OGH 15Os83/90

OGH15Os83/904.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.September 1990 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mende als Schriftführer in der Strafsache gegen Hildegard H*** und Josef H*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und Z 2, Abs. 3 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef H*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 3.Mai 1990, GZ 7 Vr 289/88-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Haas, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben: teils demgemäß und teils nach § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches sonst unberührt bleibt, hinsichtlich beider Angeklagten im Schuldspruch lt. Pkt. I.1.a und im Strafausspruch nach dem StGB sowie hinsichtlich des Angeklagten Josef H*** zudem im Schuldspruch lt. Pkt. I.1.b aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner gegen den Strafausspruch nach dem StGB gerichteten Berufung wird der Angeklagte Josef H*** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Der gegen den Strafausspruch nach dem FinStrG gerichteten Berufung wird teilweise Folge gegeben: teils demgemäß und teils nach § 295 Abs. 1 StPO werden die über den Angeklagten Josef H*** verhängte Geldstrafe auf 4 (vier) Millionen S und die für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe auf 8 (acht) Monate sowie die für den Fall der Uneinbringlichkeit an die Stelle der über die Mitangeklagte Hildegard H*** verhängten Geldstrafe tretende Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 (vier) Monate herabgesetzt; darüber hinaus wird dieser Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Josef H*** auch die nicht den erfolgreichen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - als Abschnitt II. auch einen Teilfreispruch enthaltenden - angefochtenen Urteil wurden (lt. Abschnitt I.) Hildegard H*** und deren Sohn Josef H***, und zwar erstere als Inhaberin und letzterer als Geschäftsführer der "Baufirma H***", (1.a und b) der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und Z 2, Abs. 3 StGB sowie (1.c und d) der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig erkannt.

Als fahrlässige Krida fällt ihnen zur Last, in Braunau am Inn als Schuldner mehrerer Gläubiger fahrlässig (zu 1.a) von 1978 bis Ende 1982 die Zahlungsunfähigkeit des genannten Einzelunternehmens herbeigeführt zu haben, indem sie einen zu hohen Personalaufwand betrieben, teilweise übertarifliche Gehälter für Familienangehörige auszahlten, übermäßig und leichtsinnig Kredit benutzten, zu hohe Ausgaben für Investionen tätigten und ohne Eigenkapitalbasis Großbaustellen übernahmen, sowie ferner (zu 1.b) von 1983 bis 1988 in fahrlässiger Unkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert zu haben, indem sie neue Schulden eingingen, alte Schulden bezahlten und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragten, wodurch sie (zu 1. a und b) die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen schädigten und wobei sie (gleichfalls zu 1.a und b) ihre Geschäftsbücher dadurch verfälschten, daß sie seit 1981 die Umsatzsteuer-Zahllasten nicht in der richtigen Höhe auswiesen.

Wegen Abgabenhinterziehung wurden sie verurteilt, weil sie ebendort im bewußten und gewollten Zusammenwirken (zu 1.c) von 1981 bis 1985 vorsätzlich unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung der Umsatzsteuer um 10,160.251 S bewirkten, indem sie ihr Erlöse in der Höhe von 54,528.364 S nicht unterwarfen, sowie (zu 1.d) von Jänner bis Dezember 1986 und von Februar bis November 1987 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen um 3,123.501 S bewirkten und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hielten.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef H*** gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

Zum Faktum I.1.a reklamiert der Beschwerdeführer in Ansehung der - dem Tenor aus den Pkten I.1.a und b im Zusammenhang unmißverständlich zu entnehmenden, der (in rechtlicher Hinsicht freilich überprüfungsbedürftigen) Ansicht des Sachverständigen Z*** (in ON 20) indessen zuwiderlaufenden - (rechtlichen) Annahme des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens per 31. Dezember 1982 zutreffend Feststellungsmängel (Z 9 lit. a) der Sache nach darüber, wann die Angeklagten (unabhängig vom Vorliegen einer Überschuldung und über eine bloße Zahlungsstockung hinaus) mangels flüssiger Mittel nicht mehr imstande waren, bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung sämtliche fälligen Verbindlichkeiten binnen angemessener Frist zu begleichen.

