OGH 15Os158/91-10

OGH15Os158/91-104.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Lachner, Dr.Kuch und Dr.Hager als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag.Windisch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hildegard H***** und Ing.Josef H***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2, Abs 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ing.Josef H***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 18.September 1991, GZ 8 Vr 376/89-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr.Strasser, und des Verteidigers Dr.Haas, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Ing.Josef H***** sowie der Angeklagten Hildegard H***** und ihres Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben; das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird teils demgemäß, teils gemäß § 290 Abs 1 StPO in den die Angeklagten Hildegard H***** und Josef H***** betreffenden, in den Schuldsprüchen Punkt 1/ und 2/ enthaltenen Aussprüchen, wonach sie (auch) seit 1981 bis Ende 1982 ihre Geschäftsbücher dadurch verfälschten, daß sie Umsatzsteuer-Zahllasten nicht in richtiger Höhe auswiesen, und demnach auch dadurch das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2, Abs 3 letzter Satz StGB begangen haben, und wonach durch die Schmälerung der Befriedigung der Gläubiger die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen geschädigt wurde, somit in der Unterstellung des den beiden Angeklagten zugerechneten Vergehens der fahrlässigen Krida auch unter die Bestimmung des § 159 Abs 3 zweiter Fall StGB, weiters in dem den Angeklagten Josef H***** betreffenden Schuldspruch zu Punkt 3/, soweit dieser die ungerechtfertigte Geltendmachung von Vorsteuer umfaßt, sowie demzufolge auch in den die Angeklagten Hildegard H***** und Josef H***** betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Es werden

a) Hildegard H***** und Josef H***** von der wider sie erhobenen Anklage, seit 1981 bis Ende 1982 in Braunau am Inn die Geschäftsbücher der Baufirma H***** dadurch verfälscht zu haben, daß sie die Umsatzsteuer-Zahllasten nicht in richtiger Höhe auswiesen, und (auch) hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2, Abs 3 letzter Satz StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO sowie

b) Josef H***** von der wider ihn erhobenen Anklage, in der Zeit von 1983 bis 1987 in Braunau am Inn ungerechtfertigt Vorsteuerabzüge (von 162.674,40 S) geltend gemacht und (auch) hiedurch das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB begangen zu haben, gemäß § 214 FinStrG freigesprochen.

Hildegard H***** wird für das ihr nach dem unberührt gebliebenen (bereits im Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 3.Mai 1989, GZ 7 Vr 289/88-46, enthaltenen) Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2, Abs 3 letzter Satz StGB (Tatzeit: 1983 bis 1988) nach § 159 Abs 3 letzter Satz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Monaten verurteilt.

Josef H***** wird für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB und das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2, Abs 3 letzter Satz StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (Tatzeit: 1983 bis 1988) nach §§ 28, 156 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 (sechzehn) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB werden beide Freiheitsstrafen unter Bestimmung einer Probezeit von je drei Jahren bedingt nachgesehen. II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. III. Der Angeklagte Josef H***** wird mit seiner Berufung wegen Strafe auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen. IV. Der Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folge gegeben, die auf § 369 Abs 1 StPO gestützte Verurteilung des Angeklagten Josef H***** zur Zahlung eines Betrages von 1 Million Schilling an die Konkursmasse der Firma H***** aufgehoben und diese Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. V. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Josef H***** auch die durch den erfolglosen Teil seiner Rechtsmittel verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

I. Hildegard H***** und deren Sohn Josef H***** wurden im vorliegenden Strafverfahren im ersten Verfahrensgang (I/ 1/ a/ und b/) des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 3 StGB und (I/ 1/ c/ und d/) der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 sowie Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt (s. ON 29/Bd BII).

