OGH 15Os43/92 (15Os44/92)

OGH15Os43/92 (15Os44/92)2.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Juli 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Lachner, Dr.Kuch und Dr.Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Liener als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas B***** und andere wegen des Vergehens der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses nach § 123 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11.September 1991, GZ 22 a Vr 8903/91-3, und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 23.Dezember 1991, 23 Bs 435/91 (= GZ 22 a Vr 8903/91-7), in öffentlicher Verhandlung nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Privatanklagevertreters Dr.Ringhofer und des Verteidigers Dr.Marschall, jedoch in Abwesenheit der Verdächtigen zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Strafverfahren AZ 22 a Vr 8903/91 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzen

1. der Beschluß der Ratskammer dieses Gerichtes vom 11.September 1991, ON 3, soweit damit der Antrag der Firma P***** Vertriebsgesellschaft mbH auf Durchführung von Vorerhebungen gegen Thomas B***** und Andreas S***** wegen § 123 StGB zurückgewiesen wurde, und

2. der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 23.Dezember 1991, AZ 23 Bs 435/91 (= ON 7 des Vr-Aktes)

das Gesetz in der Bestimmung des § 46 Abs.1 StPO.

Text

Gründe:

In einer mit 1.August 1991 datierten und zur Post gegebenen, am 2. August 1991 bei Gericht eingelangten Eingabe beantragte die Privatanklägerin Firma P***** Vertriebsgesellschaft mbH die Vornahme von Vorerhebungen gegen die in dieser Firma - einem Unternehmen für den Vertrieb von Werbegeschenken - angestellt gewesenen, nunmehr aber eine Konkurrenzfirma betreibenden Verdächtigen Thomas B***** und Andreas S***** sowie einen unbekannten Mittäter wegen des Vergehens der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses nach § 123 StGB. Diese Vorerhebungen sollten in der Einvernahme des Thomas B***** und des Andreas S***** als Verdächtige, in der Ausforschung eines als Mittäter in Betracht kommenden unbekannten Computerfachmannes, in der Beischaffung eines Handelsregisteraktes, in der Vornahme einer Hausdurchsuchung und einer Durchsuchung von Papieren sowie in der Vernehmung von Zeugen bestehen. Begründet wurde der Antrag damit, daß dem Geschäftsführer der Privatanklägerin, Peter P*****, am 26.Juni 1991 ein Gespräch zwischen den damaligen Angestellten der Privatanklägerin Günther K***** und Erwin H***** zur Kenntnis gelangt sei, in welchem H***** unter anderem zugegeben habe, zu wissen, daß Thomas B***** und Andreas S***** außerhalb der Geschäftszeit in die Firmenräumlichkeiten der Privatanklägerin (in Wien) eingedrungen seien, die Sicherungsbänder mit allen gespeicherten EDV-Daten an sich gebracht, diese mit Hilfe eines Computerfachmannes kopiert und sie sodann wieder zurückgestellt hätten. Das auf diese Weise erlangte Wissen um den gesamten Kundenkreis der Privatanklägerin sowie über jeden einzelnen Geschäftsvorgang werde von den Verdächtigen für ihre Konkurrenzfirma verwertet. Erwin H***** habe allerdings am 26.Juni 1991 behauptet, sich an ein solches Gespräch nicht zu erinnern, und es in weiterer Folge geleugnet. Da die weitere (außergerichtliche) Klärung des Sachverhalts der Privatanklägerin nicht möglich sei, nehme sie die Hilfe des Gerichtes im Rahmen der beantragten Vorerhebungen in Anspruch.

In dem diesen Antrag betreffenden Verfahren AZ 22 a Vr 8903/91 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurden erst ab 27.August 1991 untersuchungsrichterliche Verfügungen getroffen, die sich zunächst (ausschließlich) darauf beschränkten, zu klären, welche Gerichtsabteilung nach der Geschäftsverteilung zuständig ist. Am 30. August 1991 wurde der Akt schließlich der Ratskammer zur Entscheidung gemäß § 97 Abs.1 StPO vorgelegt, wobei der Untersuchungsrichter die Ansicht vertrat, daß die Frist des § 46 Abs. 1 StPO bereits am 7.August 1991 verstrichen sei, ohne daß der - seiner Auffassung nach für die Wahrung dieser Frist erforderliche - Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung gestellt worden sei.

