OGH 6Ob570/92

OGH6Ob570/9227.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Zehetner, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Christoph S*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei Dr. Marko M********** *****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 50.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Oktober 1991, GZ 16 R 157/91-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 29. April 1991, GZ 3 Cg 89/90-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 28. Dezember 1988 im Wald des Beklagten auf einer mit Schotter befestigten Forststraße, die durch die Au neben der P***** führt, durch einen neben der Straße befindlichen umstürzenden Bergahorn-Baum schwer verletzt. Die starke Wurzelschädigung des - nicht allein oder in einer kleinen Gruppe, sondern am Rand der Forststraße in einem geschlossenen Mischwaldbestand stehenden - Baumes war von außen nicht sichtbar, aber für den Fachmann aus dem äußeren Erscheinungsbild des Baumes (fehlende Baumkrone, vermoderter Wipfel ab 10 m Höhe auf die restlichen 6 m, sogenannte "Angstreiser") im Zusammenhang mit dem wegen der Bodenfeuchtigkeit sehr ungünstigen Standplatz für einen Bergahorn-Baum erkennbar. Die Rinde war bis auf eine Höhe von 10 m äußerlich gesund und der Baum in diesem unteren Bereich als Notreaktion des Baumes noch belaubt.

Der Kläger begehrte gegenüber dem Beklagten die Feststellung, daß dieser ihm alle Schäden als Folge des Vorfalls vom 28. Dezember 1988 zu ersetzen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil es "im Grenzbereich zur leichten Fahrlässigkeit" angesichts der Tatsache, daß sich der vorliegende Schaden (des Baums) seit mindestens zwei Jahren abzeichne, grobe Fahrlässigkeit des vom Beklagten für sein Forstgut bestellten Verwalters, der selbst dargelegt habe, wiederholt die Bäume entlang der Forststraße zu prüfen, annahm.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Der Forstverwalter des Beklagten habe den Wald regelmäßig, sogar mehrmals wöchentlich begangen; die Schäden am Baum seien ihm nicht aufgefallen. Da der kranke Baum aus der Masse der anderen Laubbäume weder im belaubten noch im unbelaubten Zustand, daher jahreszeitenunabhängig, bei routinemäßiger Begehung und Kontrolle des Waldes hervorstechen mußte, könne der dem Verwalter des Beklagten unterlaufene Aufmerksamkeits- oder Beobachtungsfehler ungeachtet der schweren Folgen nicht als grob fahrlässig angesehen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision des Klägers ist nicht zulässig.

Für die Haftung für den Zustand einer Forststraße oder eines sonstigen Weges im Wald gilt § 1319 a ABGB. ... Wird ein Schaden auf Wegen durch den Zustand des danebenliegenden Waldes verursacht, so haften der Waldeigentümer, sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen und deren Leute keinesfalls strenger als der Wegehalter (§ 176 Abs 4 ForstG 1975 idgF). Welche Maßnahmen ein Wegehalter im einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich nach § 1319 a Abs 2 letzter Satz ABGB, danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist. Eine abschließende Umschreibung der Pflichten des Wegehalters ist nicht möglich. Es kommt im Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung des Weges sicherzustellen (ZVR 1989/131; JBl 1988, 41 ua; Reischauer in Rummel, Rz 15 zu § 1319 a ABGB; Harrer in Schwimann, Rz 14 zu § 1319 a ABGB). Die gleichen Grundsätze gelten auch dafür, welche Maßnahmen der Waldeigentümer zur Abwendung seiner Haftung nach § 176 Abs 4 ForstG in Ansehung eines neben einer Forststraße liegenden Waldes zu ergreifen hat. Daraus folgt aber, daß auch hier der Umfang der Sorgfaltspflicht nicht allgemein bestimmt werden kann.

§ 176 ForstG begrenzt die Haftung des Waldeigentümers und sonstiger an der Waldbewirtschaftung mitwirkender Personen für Schäden, die - wie hier - infolge des Zustandes des neben der Forststraße oder eines sonstigen Weges liegenden Waldes (morsche Bäume oder Äste, von Sturm oder Schneedruck in ihrer Verwurzelung und damit Standfestigkeit geschädigte Bäume etc) auf der Straße bzw dem Weg eingetreten sind, mit höchstens jenem Ausmaß, welches in § 1319 a Abs 1 ABGB für die Haftung für den Wegzustand festgesetzt ist (SZ 53/143 = EvBl 1981/146; Bobek-Plattner-Reindl, Forstgesetz 1975, Anm 18 zu § 176), sodaß eine Haftung des Waldeigentümers, der sonst mitwirkenden Personen und ihrer Leute für ihr schädigendes Verhalten entfällt, soweit ihnen nur leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt. Diese grundsätzliche Rechtsfrage hat das Berufungsgericht zutreffend und auch von der Revision unbekämpft gelöst.

Nach ständiger Rechtsprechung ist grobe Fahrlässigkeit eine auffallende Sorglosigkeit, bei welcher die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falles in ungewöhnlichem Maße verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist. Darüber hinaus verlangt die Judikatur, daß der objektiv besonders schwere Verstoß auch subjektiv schwer anzulasten ist (JBl 1991, 652; ZVR 1989/131 mwN ua; Harrer aaO, Rz 21 zu § 1319 a ABGB). Von diesen Kriterien ist die zweite Instanz ausgegangen. Die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne daß ein wesentlicher Verstoß gegen die Abgrenzungskriterien vorliegt, kann aber wegen ihrer maßgeblichen Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (vgl ZVR 1989/131 mwN), sodaß die unzulässige Revision zurückgewiesen werden muß.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers nicht hingewiesen.

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