Im Schuldspruch wegen fahrlässiger Krida wurde ihnen damals zur Last gelegt, in Braunau am Inn, und zwar Hildegard H***** als Inhaberin und Josef H***** als Geschäftsführer der Baufirma H*****,

(zu I/ 1/ a/) von 1978 bis Ende 1982 als Schuldner mehrerer Gläubiger fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens dadurch herbeigeführt zu haben, da sie einen zu hohen Personalaufwand betrieben, teilweise übertarifliche Gehälter für Angestellte ausbezahlten, übermäßig und leichtsinnig Kredit benutzten, zu hohe Ausgaben für Investitionen tätigten und ohne Eigenkapitalbasis Großbaustellen übernahmen,

(zu I/ 1/ b/) von 1983 bis 1988 als Schuldner mehrerer Gläubiger in fahrlässiger Unkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung ihrer Gläubiger dadurch geschmälert zu haben, daß sie neue Schulden eingingen, alte Schulden bezahlten und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragten,

wobei sie (zu a/ und b/) ihre Geschäftsbücher dadurch verfälschten, daß sie seit 1981 die Umsatzsteuer-Zahllasten nicht in richtiger Höhe auswiesen, und wodurch sie (zu a/ und b/) die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen schädigten.

Hildegard H***** hatte dieses Urteil unangefochten gelassen.

Der dagegen von Josef H***** erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 4.September 1990, GZ 15 Os 83/90-9, teilweise Folge gegeben; teils demgemäß und teils gemäß § 290 Abs 1 StPO wurde das angefochtene Urteil, das sonst unberührt blieb, hinsichtlich beider Angeklagten im Schuldspruch laut Punkt I/ 1/ a/ und im Strafausspruch (nach dem StGB) sowie hinsichtlich des Angeklagten Josef H***** zudem im Schuldspruch laut Punkt I/ 1/ b/ aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im zweiten Verfahrensgang, in dessen Verlauf gegen beide Angeklagten auch eine weitere Anklage wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB erhoben worden war, wurden beide mit dem nunmehr angefochtenen Urteil (1/ und 2/) des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 und Abs 3 StGB, Josef H***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, sowie letzterer überdies (3/) des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Der nunmehrige erstgerichtliche Urteilsspruch lautet:

"Hildegard H***** und Josef H***** sind schuldig, sie haben in Braunau am Inn

1) Hildegard H***** in der Zeit von 1983 bis 1988 als Schuldnerin mehrerer Gläubiger in fahrlässiger Unkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit fahrlässig (zu ergänzen: die) Befriedigung ihrer Gläubiger dadurch geschmälert, daß sie neue Schulden einging, alte Schulden bezahlte und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragte, wobei sie ihre Geschäftsbücher dadurch verfälschte, daß sie seit 1981 die Umsatzsteuer-Zahllasten nicht in richtiger Höhe auswies, wodurch die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen geschädigt wurde,

2) Josef H***** dadurch, daß er als faktischer Geschäftsführer der im Eigentum der Hildegard H***** stehenden Baufirma H***** in Kenntnis deren Zahlungsunfähigkeit gemeinsam mit Hildegard H***** sämtliche unternehmerischen Entscheidungen traf, insbesondere auch gemeinsam mit Hildegard H***** die zu Punkt 1) genannten Handlungen fahrlässig setzte, zur strafbaren Handlung der Hildegard H***** beigetragen,

3) Josef H***** dadurch, daß Rechnungen seines privaten Hausbaus von der Firma H***** bezahlt wurden, geleistete Arbeitsstunden für den privaten Wohnbau nicht verrechnet wurden und ungerechtfertigt Vorsteuerabzüge für Privatrechnungen getätigt wurden, das Vermögen der Firma H***** wirklich verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei durch die Tat ein Schaden in der Höhe von mindenstens S 1,000.000,-- herbeigeführt worden ist".