Mit Beschluß vom 11.September 1991, GZ 22 a Vr 8903/91-3, wies die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den Antrag auf Durchführung der begehrten Vorerhebungen gegen Thomas B***** und Andreas S***** (nicht auch den gegen einen unbekannten Täter gerichteten Antrag) mit der Begründung zurück, daß die Privatanklägerin trotz der am 26.Juni 1991 erlangten Kenntnis der Tat und der (namentlich genannten) Täter innerhalb der sechswöchigen Privatanklagefrist des § 46 Abs.1 StPO weder einen Strafantrag noch einen Antag auf Einleitung der Voruntersuchung eingebracht habe; der am 2.August 1991 bei Gericht eingelangte Antrag auf Durchführung von Vorerhebungen gegen die Genannten sei zwar zulässig gewesen, jedoch so spät gestellt worden, daß Vorerhebungen vor Ablauf der Frist des § 46 Abs.1 StPO nicht möglich gewesen wären.

Der gegen diesen Beschluß rechtzeitig erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 23. Dezember 1991, AZ 23 Bs 435/91 (= ON 7 des Vr-Aktes) nicht Folge. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, daß ein Privatankläger beim jeweils zuständigen Gericht Vorerhebungen zur Abklärung der Tat und der Täterschaft führen könne, ohne dabei durch die sechswöchige Verfolgungsfrist beschränkt zu sein; denn diese Frist beginne erst zu laufen, wenn der Verletzte durch das Ergebnis dieser Vorerhebungen Klarheit über die Tat und einen hinreichenden Verdacht betreffend den Täter erlangt hat; da sich diese Kenntnis auf die wesentlichen Tatelemente ebenso beziehen müsse wie auf die Identität des Täters, reiche ein vager Verdacht nicht aus, weshalb der Privatankläger Vorerhebungen solange beantragen könne, wie dies zur Gewinnung eines konkreten Tat- und Täterverdachts nötig ist. Hat er allerdings hinreichend Kenntnis von der Tat und vom Tatverdächtigen erlangt, beginne die Frist des § 46 Abs.1 StPO zu laufen und diese könne nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur durch einen Antag auf Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters gewahrt werden. Da laut dem Antrag der Privatanklägerin vom 2.August 1991 dieser sowohl die Tat iS des § 123 StGB als auch die Täter Thomas B***** und Andreas S***** konkret bekannt waren und es nach der diesbezüglichen Antragstellung offenkundig sei, daß ein Antrag auf Voruntersuchung oder auf Bestrafung innerhalb der verbleibenden fünf Tage, noch dazu nach Durchführung der beantragten Erhebungen, nicht zu effektuieren gewesen wäre, habe das Erstgericht den Antrag auf Durchführung von Vorerhebungen gegen die Genannten zutreffend zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

In seiner gegen die bezeichneten Beschlüsse der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes hat der Generalprokurator (unter anderem) ausgeführt:

"Gemäß § 46 Abs.1 StPO muß eine zur Privatanklage berechtigte Person bei sonstigem Verlust ihres Anklagerechtes binnen sechs Wochen von dem Tag, an dem ihr die strafbare Handlung und ein der Tat hinlänglich Verdächtiger bekannt geworden sind, einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen; dieser - beim Strafgericht mündlich oder schriftlich zu stellende - Antrag kann auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf die Bestrafung des Täters gerichtet sein. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist der Privatankläger berechtigt, während der Vorerhebungen und der Voruntersuchung dem Gericht alles an die Hand zu geben, was seine Anklage unterstützen kann, in die Akten Einsicht zu nehmen, und zur Geltendmachung seiner Anklage alle Schritte bei Gericht einzuleiten, zu denen sonst der Staatsanwalt berechtigt ist.

