European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E30055
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verweigert.
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über seine Berufung zur Last.
Gründe:
Der Angeklagte Dr. Edmund F* wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 19. November 1991, GZ 22 Vr 974/88‑335, der Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB (A), der Untreue als Bestimmungstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB (B) und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB (C), des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs. 1 Z 2, 161 Abs. 1 StGB (D) sowie des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung als Bestimmungstäter nach §§ 11 zweiter Fall, 33 Abs. 1 FinStrG (E) schuldig erkannt. Er wurde hiefür nach §§ 28 Abs. 1, 147 Abs. 3 StGB zu sechs Jahren Freiheitsstrafe und nach §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1, 33 Abs. 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von vier Millionen Schilling (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Monate) verurteilt. Gemäß § 369 Abs. 1 StPO wurde mehreren Privatbeteiligten Schadloshaltung zuerkannt.
Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte sogleich nach dessen Verkündung „Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, auch hinsichtlich des PB‑Erkenntnisses“ an (S 335/XIV).
Eine Ausführung dieser Rechtsmittel wurde am 28. Jänner 1992 zur Post gegeben.
Der Zeitpunkt der Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Gottfried F*, und damit die Rechtzeitigkeit der Rechtsmittelausführung ist strittig und Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß wies das Landesgericht Feldkirch (Vorsitzender) die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten als verspätet ausgeführt gemäß § 285 a Z 1 StPO zurück.
Die dagegen erhobene Beschwerde des Angeklagten ist unbegründet.
Die für den Verteidiger bestimmte Urteilsausfertigung wurde am 18. Dezember 1991 vom Postamt Feldkirch abgesendet. Nach postamtlicher Auskunft dauert der Übersendungsvorgang im Regelfall maximal zwei Tage und die Zustellung erfolgt danach noch am Tag des Eintreffens der Sendung beim Abgabepostamt, spätestens am nächstfolgenden Arbeitstag (S 611, 679/XIV = ON 378). Nach der Aussage des Postzustellers Gerhard R* des Abgabepostamtes 2500 Baden, der vertretungsweise den Zustellbezirk betreute, in welchem sich die Kanzlei des Verteidigers befindet, habe er vermutlich um den 21. Dezember 1991 den RSa‑Brief (mit der Urteilsausfertigung) in der Kanzlei des Rechtsanwaltes abgegeben. Den Rückschein habe er nicht erhalten. Er sei von einer Sekretärin des Rechtsanwaltes dahin informiert worden, daß Zustellungen in der Kanzlei auf die Art abgewickelt würden, daß der Zusteller die RSa‑Briefe in der Kanzlei abgebe und am nächsten Tag den Rückschein unterschrieben zurückbekomme.
Der Postzusteller Herbert W*, der den Zustellbezirk sonst betreut, bestätigte diese Zustellpraxis. Er gab an, ab dem 2. Jänner 1992 wieder im Rayon Dienst versehen, das gegenständliche Schriftstück aber nicht zugestellt zu haben. Er habe bloß den Rückschein am 14.Jänner 1992 übernommen (S 853/XIV).
Rechtsanwalt Dr. F* gab eine eidesstättige Erklärung dahin ab, daß ihm die Urteilsausfertigung am 14. Jänner 1992 „übergeben“ worden sei. Wer sie ihm übergeben hätte, hat er nicht erklärt.
Die Zustellung der Urteilsausfertigung ist somit nach allen Erkenntnissen des durchgeführten Überprüfungsverfahrens, denen keine sonstigen Erhebungsergebnisse, insbesondere auch nicht die eidesstättige Erklärung des Verteidigers entgegenstehen, um den 21. Dezember 1991, jedenfalls aber vor dem 31. Dezember 1991 (Ende der vertretungsweisen Zustelltätigkeit des Gerhard R*), gemäß § 13 Abs. 4 ZustellG an einen Angestellten des Rechtsanwaltes erfolgt. Die mangelnde Beurkundung dieser Zustellung berührt ihre Gültigkeit nicht (Mayerhofer‑Rieder, Nebenstrafrecht2, Anm. 1 zu § 22 ZustellG). Der Verteidiger hat auch nicht dargetan, daß er etwa bei der Post verlangt hätte, daß an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden dürfe (§ 13 Abs. 4 zweiter Halbsatz ZustellG). Der Umstand, daß sich der Verteidiger zum Zeitpunkt der Zustellung auf Urlaub befand, hinderte die Rechtswirksamkeit der Zustellung gemäß § 13 Abs. 4 ZustellG nicht (vgl. 15 Os 6/88). Es wäre vielmehr Sache des Verteidigers gewesen, für seine Vertretung Sorge zu tragen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde daher vom Vorsitzenden zu Recht zurückgewiesen.
Aber auch dem hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt keine Berechtigung zu.
Die Frist für die Stellung dieses Antrages beträgt vierzehn Tage nach dem Aufhören des Hindernisses (§ 364 Abs. 1 Z 2 StPO). Folgt man den Angaben des Verteidigers, so wäre ihm die Urteilsausfertigung am 14. Jänner 1992 zugekommen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt mußte er aber nach den postamtlichen Vermerken auf der Sendung (vgl. S 677/XIV) und unter Bedacht auf die in seiner Kanzlei geübte Zustellpraxis davon Kenntnis erlangt haben, daß die Zustellung bereits früher erfolgt und die Rechtsmittelausführungsfrist schon im Laufen war. Der erst am 8. Mai 1992 gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist daher verspätet, weil das Hindernis eben am 14. Jänner 1992 aufgehört hatte.
Im übrigen trifft Rechsanwalt Dr. F* wegen der wiederholten Duldung der gesetzwidrigen Deponierung von RSa‑Briefen in seiner Kanzlei ohne Unterfertigung eines Zustellnachweises (§ 22 ZustellG) ein Organisationsverschulden, sodaß auch die Bedingung des § 364 Abs. 1 Z 1 StPO für die Wiedereinsetzung, daß nämlich die Einhaltung der Rechtsmittelausführungsfrist ohne Verschulden des Vertreters unmöglich gemacht worden wäre, nicht erfüllt ist (vgl. RZ 1985/62, 9 Os 81,82/85, 12 Os 58,59/87).
Die Wiedereinsetzung war demnach zu verweigern.
Die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe war zurückzuweisen, weil die Berufungsausführung ‑ ebenso wie die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde ‑ verspätet ist und der Berufungswerber auch in der Anmeldung der Berufung nicht erklärt hat, gegen welche der ausgesprochenen mehreren Strafen sie sich richtet (§ 294 Abs. 2 StPO).
Über die ordnungsgemäß angemeldete Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche hat das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden (§ 285 i StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)