Von der Anklage, die Zahlungsunfähigkeit der Baufirma H***** in der Zeit von 1978 bis Ende 1982 herbeigeführt zu haben (§ 159 Abs 1 Z 1 StGB), wurden beide Angeklagten und Hildegard H***** überdies von der Anklage wegen betrügerischer Krida gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Während Hildegard H***** und die Staatsanwaltschaft dieses Urteil unbekämpft ließen, ficht es Josef H***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, der nur teilweise Berechtigung zukommt, die aber auch Anlaß für Maßnahmen nach § 290 Abs 1 StPO zugunsten beider Angeklagten bietet.

II. Das Schöffengericht sprach die Angeklagten vom Vorwurf, in der Zeit von 1978 bis Ende 1982 die Zahlungsunfähigkeit der Baufirma H***** herbeigeführt zu haben (§ 159 Abs 1 Z 1 StGB), inhaltlich der Entscheidungsgründe wegen Verjährung frei (wobei es rechtsfehlerhaft die Bestimmung des § 58 Abs 2 StGB nicht beachtete), legte den Angeklagten im Schuldspruchteil des Urteils aber dennoch die Verfälschung der Geschäftsbücher seit 1981 zur Last.

Die Bestimmung des letzten Satzes des § 159 Abs 3 StGB ist eine Deliktsqualifikation (Leukauf-Steininger Kommentar2 ErgH 1982 RN 13 a zu § 159; Kienapfel BT II2 Rz 94 zu § 159), die als solche nur neben einer (zumindest) den gleichen Zeitraum umfassenden Verurteilung wegen eines der Kridatatbestände des § 159 Abs 1 StGB bestehen kann.

Der zwar rechtsirrige, jedoch von der Anklagebehörde unangefochten gelassene Freispruch hat zur Konsequenz, daß der Oberste Gerichtshof gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen die in Rede stehende Qualifikation, bezogen auf das Vergehen nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB, soweit sie den Tatzeitraum 1981 bis Ende 1982 betrifft, aufzuheben und insoweit mit einem Freispruch vorzugehen hatte.

III. Die Mängel- und die Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) des Beschwerdeführers Josef H***** zum Schuldspruch wegen betrügerischer Krida sind nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Denn damit wird, teils unter Wiederholung der vom Erstgericht als nicht glaubwürdig beurteilten Verantwortung des Beschwerdeführers und der Mitangeklagten Hildegard H*****, ausschießlich nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nach wie vor unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft, das unter Bezugnahme auf eine Reihe von Verfahrensergebnissen ohne Übergehen dagegensprechender Umstände ausführlich, logisch und im Einklang mit der Aktenlage, sohin mit mängelfreier Begründung (§§ 258 Abs 2, 270 Abs 2 Z 5 StPO) die Erwägungen darlegte, aus denen es darauf schloß, daß der Beschwerdeführer als faktischer Geschäftsführer des Bauunternehmens seiner Mutter "absichtlich" (gemeint: vorsätzlich) die Befriedigung deren Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen dadurch vereitelte oder schmälerte, daß er Rechnungen, die seinen privaten Hausbau betrafen, im Gesamtbetrag von rund 817.000 S (ohne Mehrwertsteuer) aus den Mitteln des Unternehmens bezahlte und von dessen Arbeitern bei diesem Hausbau Arbeiten im Ausmaß von 711 Stunden im Gegenwert von rund 150.000 S leisten ließ, ohne diese Aufwendungen zu refundieren oder einen Aufrechnungsanspruch (aus behaupteten Provisionen) gegen das Unternehmen gehabt zu haben (US 9 f, 17 bis 22, 24 f).

Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen diese lebensnah getroffenen Urteilskonstatierungen werden in der Beschwerde nicht aufgezeigt.

Zutreffend moniert jedoch der Beschwerdeführer (der Sache nach als Rechtsrüge - Z 9 lit a), daß die ihm als betrügerische Krida angelastete ungerechtfertigte Geltendmachung von Vorsteuerabzügen für Privatrechnungen (gegenüber dem Finanzamt) nicht zu einer Verringerung, sondern zu einer Vermehrung des Vermögensstandes des Bauunternehmens H***** geführt hat. Dies wurde vom Erstgericht - allerdings erst in seiner schriftlichen Urteilsbegründung (US 10, 25) - auch erkannt.