Demnach ist zur Wahrung der sechswöchigen Frist des § 46 Abs.1 StPO nur erforderlich, daß der zur Privatanklage berechtigte (und von diesem Recht auch erkennbar gebrauchmachende) Verletzte innerhalb dieser Frist beim Strafgericht einen Verfolgungsantrag stellt. Daß ein solcher Antrag entweder auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf die Bestrafung des Täters gerichtet sein muß, geht aus dem zweiten Satz des § 46 Abs.1 StPO nicht hervor (arg. 'kann'). Aus dem in § 46 Abs.2 StPO dem zur Privatanklage Berechtigten eingeräumten Recht, die Durchführung von Vorerhebungen - lege non differente sowohl gegen unbekannte als auch gegen bekannte Täter - zu verlangen, ergibt sich vielmehr, daß der zur Fristwahrung erforderliche Verfolgungsantrag auch in einem Antrag auf Durchführung von Vorerhebungen bestehen kann (SSt. 27/27; SSt. 32/6; EvBl. 1990/25). Ein solches Recht bliebe nämlich weitgehend bedeutungslos, wenn im bezirksgerichtlichen Verfahren, wo eine Voruntersuchung nicht stattfindet (§ 451 Abs.1 StPO), innerhalb der Frist des § 46 Abs.1 StPO jedenfalls der Antrag auf Bestrafung des Täters zu stellen wäre, denn erfahrungsgemäß sind Vorerhebungen innerhalb eines nur sechswöchigen Zeitraumes vielfach gar nicht abzuschließen. Solche Vorerhebungen können aber durchaus zweckmäßig sein, um zunächst zu klären, ob und in welchem Umfang mehrere der Tat verdächtige Personen wegen eines bestimmten Privatanklagedeliktes zur Verantwortung gezogen werden können (EvBl. 1990/25). Da der Lauf der sechswöchigen Frist keineswegs erst beginnt, wenn sich ein konkreter Tatverdacht gegen eine bestimmte Person geradezu zur Gewißheit verdichtet hat, wäre der Verletzte sonst unter Umständen gezwungen, ein ihm kaum zumutbares Prozeß(kosten)risiko einzugehen.

Eine Interpretation des ersten Teiles des zweiten Satzes des § 46 Abs.1 StPO dahin, daß der Verfolgunsgantrag des zur Privatanklage Berechtigten auf die Einleitung der Voruntersuchung oder auf die Bestrafung des Täters gerichtet sein muß, findet auch in der Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesstelle keine Stütze: Dieser Satzteil wurde erst durch das Strafprozeßanpassungsgesetz 1974 eingefügt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (934 BlgNR 13. GP, 23) enthalten keinen Hinweis auf eine damit beabsichtigte Einschränkung der zur Wahrung des Verfolgungsanspruches hinreichenden Verfolgungsanträge gegenüber der bisherigen Rechtslage. Die Vorschrift des § 46 StPO in der vor dem StPAG 1974 geltenden Fassung (damaliger Wortlaut des ersten Absatzes: 'Handelt es sich um ein Vergehen, das nach den Strafgesetzen nur auf Begehren eines in seinem Recht Verletzten strafrechtlich verfolgt werden darf, so steht diesem die Befugnis zu, beim Strafgericht als Privatankläger schriftlich oder mündlich das Begehren um strafrechtliche Verfolgung zu stellen';

der Wortlaut der Absätze 2, 3 und 4 wurde durch das StPAG 1974 nicht verändert) war aber durch die Rechtsprechung (SSt 1/27; SSt 27/26;

SSt 32/6) - ungeachtet der Bestimmung des § 530 StG, wonach das Erlöschen des Strafverfolgungsrechtes des Privatanklägers für den Fall vorgesehen war, daß er innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis der strafbaren Handlung 'darüber nicht Klage geführt hat' - (übereinstimmend mit Lohsing-Serini4, 163 f) dahin interpretiert worden, daß auch ein innerhalb der sechswöchigen Frist eingebrachter Antrag auf gerichtliche Vorerhebungen zur Wahrung des Privatanklagerechtes ausreicht (vgl. hiezu auch die in der Begründung der Entscheidung 13 Os 92, 93/90 wiedergegebenen Ausführungen der Generalprokuratur).

