OGH 9ObA78/92

OGH9ObA78/9217.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Hölzl und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I***** R*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwältinnen *****, wider die beklagte Partei Dkfm. K***** W*****, Bürozentrum, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 8.374,78 netto sA (im Revisionsverfahren S 2.962,26 netto sA), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Dezember 1991, GZ 32 Ra 124/91-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26.April 1991, GZ 13 Cga 540/90-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin war vom 2.Oktober 1989 bis 15.Juni 1990 beim Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Nach ihrem Dienstvertrag hatte sie Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Ihr monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt S 19.000.

Mit der vorliegenden Klage begehrte sie vorerst die Zahlung ihres Maigehalts in Höhe von S 13.754 netto und einer restlichen Urlaubsentschädigung in Höhe von S 8.354,78 netto sowie die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Nach Überweisung des Maigehalts am 3.August 1990 schränkte die Klägerin das Zahlungsbegehren auf die aushaftende restliche Urlaubsentschädigung in Höhe von

S 8.374,78 (richtig S 8.354,78) netto sA ein. Sie habe lediglich 10 Werktage Urlaub gehabt. Da keine Vereinbarung bestanden habe, den Urlaub in Arbeitstagen zu verbrauchen, habe sie noch Anspruch auf eine Urlaubsentschädigung für 20 Werktage. Am 25.Mai sowie am

28. bis 30.Mai 1990 sei sie wegen Erkrankung ihrer Tochter an Windpocken an der Dienstleistung verhindert gewesen. Sie habe daher einen bereits für 25.Mai 1990 vereinbarten Urlaubstag nicht in Anspruch nehmen können. Für diese Zeit stehe ihr die Entgeltfortzahlung gemäß § 8 Abs 3 AngG zu.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Da in seinem Betrieb die 5-Tage-Woche gegolten habe, sei der Urlaubsanspruch der Klägerin nach Arbeitstagen zu berechnen. Die Klägerin habe in der Zeit vom 13.Februar bis 16.Februar 1990 bereits 4 Werktage "Pflegeurlaub" genommen. Für die neuerliche Pflege der Tochter sei daher nur mehr ein Werktag offen geblieben. Die weitere Abwesenheit der Klägerin sei auf ihren Urlaubsanspruch angerechnet worden, sodaß ihr zu Recht nur ein Entgelt für 12 Urlaubstage auszuzahlen gewesen sei.

In eventu werde eine Gegenforderung von S 2.016,06 brutto einredeweise eingewendet. Der Klägerin sei das Maigehalt 1990 irrtümlich zur Gänze ausgezahlt worden, obwohl sie für 2 Tage keinen Entgeltanspruch gehabt habe. Dies sei ihr bereits mit Schreiben vom 25.Mai 1990 mitgeteilt worden.

Die Klägerin machte hinsichtlich der Gegenforderung geltend, daß ihr das Entgelt für Mai ungeachtet des vorangegangenen Schriftverkehrs ausdrücklich als Gehaltszahlung überwiesen worden sei. Für einen Irrtum des Beklagten bleibe in diesem Zusammenhang kein Raum. Abgesehen davon habe die Klägerin den Betrag jedenfalls gutgläubig verbraucht.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung mit S 8.354,78 netto als zu Recht und die Gegenforderung zur Gänze als nicht zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren mit S 8.354,78 netto sA sowie dem Begehren auf Ausfolgung eines Dienstzeugnisses statt. Das (irrtümliche) Mehrbegehren von S 20,-- sA wies es ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

In der Zeit vom 13.Februar bis 16.Februar 1990 nahm die Klägerin wegen einer Erkrankung ihrer Tochter 4 Werktage als Pflegefreistellung in Anspruch. Am 23.Mai 1990 erkrankte die Tochter an Windpocken. Bereits vorher hatte die Klägerin für den 25. Mai 1990 (Freitag) eine Urlaubsvereinbarung getroffen. Mit Schreiben vom 23.Mai 1990 teilte die Klägerin dem Beklagten unter anderem mit, daß sie gemäß § 8 Abs 3 AngG die ihr zustehende bezahlte Freizeit zur Pflege ihrer kranken Tochter in Anspruch nehme und ersuche, den 25.Mai 1990 als Urlaubstag "wieder gutzuschreiben". Mit Schreiben vom 25.Mai 1990 erwiderte der Beklagte, daß er die Konsumierung des restlichen noch zustehenden "Pflegeurlaubs" für den 25.Mai vormerke, daß der Klägerin aber ein sonstiger Entgeltanspruch nicht zustehe. Am 31.Mai 1990 erkrankte die Klägerin selbst an Windpocken. Insgesamt hatte sie bis zum Ende ihres Dienstverhältnisses - zum Teil in Einzeltagen - 10 Werktage Erholungsurlaub verbraucht. Eine Vereinbarung, den Urlaub nicht nach Werktagen, sondern nach Arbeitstagen zu berechnen, erfolgte nicht.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der restliche Urlaubsanspruch der Klägerin mangels einer besonderen Vereinbarung nach Werktagen zu berechnen sei. Zufolge des Verbrauches von 10 Werktagen als Urlaub stehe der Klägerin daher noch eine Urlaubsentschädigung für 20 Werktage in Höhe von S 8.354,78 zu. Für die Zeit der Pflege ihrer erkrankten Tochter habe die Klägerin gemäß § 16 UrlG noch einen Anspruch auf Pflegefreistellung für den 25. Mai 1990 gehabt. Für die übrige Zeit ihrer Abwesenheit komme die Bestimmung des § 8 Abs 3 AngG zur Anwendung, die einen Entgeltanspruch zugunsten der Klägerin vom 28.Mai bis 30.Mai 1990 begründe. Abgesehen davon sei der Klägerin das Maigehalt 1990 in Kenntnis ihres Rechtsstandpunktes am 4.September 1990 auf ihrem Konto gutgeschrieben worden. Von einem Irrtum des Beklagten bei der Überweisung des Maigehalts könne sohin keine Rede sein. Da die Gegenforderung erst am 28.Jänner 1991 eingewendet worden sei, habe die Klägerin den überwiesenen Betrag inzwischen auch gutgläubig verbraucht.

