollzugshandlung der Einstellungsgrund schon vorgelegen oder ob er erst später eingetreten sei. Ziel des Exekutionsverfahrens sei die Herstellung einer dem Exekutionstitel entsprechenden Rechtslage. Das Gesetz habe nicht zwei Begriffe der Aufhebung der Exekutionsakte geschaffen, einen bei ursprünglicher Unzulässigkeit der Exekution und einen anderen bei deren nachträglichem Eintritt.

Mag deshalb im Einzelfall wie hier - das Rekursgericht hebt diesen Umstand hervor - die Nichteinhebung verhängter Geldstrafen nach Einstellung der Exekution unbefriedigend erscheinen, so wäre doch eine andere Vorgangsweise nach dem Wortlaut des § 39 Abs 1 EO und dem Charakter der Strafe als eines Beugemittels verfehlt. Der Oberste Gerichtshof schließt sich deshalb auch für den vorliegenden Fall der dargestellten Rechtsprechung und Lehre an. Hervorgehoben sei iS der Entscheidung SZ 4/17, daß die verhängten Strafen nicht einem Vergeltungsbedürfnis des betreibenden Gläubigers dienen sollen, sondern den Zweck haben, das Zuwiderhandeln gegen ein gerichtliches Gebot oder Verbot zu verhindern. Allfällige Schadenersatzansprüche der betreibenden Partei infolge des Verstoßes der verpflichteten Partei gegen den Unterlassungsanspruch werden hiedurch nicht berührt.

Der zweiten Instanz ist darin zuzustimmen, daß die Verpflichtung zur Zahlung der Geldstrafen iS des § 359 EO mit der Aufhebung der einstweiligen Verfügung weggefallen ist. Auf den Einstellungsbeschluß kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an, er ist für diese Frage ohne Bedeutung.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 78 EO und den §§ 41, 50 ZPO (Zwischenstreit).

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