Dieser weiterhin vom Obersten Gerichtshof (EvBl 1990/25) - in Übereinstimmung mit Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts3 Rz 211, und Platzgummer, Grundzüge des österreichischen Strafverfahrens3, 49 - (dagegen Foregger-Serini StPO MKK4, 83 und 137; Roeder, Lehrbuch des österreichischen Strafverfahrensrechtes2, 73) - eingenommene Standpunkt wird durch das (vom Oberlandesgericht Wien schon in MR 4/90, 133 vertretene) Argument nicht widerlegt, daß eine vom Gericht unter der Sanktion des § 46 Abs 3 StPO zu setzende Frist für die Stellung eines Bestrafungsantrages nach Abschluß von Vorerhebungen in der Strafprozeßordnung nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Zur Erzielung eines - nicht zuletzt im Hinblick auf Art 6 Abs 1 MRK gebotenen - raschen Verfahrensablaufes und zur Vermeidung von Mißbräuchen ist die Fristsetzung durch den Richter auch in Fällen, in welchen sie ihm der Prozeßgesetzgeber nicht - wie etwa in § 124 StPO - ausdrücklich zur Pflicht gemacht hat, unabdingbar (siehe u.a. 15 Os 31/91). Soweit es hiebei um die Erhebung oder Aufrechterhaltung der Privatanklage geht, kommt schon im Hinblick auf den auch aus §§ 112 Abs 2, 211 Abs 2, 261 Abs 2, 263 Abs 4, 475 Abs 2 und 486 Abs 2 StPO hervorgehehenden Zweck der Befristung solcher Prozeßhandlungen nur eine Ausschlußfrist in Betracht (EvBl. 1990/25; vgl. auch Bertel, Grundriß3, Rz 459). Darüber hinaus wäre zu erwägen, ob nicht - insoweit entgegen SSt 27/26 - im Wege eines (grundsätzlich im Bereich des Strafprozeßrechtes zulässigen) Analogieschlusses die angesichts der zuletzt erwähnten Bestimmungen planwidrig erscheinenden Lücke durch Anwendung der für alle vergleichbaren Fälle vorgesehenen 14-tägigen Frist auch auf die Antragstellung nach Abschluß der Vorerhebungen über ein Privatanklagedelikt zu schließen ist (vgl. erneut die bereits in 13 Os 92, 93/90 wiedergegebene Argumentation der Generalprokuratur)".

Der Oberste Gerichtshof hält - übereinstimmend mit den eben wiedergegebenen Ausführungen des Generalprokurators und entgegen der Rechtsmeinung der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien - an seiner bereits in der Entscheidung vom 14.September 1989, 13 Os 42/89 (= EvBl. 1990/25 = NRsp 1990/9) ausgesprochenen Auffassung fest, daß es zur Wahrung der Frist des § 46 Abs 1 StPO genügt, wenn der Privatankläger innerhalb dieser Frist einen Antrag auf Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen (gegen einen oder mehrere bekannte Tatverdächtige) gestellt hat; eines Antrages auf Einleitung der Voruntersuchung oder eines Strafantrages (im Gerichtshofverfahren) bzw. eines Strafantrages (im bezirksgerichtlichen Verfahren) innerhalb dieser Frist bedarf es hiefür nicht.

Bis zum Inkrafttreten der Änderung des § 46 Abs 1 StPO durch das StPAG 1974 war es herrschende Rechtsprechung (vgl. SSt 1/21; SSt

27/26 = EvBl 1956/206 = RZ 1956, 120; SSt 32/6 = EvBl 1961/327 = JBl.

1961, 639 = RZ 1961, 61; ebenso auch Lohsing-Serini4, 163 f), daß das

"Begehren um strafrechtliche Verfolgung", auf das § 46 Abs 1 StPO (aF) abstellte, im Hinblick auf § 46 Abs 2 StPO auch in einem Antrag auf Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen bestehen kann, die beim Gerichtshof und beim Bezirksgericht sowohl gegen unbekannte als auch gegen bekannte Täter zulässig sind, und daß durch einen solchen Antrag demnach die Frist des § 530 StG "zur Führung der Klage" gewahrt wird. Nunmehr bestimmt § 46 Abs 1 StPO in seinem ersten Satz, daß der zur Privatanklage Berechtigte, bei sonstigem Verlust seines Anklagerechts, binnen sechs Wochen von dem Tag, an dem ihm die strafbare Handlung und ein der Tat hinlänglich Verdächtiger bekannt geworden sind, einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen muß; nach dem zweiten Satz der zitierten Gesetzesstelle kann dieser Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters gerichtet sein. Der Wortlaut des § 46 Abs 2 StPO - demzufolge der Privatankläger berechtigt ist, während der Vorerhebungen und der Voruntersuchung dem Gericht alles an die Hand zu geben, was seine Anklage unterstützen kann, in die Akten Einsicht zu nehmen und zur Geltendmachung seiner Anklage alle Schritte bei Gericht einzuleiten, zu denen sonst der Staatsanwalt berechtigt ist - blieb hingegen unverändert.

