OGH 8Ob516/92 (8Ob517/92)

OGH8Ob516/92 (8Ob517/92)26.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partein 1. L***** K*****, vertreten durch Dr.Hans Michael Simoni, Rechtsanwalt in Wien, und 2. M***** K*****, vertreten durch Dr.Hans Peter Herle, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. B***** K*****, vertreten durch Dr.Alois Leyrer, Rechtsanwalt in Wien, und 2. U***** K*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Emberger und Dr.Karl Schön, Rechtsanwälte in Wien, wegen DM 66.083,44 sA (Erstklägerin) und DM 15.000 sA (Zweitklägerin), infolge der Rekurse der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25.Oktober 1991, GZ 17 R 159/91-71, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11.April 1991, GZ 8 Cg 59/88-59 (32 Cg 102/87), aufgehoben wurde, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Erstklägerin ist die geschiedene Gattin, die Zweitklägerin ist die Tochter von Dr.Ing.G***** K*****. Beide fechten den Schenkungsvertrag zwischen Dr.Ing.G***** K***** und den beiden Beklagten, seinen Söhnen, vom 25.7.1973 im Sinn des § 950 ABGB an.

Die Erstklägerin brachte hiezu vor: Ihre am 18.8.1964 geschlossene Ehe sei 1986 rechtskräftig geschieden worden. Ihr Unterhaltsanspruch sei mit einstweiliger Verfügung in der Höhe von 27 % des monatlichen Nettoeinkommens ihres Gatten für die Zeit bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsprozesses, der noch anhängig sei, festgesetzt worden; der Unterhaltstitel bestehe demnach aufrecht. Am 25.7.1973 habe ihr damaliger Gatte den beiden Beklagten je zur Hälfte eine näher bezeichnete Liegenschaft in S***** geschenkt. Nunmehr entziehe er sich nachhaltig seiner Unterhaltsverpflichtung und alle Exekutionsschritte gegen ihn seien bisher erfolglos geblieben; zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung habe ein Unterhaltsrückstand von DM 133.666,89 ausgehaftet. Die Beklagten seien daher verpflichtet, den Unterhalt aus der geschenkten Sache zu ergänzen.

Die Zweitklägerin brachte vor, die Unterhaltsverpflichtung ihres Vaters ihr gegenüber sei durch rechtskräftige Beschlüsse aus 1980 und 1982 geregelt. Auch sie hätte vergeblich versucht, die Unterhaltsrückstände hereinzubringen. Nunmehr halte sich ihr Vater ständig in Kanada auf; eine Exekutionsführung gegen ihn sei nicht möglich. Durch die Einbeziehung der genannten Liegenschaft hätte sich ihr Anspruch auf monatlichen Unterhalt um DM 147 erhöht; diesen Betrag mache sie für 204 Monate (vom Zeitpunkt der Schenkung 1973 an) geltend.

Die Beklagten beantragten die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, es bestehe weder hinsichtlich der Erst- noch hinsichtlich der Zweitklägerin ein Unterhaltsrückstand und außerdem sei die Schenkung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem beide Klägerinnen noch keinen Unterhaltsanspruch gehabt hätten. Das Klagebegehren sei verfehlt, da es als Anfechtungserklärung zu formulieren sei. § 950 ABGB sei dahin zu verstehen, daß der Unterhaltsanspruch der Höhe nach verkürzt werde; auf die Einbringlichkeit sei nicht abzustellen. Überdies sei Verfristung und Verjährung eingetreten.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab; es erachtete die Rechtssache ohne Sachverhaltsfeststellung als spruchreif: § 950 ABGB regle eine Verkürzung des Unterhalts durch eine Schenkung des Unterhaltspflichtigen. Da für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs in erster Linie das laufende Einkommen maßgeblich und der Stamm des Vermögens im allgemeinen nicht heranzuziehen sei, ergäbe sich durch die Schenkung keine Verkürzung der Klägerinnen. Bestehende Ausnahmen seien von den Klägerinnen ebensowenig behauptet worden wie, ob und welchen Ertrag die Liegenschaft abgeworfen habe bzw aus ihrer Verwertung hätte erzielt werden können. Auf die Frage der Einbringlichkeit sei nicht einzugehen, da sie vom Schutzzweck des § 950 ABGB nicht umfaßt sei.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerinnen Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; zugleich sprach es aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Zur Begründung führte es an: Das Begehren nach § 950 ABGB sei unmittelbar auf Leistung zu richten. In Lehre und Rechtsprechung werde übereinstimmend die Ansicht vertreten, § 950 ABGB solle nicht nur eine Unterhaltsverkürzung der Höhe nach abdecken, sondern auch eine Verhinderung bei der Durchsetzung des Anspruches hintanhalten. Unterschiedliche Lehrmeinungen bestünden nur zur Frage, ob der Anspruch insofern subsidiär sei, als der Unterhaltsberechtigte vor Inanspruchnahme des Beschenkten zunächst alle Exekutionsmöglichkeiten hinsichtlich des Unterhaltspflichtigen auszuschöpfen habe; eine oberstgerichtliche Rechtsprechung hiezu fehle. Das Berufungsgericht trete im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen der §§ 946 ff ABGB für die Subsidiarität des Anspruchs ein. Es werde daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob und welche Unterhaltsrückstände auf Grund der bestehenden Exekutionstitel aufgelaufen seien und ob die Behauptung der Klägerinnen zutreffe, daß sie alle gesetzlichen Mittel ausgeschöpft hätten, um vom Unterhaltspflichtigen die Rückstände im Exekutionsweg hereinzubringen. Lediglich die Erträge des Grundstücks seien in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen; diesbezüglich sei das Vorbringen der Zweitklägerin undeutlich; dies sei im fortgesetzten Verfahren noch klarzustellen. Die von den Klägerinnen begehrte Ergänzung wiederkehrender Unterhaltsleistungen könnten verjährungsrechtlich nicht anders behandelt werden als die Unterhaltsforderung selbst, sodaß mehr als drei Jahre zurückliegende Leistungen als verjährt anzusehen seien.