Dahingehende - zweckmäßigerweise durch eine Erweiterung der Erkenntnisgrundlage im Weg einer ergänzenden Befassung des Buch-Sachverständigen damit, insbesondere unter Auswertung der im Tatzeitraum anhängig gewesenen Exekutionsverfahren, abzusichernde - Konstatierungen, bei denen es auch einer Bedachtnahme auf die den Angeklagten offen gestandenen Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Kredit, jedoch nur in einem wirtschaftlich noch vertretbaren Ausmaß, bedurft hätte, wären zu einer rechtsrichtigen Ermittlung des in Rede stehenden Zeitpunktes der Deliktsvollendung, nach deren (vom Sachverständigen mit spätestens dem 31.Dezember 1978 angesetztem) Eintritt eine Verwirklichung des Tatbestands nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB nicht mehr in Betracht kommt (vgl. SSt. 51/9 ua), in der Tat unerläßlich gewesen. Im Hinblick auf die dem Schöffengericht insoweit unterlaufene Urteilsnichtigkeit, die von Amts wegen auch zugunsten der Angeklagten Hildegard H*** wahrzunehmen war, bezüglich deren das Urteil in Rechtskraft erwuchs (§ 290 Abs. 1 Satz 2 erster Fall StPO), ist - ohne daß eine Erörterung des weiteren darauf bezogenen Beschwerdevorbringens erforderlich wäre - im davon betroffenen Umfang und demgemäß auch im Strafausspruch nach dem StGB hinsichtlich beider Angeklagten eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich (§ 288 Abs. 2 Z 3 zweiter Satz StPO). Desgleichen rügt der Beschwerdeführer zum Faktum I.1.b mit Recht, daß das Erstgericht über seinen in der Hauptverhandlung am 3. Mai 1990 erneuerten (S 361/II) Antrag auf Vernehmung des Zeugen Hans D*** zum Beweis dafür, daß die Unternehmer-Funktionen von der Angeklagten Hildegard H*** ausgeübt worden seien, wogegen er weisungsgebunden gewesen sei (S 238/II), nicht entschied (Z 4); wurde doch durch jenes Beweisanbot die seiner Verurteilung zu den Fakten I.1.a und b zugrunde liegende Annahme seiner Stellung als "de facto-Geschäftsführer" des Unternehmens und damit seine Subjekt-Qualität als (richtig: Beitrags-) Täter (§§ 12 dritter Fall, 14 Abs. 1 erster Satz StGB) zu der im Einverständnis mit seiner Mutter als unmittelbarer Täterin (§ 12 erster Fall StGB) begangenen fahrlässigen Krida (vgl. Kienapfel BT II2 § 159 RN 32, § 161 RN 8 mwN) in Frage gestellt, sodaß der Vorbehalt der beantragten Beweisaufnahme für das hinsichtlich der Anklage-Fakten 2.a und b ausgeschiedene Verfahren (S 362/II) zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte in bezug auf die hier aktuellen Anklagevorwürfe keineswegs ausreichte.

Der aufgezeigte Verfahrensmangel erfordert auch in Ansehung dieses Schuldspruchs, soweit er den Beschwerdeführer betrifft, die Urteilsaufhebung sowie die Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

Mit Beziehung auf die Fakten I.1.c und d hingegen ist die Beschwerde nicht stichhältig.

Dazu ist der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) zwar einzuräumen, daß dem Angeklagten Josef H*** persönlich als bloßem "de facto-Geschäftsführer" - vorbehaltlich der Frage, ob er als solcher nicht allenfalls auch die steuerlichen Angelegenheiten seiner Mutter wahrnahm (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch Komm. z. FinStrG § 33 P 4) - eine abgabenrechtliche Offenlegungs-, Wahrheits- oder Voranmeldungspflicht nicht oblag.