In den Erläuterungen zum Strafprozeßanpassungsgesetz 1974 (934 BlgNR 13. GP, 23) wird die Änderung des § 46 Abs 1 StPO damit begründet, daß die Aufhebung des § 530 StG "eine Ergänzung der vorliegenden Bestimmung notwendig" mache. Daß der Gesetzgeber dabei die bis dahin geltende Rechtslage grundlegend ändern (und damit der bisherigen Judikatur zur Frage der fristgerechten Ausübung des Privatanklagerechts den Boden entziehen) wollte, kann indes diesen Erläuterungen nicht entnommen werden.

Fehlt es demnach an konkreten Hinweisen für eine durch die Neufassung des § 46 Abs 1 StPO angestrebte grundlegende Änderung der Rechtslage, so rechtfertigt dies den Schluß, daß § 46 Abs 1 zweiter Satz StPO keine abschließende Regelung enthält, sondern § 46 Abs 1 StPO insgesamt, soweit es die fristgerechte Geltendmachung des Privatanklagerechts betrifft, nach wie vor im Zusammenhalt mit § 46 Abs 2 StPO zu lesen ist, womit aber kein Grund besteht, von der in den zitierten Vorentscheidungen entwickelten und in EvBl 1990/25 aufrecht erhaltenen Rechtsprechung abzugehen (im Sinne der zuletzt angeführten Entscheidung und daher wie hier auch Bertel, Grundriß3, Rz 211 und Platzgummer, Grundzüge3, 49; aM hingegen Foregger-Serini-Kodek, StPO5 Anm IV zu § 46 und Anm III zu § 90). Der Wortlaut des § 46 Abs 1 StPO idgF steht dem nicht entgegen: Wird doch im ersten Satz, bezogen auf die Einhaltung der Sechs-Wochen-Frist, darauf abgestellt, daß "ein Verfolgungsantrag" gegen den (der Tat hinlänglich) Verdächtigen innerhalb dieser Frist gestellt werden muß, um nicht des Anklagerechts verlustig zu werden, während der zweite Satz dahin formuliert ist, daß dieser Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters gerichtet sein kann, und solcherart jedenfalls für die im Abs 2 angeführte (dritte) Möglichkeit eines wirksamen Verfolgungsantrags, nämlich den Antag auf (gerichtliche) Vorerhebungen, Raum läßt.

Der Aufrechterhaltung der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes in der hier aktuellen Frage steht aber auch nicht entgegen, daß das Gesetz nicht ausdrücklich eine vom Gericht unter der Sanktion des § 46 Abs 3 StPO zu setzende Frist für die Stellung eines Bestrafungsantrags nach Abschluß von Vorerhebungen vorsieht. Hat sich doch (auch) diesbezüglich gegenüber der Rechtslage vor dem StPAG 1974 nichts geändert. Sprach aber das Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung hierüber schon seinerzeit nicht gegen die hier vertretene Auffassung (siehe abermals SSt 27/26; SSt 32/6), so gilt dies gleichermaßen auch für die derzeitige Rechtslage (siehe EvBl 1990/25).

Der am 1.August 1991 zur Post gegebene Antrag der Privatanklägerin auf Vornahme (im einzelnen bezeichneter) gerichtlicher Vorerhebungen gegen Thomas B***** und Andreas S***** wegen § 123 StGB war somit ein innerhalb der Frist des § 46 Abs 1 StPO gestellter Verfolgungsantrag gegen die Genannten wegen des bezeichneten Privatanklagedelikts, weshalb der ihn zurückweisende Beschluß der Ratskammer und die diesen Beschluß bestätigende Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes mit dem Gesetz nicht im Einklang stehen.

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