Gegen diesen Beschluß richten sich zwei Rekurse des Zweitbeklagten, der hinsichtlich der Erst- und der Zweitklägerin jeweils von verschiedenen Verfahrenshelfern vertreten wird; im fortgesetzten Verfahren sollte dafür Sorge getragen werden, daß diese überflüssige Zweigleisigkeit beseitigt wird. In beiden - äußerst dürftigen - Rekursen wird unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht; in dem die Zweitklägerin betreffenden Rekurs wird die Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils begehrt, in dem die Erstklägerin betreffenden Rekurs wird der - sachlich unverständliche - Antrag gestellt, dem Berufungsgericht solle unter Aufhebung des Aufhebungsbeschlusses die sachliche Erledigung über die Berufung aufgetragen werden.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind zwar mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Subsidiarität des Anspruchs nach § 950 ABGB zulässig, aber sachlich nicht berechtigt.

Nach § 950 ABGB kann derjenige, der jemandem den Unterhalt zu reichen schuldig ist, dessen Recht nicht durch Beschenkung eines Dritten verletzen. Der auf solche Art Verkürzte ist befugt, dem Beschenkten um die Ergänzung desjenigen zu belangen, was ihm der Schenkende nun nicht mehr zu leisten vermag.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß es für Ansprüche nach § 950 ABGB unerheblich ist, ob zum Zeitpunkt der Schenkung bereits ein durch richterliche Entscheidung bestimmter Geldunterhalt geschuldet wurde; es genügt, wenn der Kläger grundsätzlich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hatte (Schubert in Rummel ABGB I2 Rz 1 zu § 950 ua). Dies war hier der Fall: Die Erstklägerin lebte damals in aufrechter Ehe mit dem Schenker; die Zweitklägerin war seine minderjährige Tochter.

Aus dem Wortlaut des § 950 ABGB ("daß der Schenkende nicht mehr zu leisten vermag") selbst ergibt sich zwar nicht eindeutig, ob diese Bestimmung nur eine Unterhaltsverkürzung der Höhe nach abdecken soll, oder ob sie auch dann greifen soll, wenn der bestehende Unterhaltsanspruch nicht einbringlich gemacht werden kann. Einheitlich wird in Lehre und Rechtsprechung (Stanzl in Klang2 IV/1 625; Binder in Schwimann ABGB Rz 7 zu § 950 ua; OLG Wien in EFSlg 24.763) die Geltung des § 950 ABGB auch auf die Einbringlichmachung des Anspruchs ausgedehnt. Diese Ansicht ist schon deshalb zutreffend, weil andernfalls dem § 950 ABGB weitgehend sein Anwendungsbereich entzogen würde: die Höhe des Unterhalts berechnet sich ja in der Regel nach dem laufenden Einkommen und den laufenden Erträgen (so auch OGH in 1 Ob 768/76 in einem die Schenkungsanfechtung nach § 950 ABGB betreffenden Fall); der Stamm des Vermögens ist nur ausnahmsweise - wenn das laufende Einkommen und die laufenden Erträge nicht ausreichen - zur Befriedigung von Unterhaltsforderungen heranzuziehen.