Die dem Schöffengericht durch seine Verurteilung als unmittelbarer Täter (§ 11 erster Fall FinStrG) in jenem Belang unterlaufene Fehlbeurteilung ist indessen im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der Täterschaftsarten ohne Bedeutung, weil der Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen bei den Abgabenhinterziehungen bewußt und gewollt mit der ihrerseits offenlegungs-, wahrheits- und voranmeldungspflichtigen Erstangeklagten zusammengewirkt hat, indem beide wegen der prekären wirtschaftlichen Lage des Unternehmens übereinkamen, einen Großteil der Schlußrechnungen nicht in die Buchhaltung aufzunehmen, die betreffenden Baustellen als unfertig zu deklarieren und die vereinnahmten Umsatzsteuer-Beträge zur Bezahlung fälliger Schulden zu verwenden sowie solcherart Erlöse im Gesamtbetrag von 54,528.364 S nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen und weitere Rechnungsbeträge in der Höhe von insgesamt 15,617.505 S nicht in die Umsatzsteuer-Voranmeldungen aufzunehmen (US 12, 14), sodaß ihm insoweit rechtsrichtig jedenfalls Beitragstäterschaft (§ 11 dritter Fall FinStrG, § 14 Abs. 1 erster Satz StGB iVm Art. I Abs. 1 StRAnpG) zur Last fällt.

Die darnach finanzstrafgesetzlich maßgebenden Konstatierungen im besonderen aber werden mit den formell-rechtlichen Beschwerdeeinwänden (Z 4, 5, 5 a) gar nicht in Zweifel gezogen. Im zuletzt erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch nach §§ 28, 159 Abs. 3 StGB war der Angeklagte Josef H*** auf den kassatorischen Teil der Beschwerdeentscheidung zu verweisen; im übrigen kommt auch diesem Rechtsmittel, mit dem er generell eine Strafherabsetzung sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, teilweise Berechtigung zu.

Wegen der vom Berufungswerber zu verantwortenden Finanzvergehen mit einem strafbestimmenden Wertbetrag in der Höhe von insgesamt 13,283.752 S verurteilte ihn das Erstgericht nach §§ 21 (Abs. 1 und 2), 22 (Abs. 1), 33 Abs. 5 FinStrG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 7 Mio S, wobei es nach § 20 FinStrG die Dauer der für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretenden Ersatzfreiheitsstrafe mit einem Jahr festsetzte; dabei wertete es das Zusammentreffen mehrerer (richtig: zweier) strafbarer Handlungen und die lange Dauer des Tatzeitraums als erschwerend, seinen bisher untadeligen Lebenwandel jedoch als mildernd.

Zu Recht reklamiert der genannte Angeklagte den mit seiner (gleichwohl nicht strafaufhebenden) Selbstanzeige an das Finanzamt verbundenen Beitrag zur Wahrheitsfindung als zusätzlichen Milderungsgrund. Nach seiner durch das Gewicht der (dahin zu ergänzenden) Strafzumessungsgründe bestimmten tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 23 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG) sowie bei (in erster Instanz unterbliebener) Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 23 Abs. 3 FinStrG) erweist sich in der Tat eine Reduzierung der über ihn verhängten Geldstrafe auf 4 Mio S - sohin auf etwa 15 % der (mit rund 26,6 Mio S gegebenen) zweifachen Höhe des Verkürzungsbetrages (§ 33 Abs. 5 FinStrG) - als gerechtfertigt.

Gleichermaßen ist unter Bedacht auf die potentielle Bandbreite der mit dem gesetzlichen Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr (§ 20 Abs. 2 FinStrG) abzudeckenden Strafbeträge eine Verkürzung der für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle tretenden Ersatzfreiheitsstrafe auf acht Monate angebracht. Dieselbe Erwägung kommt auch der Angeklagten Hildegard H*** zustatten, sodaß die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe, die für den Fall der Uneinbringlichkeit der über sie verhängten Geldstrafe in der Höhe von 2 Mio S mit sechs Monaten festgesetzt wurde, auf vier Monate zu verkürzen war (§ 295 Abs. 1 StPO).

Die Gewährung bedingter Strafnachsicht in Ansehung der über den Berufungswerber verhängten Geldstrafe hingegen wurde vom Schöffengericht angesichts seiner langjährigen Delinquenz und der beträchtlichen Höhe der daraus entstandenen Abgabenverkürzung aus Gründen der Spezial- und der Generalprävention (§ 26 Abs. 1 FinStrG iVm § 43 Abs. 1 StGB) mit Recht abgelehnt; insoweit mußte demnach der Berufung ein Erfolg versagt bleiben.

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