Das Berufungsgericht hob diese vom Beklagten lediglich im Zuspruch eines Betrages von S 4.861,62 netto sA und im Belange der Gegenforderung angefochtene Entscheidung auf und verwies die Arbeitsrechtssache im noch streitverfangenen Umfang an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen, richtig: daß der Rekurs zulässig sei (§ 519 Abs 2 ZPO). Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß eine einseitige Verrechnung von Tagen der Abwesenheit der Klägerin vom Dienst als Urlaubstage mangels Urlaubsvereinbarung (§ 4 Abs 1 UrlG) nicht in Betracht komme. Soweit ein tageweiser Urlaubsverbrauch vereinbart worden sei, könne es dadurch jedoch nicht zu einer Verlängerung des Urlaubs von 5 Wochen auf 6 Wochen kommen. Die Berechnung des Urlaubsanspruches sei daher nicht auf der Grundlage von Werktagen, sondern von Arbeitstagen vorzunehmen (DRdA 1991/30). Die Arbeitsrechtssache sei diesbezüglich jedoch noch nicht spruchreif, da nicht festgestellt sei, ob die Klägerin verpflichtet gewesen sei, eine 5-Tage-Woche einzuhalten.

Im übrigen könne der Anspruch auf bezahlte Pflegefreistellung sowohl auf die Bestimmung des § 16 UrlG als auch auf § 8 Abs 3 AngG gestützt werden. Ob allerdings die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung des § 8 Abs 3 AngG zutreffen, könne ebenfalls noch nicht beurteilt werden, da nicht jede Erkrankung eines nahen Angehörigen eine Dienstverhinderung bewirke. Der Arbeitnehmer sei nämlich verpflichtet, durch zumutbare anderweitige Vorkehrungen für die Pflege des erkrankten Angehörigen Sorge zu tragen. Bisher fehle es aber an einer Feststellung, daß nur die Klägerin als Pflegeperson in Betracht gekommen wäre. Sollte mangels der Voraussetzungen des § 8 Abs 3 AngG bzw § 16 UrlG kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen, seien auch noch Feststellungen über einen gutgläubigen Verbrauch des von der Klägerin bezogenen Entgelts hinsichtlich zweier Arbeitstage im Mai 1990 zu treffen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs des Beklagten, der die Entscheidung des Berufungsgerichtes nur insoweit bekämpft, "als er den Anspruch auf S 2.962,26 netto (Entgelt für 3 Tage Freizeit) betrifft", mit dem sinngemäßen Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens in diesem Umfang. Hilfsweise werden, soweit die Entscheidung den Anspruch auf Pflegefreistellung betrifft, Aufhebungsanträge gestellt.

Die Klägerin beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, kann die Bestimmung des Urlaubszeitpunktes nicht einseitig durch den Arbeitgeber erfolgen, sondern es bedarf dazu im Sinne des § 4 Abs 1 UrlG einer Urlaubsvereinbarung. Die Behauptung des Rekurswerbers, es sei für die Zeit vom 28. bis 30.Mai 1990 ursprünglich ein Urlaub vereinbart gewesen, entspricht nicht den Feststellungen. Der Beklagte war daher schon aus diesem Grunde nicht berechtigt, diese 3 Tage einseitig und willkürlich vom Urlaubsanspruch der Klägerin abzurechnen. Darauf, ob es überhaupt unzulässig ist, Zeiten der Dienstverhinderung auf den Urlaubsverbrauch anzurechnen (vgl Infas 1990 A 39), kommt es sohin nicht an. Soweit es nämlich strittig geblieben ist, ob für die für die Pflege des Kindes aufgewendete Zeit ein Anspruch auf Pflegefreistellung im Sinne des § 8 Abs 3 AngG besteht, ist dies nur im Rahmen der eingewendeten Gegenforderung beachtlich. Die Klageforderung selbst, die sich nur auf die Zahlung restlicher Urlaubsentschädigung bezieht, ist nämlich zufolge der Anfechtungserklärung und des Rekursvorbringens nicht Gegenstand des Rekursverfahrens. Seine Gegenforderung begründete der Beklagte aber mit der Behauptung, daß er der Klägerin das Maigehalt "irrtümlich" ausgezahlt habe, obwohl ihr für 2 Tage kein Entgeltanspruch zugestanden sei.