Insoweit ist der Schuldspruch daher rechtsirrig; richtigerweise wäre der Angeklagte Josef H***** diesbezüglich (gemäß § 214 FinStrG) freizusprechen gewesen. Daß der hier maßgebliche Betrag von 162.674,40 S (S 4 der Anklageschrift ON 26/Bd A) die Qualifikationsgrenze des § 156 Abs 2 StGB nicht berührt, was das Schöffengericht in diesem Zusammenhang ins Treffen führt (US 25), ändert nichts an der Notwendigkeit eines Freispruches in bezug auf die dem Angeklagten angelastete gesonderte Tathandlung mit gesondertem Taterfolg.

Diese Geltendmachung ungerechtfertigter Gutschriften in Voranmeldungen zur Umsatzsteuervorauszahlung und damit die Erzielung eines Guthabens oder einer allfälligen Verminderung der Zahllast begründet allerdings das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG. Der unter Anklage gestellte Betrag von 162.674,40 S liegt unter der für die gerichtliche Zuständigkeit maßgebenden Grenze (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG), weshalb mit einem Freispruch gemäß § 214 FinStrG wegen Unzuständigkeit der Gerichte vorzugehen war.

Klargestellt sei in diesem Zusammenhang, daß die Verurteilung des Angeklagten Josef H***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG im ersten Verfahrensgang mit dem Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 3.Mai 1990 (ON 29/Bd B II) die Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für den Zeitraum vom Jänner 1986 bis November 1987 betraf (vgl § 33 Abs 3 lit b FinStrG), während es sich vorliegend um zu Unrecht geltend gemachte Abgabengutschriften für den Zeitraum 1983 bis 1987 handelt (vgl § 33 Abs 3 lit d FinStrG); Tatidentität liegt daher nicht vor.

IV. Zum Schuldspruch wegen fahrlässiger Krida behauptet der Beschwerdeführer zwar, das Urteil sei undeutlich, unvollständig und offenbar unzureichend begründet, unterläßt aber seinerseits eine deutliche und bestimmte Bezeichnung jener Tatumstände, die einen derartigen Begründungsmangel (Z 5) darstellen sollen.

Der Sache nach macht er in diesem Zusammenhang ausschließlich einen Feststellungsmangel (Z 10) geltend; dies jedoch zu Unrecht.

Den Beschwerdeausführungen zuwider setzt eine durch Eingehen neuer Schulden bewirkte Gläubigerbenachteiligung im Sinn des § 159 Abs 1 Z 2 StGB nicht voraus, daß zu den alten Gläubigern neue hinzutreten und mit jenen konkurrieren. Das Tatbild erfaßt vielmehr sämtliche gläubigernachteilige Verhaltensweisen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (Kienapfel BT II2 Rz 42 zu § 159). Selbst wenn daher zur Zeit des Eintretens der Zahlungsunfähigkeit und zur Zeit der Eröffnung des Konkurses - wie in der Beschwerde behauptet wird - die "gleichen Schuldner" (gemeint: dieselben Gläubiger) vorhanden gewesen sein und sich - im Rahmen von "Kontokorrentverhältnissen mit gleichbleibenden Lieferanten" - "nur die offenen Rechnungen geändert" haben sollten, träte keine Änderung an der Tatbildlichkeit ein, es sei denn, daß auch das betragsmäßige Verhältnis der einzelnen Schulden zueinander unverändert bliebe. Die Gläubiger oder auch nur ein einzelner von ihnen werden nicht nur durch eine objektive Verringerung des Befriedigungsfonds (zufolge Hinzutretens neuer Gläubiger) benachteiligt, sondern auch durch die Verschiebung des Verhältnisses der Gläubiger zueinander (Leukauf-Steininger Kommentar2 RN 11 und 12 zu § 159; Liebscher im WK Rz 24 zu § 159).