Zur Frage der Subsidiarität des Anspruchs (Stanzl aaO und OLG Wien in EFSlg 24.763 meinen, es bedürfe keiner fruchtlosen Exekution gegen den Schenker, Binder hingegen vertritt aaO die Ansicht, es müßten zuvor die dem Geschenkgeber gehörenden Vermögenswerte bis zur Dürftigkeitsgrenze des § 947 verwertet und die zufließenden Einkünfte nach § 6 LPfG gepfändet worden sein), tritt der Oberste Gerichtshof den überzeugenden Ausführungen des Berufungsgerichtes bei. Der Gesamtaspekt der §§ 946 ff ABGB, die schon nach ihrer Überschrift von der grundsätzlichen Unwiderrufbarkeit der Schenkung ausgehen und nur in den folgenden Bestimmungen gewisse, besonders berücksichtigungswürdige Ausnahmen zulassen, spricht für die Subsidiarität der Schenkungsanfechtung. Würde man es dem Unterhaltsberechtigten nämlich freistellen, im Fall der Verletzung der Unterhaltspflicht den Unterhaltspflichtigen oder den Beschenkten in Anspruch zu nehmen, käme diesem die Stellung eines Bürgen und Zahlers zu und dies liefe dem Grundgedanken der lediglich ausnahmsweise gestatteten Schenkungsanfechtung zuwider und führte auch in nichtberücksichtigungswürdigen Fällen zu einer Begünstigung des Unterhaltsberechtigten zu Lasten des Beschenkten. Daß den §§ 946 ff ABGB dieser Grundgedanke innewohnt, ergibt sich - wie das Berufungsgericht ebenfalls bereits zutreffend erkannt hat - aus der inzwischen in die KO und AnfO eingebauten Regelung über die Schenkungsanfechtung durch Gläubiger (ehemaliger § 953 ABGB). Die bloße Erschwerung bei der Hereinbringung von Unterhaltsforderungen beim Schuldner rechtfertigt noch nicht die Inanspruchnahme des Beschenkten; grundsätzlich wird der Unterhaltsberechtigte, soweit ihm dies zumutbar ist, alle gesetzlichen Mittel zur Hereinbringung der Unterhaltsforderung beim Schuldner ausschöpfen müssen. Nach dem unbestrittenen Vorbringen lebt der Schenker seit langem in Kanada und erzielt dort Einkünfte. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren auch darauf Rücksicht zu nehmen sein, inwieweit die Exekutionsführung in dem betreffenden Ausland erfolgversprechend ist (vgl den § 379 Abs 1 Z 2 EO zugrundeliegenden Gedanken). Der Beschenkte wird aber nur in den Fällen sofort in Anspruch genommen werden können, in denen die Exekutionsführung im Ausland gegen den Schenker aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar erscheint; hiebei wird insbesondere, aber nicht nur, auf bestehende Vollstreckungsverträge Bedacht zu nehmen sein (so auch EvBl 1992/42 ua zum gleichartigen Problem nach § 4 Z 1 UVG).

Zutreffend sprach das Berufungsgericht auch aus, daß der Anspruch des Unterhaltspflichtigen sowohl die Ergänzung des Rückstands als auch des zukünftigen Unterhalts umfaßt (Schubert aaO; Binder aaO Rz 3; EFSlg 29.344), daß aber nur die in den letzten drei Jahren vor der Klageführung fällig gewordenen Beträge begehrt werden können, weil die mehr als drei Jahre zurückliegenden wiederkehrenden Leistungen gemäß § 1480 ABGB als verjährt anzusehen sind (Schubert in Rummel ABGB II Rz 1 und 2 zu § 1480; Binder aaO). Hingegen ist der Anspruch auf Schenkungsanfechtung nach § 950 ABGB selbst nicht verjährt. Er unterliegt mangels einer Sonderverjährungsvorschrift der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 Jahren; die Aufzählung des § 1487 ABGB ist nämlich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Schubert in Rummel ABGB II Rz 1 zu § 1487; SZ 45/92) taxativ und einschränkend auszulegen.

Soweit im Rekurs gegen die Zweitklägerin noch geltend gemacht wird, diese habe nicht behauptet, daß die Liegenschaft Erträgnisse abwerfe oder abwerfen könne, hielt das Berufungsgericht das Vorbringen für klarstellungsbedürftig; dieser Ansicht ist nicht entgegenzutreten, zumal es aus den bereits angeführten Gründen jedenfalls zu einer Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache kommen muß.

Der Beschluß ist daher - mit der Klarstellung hinsichtlich der Exekutionsführung im Ausland - voll zu bestätigen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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