OGH 5Ob1560/92

OGH5Ob1560/9214.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Schwarz, Dr.Jelinek und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Guido H*****, geboren am 29.Juni 1979, Schüler, ***** B*****, D*****gasse 43, vertreten durch Dr.Norbert Kosch und andere Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde B*****, ***** B*****, H*****platz 1, vertreten durch Dr.Gernot Gruböck und Dr.Stefan Gruböck, Rechtsanwälte in Baden, wegen S 167.800 sA und Feststellung (Streitwert S 50.000) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27.April 1992, GZ 4 R 26/92-28, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die klagende Partei hat ihr Schadenersatzbegehren auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der beklagten Partei gestützt (ON 1, Seite 7), konkret aufeine gefährliche Ausgestaltung der Sprunganlage. Lediglich der Behauptung, daß Kinder sehr häufig zum Beckenrand springen und sich dabei einer enormen Gefahr aussetzen, war zu entnehmen, daß der beklagten Partei auch unzulängliche Maßnahmen zur Abwehr jener konkret erkennbaren Gefahr vorgeworfen werden, die aus der mißbräuchlichen Benutzung des Sprungturms entstanden ist.

Die Verfahrensergebnisse haben gezeigt, daß die Sprunganlage normgerecht gebaut war und nur der Mißbrauch des Zielspringens bzw des Springens zum Beckenrand eine besondere Gefahrensituation schuf. Die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ließe sich daher nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalls (etwa aus der Häufigkeit und Auffälligkeit gefährlicher Kinderspiele) ableiten. In einem solchen Fall ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs nur möglich, wenn das Berufungsgericht von den in der Judikatur und Lehre anerkannten Grundsätzen der Entscheidungsfindung abgewichen ist (vgl WoBl 1991, 143/91).

Rechtliche Beurteilung

Die hier maßgeblichen Entscheidungsrichtlinien geben einen Beurteilungsspielraum, den das Berufungsgericht nicht überschritten hat. Die Verkehrssicherungspflicht findet nämlich ihre Grenze immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (SZ 53/49; SZ 60/256 uva). Ein maßgebliches Kriterium ist dabei immer auch die verkehrsübliche Aufmerksamkeit und Sorgfalt des Benützers einer an sich gefährlichen Anlage, weil keine Vorkehrungen gegen jede denkbare, nurentfernt liegende Möglichkeit einer Gefährdung verlangt werden können. Gerade gegenüber Benützern von Badeanstalten werden diese Grundsätze judiziert (EvBl 1974/248; MietSlg 30.243; MietSlg 33.216). Ganz unvernünftiges, ja sogar äußerst leichtsinniges Verhalten eines Badegastes braucht daher der Betreiber eines Bades in seine Überlegungen zur Abwehr möglicher Gefährdungen nicht einzubeziehen.

Im konkreten Fall mag für die beklagte Partei die Gefahr erkennbar gewesen sein, die daraus resultierte, daß Kinder und Jugendliche den Sprungturm nicht widmungsgemäß verwendet, sondern zu Sprüngen in Richtung zum Beckenrand mißbraucht haben. Daß jedoch ein 11-jähriger Bub so leichtsinnig sein könnte, den Sprung zur Seite auf ein Ziel zu versuchen, das unmittelbar neben dem Beckenrand lag, war nicht vorauszusehen und praktisch auch nicht zu verhindern. Einem solchen Leichtsinn wirksam begegnen zu wollen, würde ein solches Übermaß an Verboten, Warnungen, Absperrungen und dergleichen erfordern, daß eine normale Benützung der Sprunganlage gar nicht mehr möglich wäre.

Die damit übereinstimmenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes bruhen somit keineswegs auf der vom Revisionswerber behaupteten Verkennung der Rechtslage. Es ist auch nicht richtig, daß das Berufungsgericht entscheidungswesentliche Einzelheiten des festgestellten Sachverhaltes unberücksichtigt gelassen hätte. Aus seiner Entscheidung ergibt sich eindeutig, daß es sich an den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt gebunden erachtete. Daß einzelne Beobachtungen des Badewärters in der Zusammenfassung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts nicht aufscheinen, hängt damit zusammen, daß sie fürdie rechtliche Beurteilung des Streitfalls unerheblich sind. Tatsächlich wurden ja nicht konkrete Versäumnisse des Badewärters (etwa die Unterlassung einer Warnung des Klägers unmittelbar vordem verhängnisvollen Sprung) als Haftungsgrund herangezogen. Die Annahme des Berufungsgerichtes, eine solche Warnung wäre zu spät gekommen, ist im übrigen durchaus lebensnah und wird sogarvom Kläger selbst geteilt. Es bleibt dabei, daß die Haftung der beklagten Partei nurvon der Frage abhängt, ob die besonderen Umstände des Einzelfalls weitergehende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr verlangt hätten. Die vom Berufungsgericht gefundene Lösung entzieht sich aus den dargelegten Gründen einer Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof.

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