Daß durch die unkontrollierte Betriebsführung eine solche Verschlechterung der Positionen auch nur eines einzigen Gläubigers nicht eingetreten wäre, wird nicht einmal in der Beschwerde konkret behauptet und geht auch aus den Verfahrensergebnissen nicht hervor, aus denen vielmehr ein kontinuierliches Ansteigen der Gesamtverbindlichkeiten zu entnehmen ist (zusammenfassend im Gutachten des Sachverständigen Z***** in der Hauptverhandlung vom 18.September 1991 S 31/Bd C).

Es bestand deshalb insofern ebensowenig Anlaß zu entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen wie hinsichtlich der Frage des Anwachsens der Höhe der Verbindlichkeiten insgesamt.

Der Schuldspruch des Angeklagten Josef H***** wegen seiner Beteiligung an der fahrlässigen Krida ist somit, auch soweit er sich auf eine durch das Eingehen neuer Schulden bewirkte Gläubigerbenachteiligung stützt, zutreffend.

Im übrigen läßt der Beschwerdeführer aber außer acht, daß das Erstgericht als weitere tatbildliche Bankrotthandlung die Gläubigerbenachteiligung durch Zahlung von Schulden feststellte und für die Erfüllung des alternativen Mischtatbestandes des § 159 Abs 1 Z 2 StGB - ebenso wie jenes des § 159 Abs 1 Z 1 StGB - die Verübung einer der mehreren Bankrotthandlungen genügt (JBl 1987, 798 uvam), sodaß es, weil ein Entfall der Alternative des Eingehens neuer Schulden an der Verurteilung wegen fahrlässiger Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB nichts ändern könnte, an einer Rechtsmittellegitimation des Angeklagten Josef H***** fehlt (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 20, 21 zu § 282).

Den weiteren Beschwerdeausführungen ist zwar einzuräumen, daß die Verpflichtung, den Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, nur den Schuldner und dessen bevollmächtigte Vertreter und/oder die Organe einer Gesellschaft, nicht aber den faktischen Geschäftsführer trifft (Tschulik im WK Rz 23 b zu § 159, Rz 10 c zu § 161) und demgemäß im vorliegenden Fall die Angeklagte Hildegard H***** als Eigentümerin des Unternehmens allein berechtigt und verpflichtet war, rechtzeitig ein derartiges Verfahren zu beantragen.

Indes ist dadurch im vorliegenden Fall für den Angeklagten Josef H***** nichts gewonnen.

Denn der Beschwerdeführer haftet, wie das Schöffengericht zutreffend annahm, als faktischer Geschäftsführer ungeachtet seiner mangelnden Legitimation zur Initiierung eines Insolvenzverfahrens zufolge der ihn wegen des als erwiesen angenommenen (US 2, 16, 23) einverständlichen Handelns mit der Schuldnerin treffenden deliktsspezifischen objektiven Sorgfaltspflicht als Beitragstäter im Sinne des dritten Falles des § 12 StGB auch für die in Rede stehende Unterlassung (JBl 1987, 798) die im Rahmen der "unternehmerischen Entscheidungen" lag, die er sämtliche zusammen mit seiner Mutter traf.

Begründet ist die Beschwerde allerdings mit ihren Einwänden gegen die Annahme der Qualifikation der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 3 zweiter Fall StGB zufolge Schädigung der wirtschaftlichen Existenz vieler Menschen.

Zu dieser Qualifikation enthält das Urteil lediglich die Feststellung, daß das Unternehmen "mitunter bis zu 100 Arbeiter und Angestellte beschäftigte, die durch die Insolvenz des Unternehmens ihren Arbeitsplatz verlieren mußten", sowie daß durch die "Forderungsausfälle" der Gläubiger in Millionenhöhe ebenfalls die "wirtschaftliche Existenz vieler Menschen geschädigt wird" (US 8).