Die Klägerin hat dazu vorgebracht, daß diese Zahlung ungeachtet des vorangegangenen Schriftverkehrs ausdrücklich und ohne Irrtum als Gehaltszahlung bezeichnet und erbracht worden sei; sie hat damit implicite ein Anerkenntnis ihrer hinreichend titulierten Forderung behauptet. Nach den Feststellungen nahm die Klägerin die strittigen Tage von vorneherein als Pflegefreistellung im Sinne des § 8 Abs 3 AngG in Anspruch. Der Beklagte erwiderte zwar vorerst, daß die Bestimmung des § 8 Abs 3 AngG nicht anwendbar sei und der Klägerin ein sonstiger Entgeltanspruch nicht zustehe, er überwies in der Folge aber vorbehaltlos das gesamte Maigehalt, das am 4.September 1990 auf dem Konto der Klägerin gutgebucht wurde. Erst in der Tagsatzung vom 28.Jänner 1991 machte er erstmals die "irrtümliche Zahlung" als Gegenforderung geltend.

Voraussetzungen der Rückforderung wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld sind das Fehlen der Verbindlichkeit, auf die sie geleistet wurde, und ein Irrtum des Leistenden über den Bestand der Verbindlichkeit. Da der Grund der Rückforderung bei der allein in Betracht kommenden Kondiktion gemäß § 1431 ABGB sohin im Irrtum des Leistenden gelegen ist (vgl Rummel in Rummel ABGB vor § 1431 Rz 21), schließt § 1432 ABGB die Kondiktion aus, wenn der Zahlende bewußt eine Nichtschuld tilgen wollte. Bestehen bloße Zweifel über den Bestand der Schuld, ist die Rückforderung zwar grundsätzlich zulässig, wenn sich der Mangel des Grundes herausstellt, doch gilt dies dann nicht mehr, wenn die Zahlung aus der Sicht des Empfängers (Rummel in Rummel ABGB2 § 863 Rz 8) dahin verstanden werden durfte, daß die strittige Frage, ob eine Schuld besteht, bereinigt werden sollte. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat dem Beklagten gegenüber Entgeltfortzahlung im Sinne des § 8 Abs 3 AngG für Mai 1990 geltend gemacht. Der Beklagte hat sich zwar vorerst gegen die Anwendung der Bestimmung des § 8 Abs 3 AngG verwahrt, letztlich aber doch zur Gänze gezahlt. In dieser vorbehaltlosen Zahlung auch in bezug auf die begehrte Pflegefreistellung liegt ein schlüssiges Anerkenntnis der Gesamtschuld. Hätte der Beklagte eine Wertung seiner voll erbrachten Gehaltszahlung in diesem Sinne ausschließen wollen, hätte er bei der Überweisung einen entsprechenden Vorbehalt machen müssen (vgl Rummel aaO § 1432 Rz 7; SZ 44/75; SZ 58/95 ua). Auf eine "irrtümliche" Zahlung des Entgelts auch für die 3 (eingewendet jedoch nur 2) Tage der Pflege des Kindes durch die Klägerin kann sich der Beklagte sohin nicht mehr berufen.

Darauf, ob die Klägerin neben der Pflegefreistellung nach § 16 UrlG auch noch einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 Abs 3 AngG hatte (vgl etwa Kuderna, Die Pflegefreistellung, DRdA 1977, 62 ff, 67; W. Schwarz, Probleme des neuen österreichischen Urlaubsrechts, DRdA 1977, 126 ff, 128 f; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 209; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 348; Csebrenyak und andere, ABGB und Arbeitsvertragsrecht 218; Martinek-M. Schwarz-W. Schwarz, AngG7 237 f; Adametz und andere, Kommentar zum Urlaubsgesetz § 18 Erl 2 f; Klein-Martinek, Urlaubsrecht § 18 Erl 2 f; Cerny, Urlaubsrecht5 204 f, 218 ua), kommt es daher hier ebensowenig an wie darauf, ob die Klägerin den Teilbetrag inzwischen gutgläubig verbraucht hat. Die Gegenforderung des Beklagten ist schon aus diesem Grunde unberechtigt.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.

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