Daraus kann jedoch bereits in objektiver Beziehung weder entnommen werden, daß - wie es diese Qualifikation

erfordert - die unkontrollierte Fortführung des falliten Unternehmens ursächlich für den Verlust von Arbeitsplätzen war und nicht etwa die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit im Sinn des § 159 Abs 1 Z 1 StGB, hinsichtlich derer die Angeklagten - wenngleich rechtlich verfehlt - freigesprochen wurde, noch daß ein Verlust von Arbeitsplätzen tatsächlich zur - nicht nur kurzfristigen - Arbeitslosigkeit vieler Menschen führte und solcherart ebenso wie "Forderungsausfälle" der Gläubiger, die etwa die Einstellung deren Unternehmen oder die Aufgabe deren Erwerbes bewirkt hätten, deren Lebensgrundlagen erheblich beeinträchtigte (Tschulik im WK Rz 28 c zu § 159 StGB).

Ein Feststellungsmangel (Z 10) liegt aber auch in subjektiver Hinsicht vor. Bei dem in Rede stehenden strafsatzerhöhenden Umstand handelt es sich nicht um eine Erfolgs-, sondern um eine Deliktsqualifikation, auf die sich der (wenigstens bedingte) Tätervorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) erstrecken muß, mag es sich auch bei den Grundtatbeständen des § 159 StGB um Fahrlässigkeitsdelikte handeln (Leukauf-Steininger Kommentar2 ErgH 1982 RN 13 a zu § 159, Steininger ÖJZ 1982, 596; aM Kienapfel BT II2 Rz 87 zu § 159, Tschulik im WK Rz 28 a zu § 159).

Feststellungen hiezu fehlen im Urteil und könnten aller Voraussicht nach auch in einem erneuerten Verfahren mit zureichender Begründung nicht getroffen werden. Geschieht doch in der Regel - und so nach allen Umständen des Falles wohl auch hier - die (wenn auch fahrlässige) Fortführung eines zahlungsunfähigen Unternehmens in der Hoffnung auf Überwindung der Zahlungsunfähigkeit und Erhaltung des Unternehmens. Im Durchschnittsfall, von dem sich der gegenständliche insofern nicht unterscheidet, wird zumeist für das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB die Qualifikation nach § 159 Abs 3 zweiter Fall StGB ausscheiden.

Die diese Deliktsqualifikation betreffende, vom Beschwerdeführer eingewendete Urteilsnichtigkeit (Z 10) ist ebenso im rechtskräftigen Schuldspruch der Angeklagten Hildegard H***** (1/) enthalten. Sie war gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen auch zugunsten dieser Angeklagten wahrzunehmen; dies vor allem auch wegen des untrennbaren Zusammenhanges der Schuldsprüche der beiden Angeklagten, der sich unter anderem darin manifestiert, daß sich auch das Erstgericht, wenngleich - wie es selbst erklärt - überflüssigerweise, veranlaßt sah, den Schuldspruch der Hildegard H***** im zweiten Verfahrensgang erneut in den Urteilsspruch aufzunehmen.

Die Qualifikation des § 159 Abs 3 zweiter Fall StGB war somit bei beiden Angeklagten aus deren Schuldsprüchen auszuschalten.

V. Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof bei Hildegard H***** keinen Umstand als erschwerend, bei Josef H***** dagegen das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen sowie seine dominierende Rolle, unter deren Einfluß seine Mutter die ihr angelasteten Taten verübte (§ 33 Z 3 StGB), als mildernd hingegen den vor den strafbaren Handlungen gegebenen ordentlichen Lebenswandel der beiden Angeklagten und bei Hildegard H***** überdies die Tatverübung unter dem Einfluß des sie dominierenden Sohnes (§ 34 Z 4 StGB).

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe erachtete der Oberste Gerichtshof die aus dem Spruch ersichtlichen Freiheitsstrafen als der jeweiligen personalen Täterschuld und dem jeweiligen Unwert der verschuldeten Taten angemessen.

Die Freiheitsstrafen waren - wie schon im erstgerichtlichen Urteil - unter Bestimmung einer Probezeit von je drei Jahren bedingt nachzusehen.

Der Angeklagte Josef H***** war mit seiner Berufung wegen Strafe auf die Strafneubemessung zu verweisen.

VI. Der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Unternehmens H***** hatte sich dem Verfahren gegen den Angeklagten Josef H***** in Ansehung des durch die betrügerische Krida verursachten Schadens mit einem Betrag von 1,157.493,35 S als Privatbeteiligter angeschlossen (ON 33/Bd A).

Der Angeklagte Josef H***** war in den Hauptverhandlungen vom 6. Februar 1991, 17.Juli 1991 und 18.September 1991 (ON 33 und 38/Bd A, ON 44/Bd C) zu den geltend gemachten Ansprüchen nicht gemäß § 365 Abs 2 StPO vernommen worden; auch sein Verteidiger war insoweit nicht zu einer Äußerung aufgefordert worden. Daß sich der Berufungswerber im Rahmen seiner Verantwortung zur Sache äußerte, genügt nicht. Die durch die Vorschrift des § 365 Abs 2 StPO angeordnete Vernehmung des Angeklagten verfolgt nämlich andere Zwecke als die Vernehmung zum strafgerichtlichen Vorwurf, sie dient dem Vorbringen allfälliger zivilrechtlicher Einwendungen, die für den strafrechtlichen Vorwurf ohne Bedeutung sein können (SSt 43/24 = EvBl 1972/339, RZ 1983/9 uam).

Trotz dieser Unterlassung verurteilte das Schöffengericht den Angeklagten Josef H***** zur Zahlung eines Betrages von 1 Million Schilling an "die Konkursmasse der Firma H***** zu Handen des Masseverwalters Dr.Florian L*****, Rechtsanwalt in Braunau" (ohne über das Mehrbegehren von 157.493,35 S abzusprechen).

Zwar wurde der prozessuale Verstoß gegen die Bestimmung des § 365 Abs 2 StPO vom Berufungswerber Josef H***** nicht gerügt, sondern in der Berufungsausführung - hier erstmals - die Behauptung aufgestellt, er habe einen den Zuspruch übersteigenden Regreßanspruch gegen die Konkursmasse aus der Heranziehung von (ersichtlich zu ergänzen: ihm gehörenden) Liegenschaften als "Haftobjekte".

Davon ausgehend, daß der aufgezeigte, das rechtliche Gehör betreffende Verfahrensmangel jedenfalls auch dann wahrzunehmen gewesen wäre, wenn sich der Berufungswerber darauf beschränkt hätte, eine Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche bloß anzumelden, weil diesfalls das Berufungsgericht über jede Beschwer des Berufungswerbers meritorisch zu entscheiden hat (SSt 56/69 = EvBl 1986/43 = RZ 1986/11, EvBl 1981/207), war dieser Mangel zugunsten des das Adhäsionserkenntnis an sich bekämpfenden Berufungswerbers zu berücksichtigen.

Außerdem sind Neuerungen im Berufungsverfahren zulässig (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 20 zu § 366; aM OLG Innsbruck, zitiert bei Mayerhofer-Rieder aaO E 23 a zu § 365 mit ablehnender Anmerkung der Autoren). Die in den bisherigen Ergebnissen des Strafverfahrens nicht enthaltene Behauptung einer mittlerweile eingetretenen Kompensation durch Regreßforderungen - bisher wurde eine Kompensation durch Provisionsforderungen behauptet, was vom Schöffengericht als unglaubwürdig abgelehnt wurde (US 9, 18 ff) - wäre Anlaß zu weiteren nicht einfachen zusätzlichen Erhebungen.

Es kann daher derzeit über die geltend gemachten Ersatzansprüche nicht verläßlich geurteilt werden.

Aus diesem Grund war das Adhäsionserkenntnis aufzuheben und die Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

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