OGH 6Ob536/92 (6Ob537/92)

OGH6Ob536/92 (6Ob537/92)14.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen Erika Ella Marta W*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, infolge Revisionsrekurses des Dr. Franz W*****, Rechtsanwalt in *****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 20. Februar 1992, GZ 22 R 13,14/92-57, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Salzburg vom 29. November 1991, GZ 4 A 516/90-53,54, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erblasserin hinterließ ein formgültiges, am 4. 4. 1990 errichtetes Testament mit folgendem wesentlichen Inhalt:

"Für den Fall meines Ablebens setze ich meine beiden

Enkelinnen .... je zur Hälfte als Erben ein. Sie können über die

Erbschaft jedoch erst nach dem 1. 1. 1998 verfügen. Bis zu diesem

Zeitpunkt bestimme ich meinen Neffen Dr. Franz W***** ... zum

Verwalter des Nachlasses. Bis zum 1. 1. 1998 hat der Verlassenschaftsverwalter lediglich die allenfalls anfallenden Erträgnisse aus der Erbschaft den Erben auszufolgen. Bis zum 1. 1. 1998 verfüge ich ein Belastungs- und Veräußerungsverbot hinsichtlich der im Nachlaß befindlichen Liegenschaften. Meine Tochter Erika schließe ich ausdrücklich als Erbin aus. Sie soll auch den Pflichtteil nicht erhalten. Sie hat mich nach dem Tode meines Mannes durch Versagung jeglichen Beistandes in meiner seelischen Not hilflos allein gelassen, obwohl ich ihre Unterstützung dringend gebraucht hätte. Zudem ist sie deshalb unfähig mich zu beerben, weil sie im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach meinem verstorbenen Mann mich bezichtigt hat, Vermögensstücke beiseite geschafft zu haben und mich dadurch verleumdet hat ..."

Die beiden Enkelinnen, die deutsche Staatsangehörige und volljährig sind, haben auf Grund des Testamentes (zuletzt) unbedingte Erbserklärungen abgegeben und mit ihrer Mutter ein Pflichtteilbedeckungsabkommen, in welchem sie einen Pflichtteilsanspruch ihrer Mutter anerkannten, abgeschlossen. Das Nachlaßvermögen wurde im wesentlichen so aufgeteilt, daß die Erbinnen die erblasserischen Liegenschaften in Kärnten, die erblasserische Tochter hingegen die Liegenschaftsanteile der Erblasserin in Salzburg sowie verschiedene Gelder und Fahrnisse zu übernehmen erklärten.

Mit dem Mantelbeschluß ON 53 legte das Erstgericht der Verlassenschaftsabhandlung das eidesstättige Vermögensbekenntnis vom 7. 10. 1991 zugrunde, nahm das Pflichtteilbedeckungsübereinkommen zur Kenntnis, sah den Testamentserfüllungsausweis als erbracht an und ermächtigte die erblasserische Tochter, über verschiedene Guthaben und Konten frei zu verfügen. Mit der Einantwortungsurkunde ON 54 wurden der Nachlaß den beiden Enkelkindern je zur Hälfte eingeantwortet und nach dem Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung und des Pflichtteilbedeckungsübereinkommens verschiedene grundbücherliche Eintragungen angeordnet.

Rechtlich führte das Erstgericht zum Mantelbeschluß ON 53 aus, die letztwillige Anordnung habe nicht die Bestellung eines Testamentsvollstreckers, sondern eines Vermögensverwalters zum Gegenstand. Das österreichische Recht kenne keine Berufung eines "Abhandlungspflegers" oder Nachlaßverwalters. Es sei daher bereits eine Anordnung, die den Erben ihre Rechte zur Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zugunsten einer anderen Person nehme oder beschränke, unwirksam. Viel weniger noch könne der Erblasser für eigenberechtigte Begünstigte einen Bevollmächtigten für die Zeit nach der Einantwortung ernennen. Dr. Franz W***** sei daher auch nicht befugt, die Entsprechung der letztwilligen Verfügung zu überwachen. Es stehe den beiden Erbinnen frei, die Berechtigung des Pflichtteilsanspruches ihrer Mutter zu beurteilen und zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein Pflichtteilbedeckungsübereinkommen zu schließen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Dr. Franz W*****, der die Aufhebung der erstgerichtlichen Beschlüsse und Durchführung der Abhandlung unter seiner Beiziehung beantragte, keine Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Der Erblasser könne nicht einen Abhandlungspfleger als Vertreter eigenberechtigter Erben ernennen; eine solche Bestellung sei vorweg auch schon vor einem Widerruf durch die Erben wirkungslos. Eine den Erben auferlegte Beschränkung durch Setzen von Bedingungen oder Auflagen sei bloß obligatorischer Natur und berühre die Verfügungsfähigkeit der Erben nicht. Im Zweifel sei jedoch keine Willensbeschränkung, sondern bloß ein unverbindlicher Wunsch des Erblassers anzunehmen. Dem Rekurswerber stünden mangels wirksamer Bestellung auch die Rechte und Pflichten des § 816 ABGB nicht zu.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu den hier zu entscheidenden Fragen eine neuere Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Hat der Erblasser einen Vollzieher (Exekutor) seines letzten Willens bestimmt, so hängt es von dessen Willkür ab, dieses Geschäft auf sich zu nehmen. Hat er es übernommen, so ist er schuldig, entweder als ein Machthaber die Anordnungen des Erblassers selbst zu vollziehen oder den saumseligen Erben zur Vollziehung derselben zu betreiben (§ 816 ABGB).

Der vom Erblasser unmittelbar berufene Testamentsvollstrecker soll dem Willen des Erblassers zum Durchbruch verhelfen, hiezu stehen ihm Antrags- und Rekursrechte zu, soweit das Abhandlungsgericht gegen Anordnungen des Erblassers verstößt (SZ 40/62 ua).

Wie F.Bydlinski in seiner Abhandlung über letztwillige Verwaltungsanordnungen in JBl 1981, 72 unter ausführlicher Darlegung von Rechtsprechung und Lehre ausgeführt hat, umfaßt § 816 ABGB auch den "verwaltenden Testamentsvollstrecker", nämlich jenen, dem der Erblasser nicht nur Überwachungsfunktionen (insbesondere die Erfüllung privatrechtlicher Auflagen durch den Erben), sondern auch Verwaltungsaufgaben übertragen will, die über die Beendigung des Abhandlungsverfahrens hinausreichen, etwa weil der Erblasser für eine bessere Verwaltung sorgen will als er sie vom Erben, dem das Vermögen zufallen soll, erwartet. Die so verfügten Verwaltungs- und Vertretungsrechte eines Testamentsvollstreckers sind jedoch nicht nur durch § 810 ABGB und durch § 145 AußStrG im Verlassenschaftsverfahren dahin beschränkt, daß sie hinter dem Verwaltungs- und Benützungsrecht des erbserklärten und genügend ausgewiesenen Erben zurücktreten (SZ 40/70), der Testamentsvollstrecker sich daher damit begnügen muß, auf den Erben einzuwirken, die Anordnungen des Erblassers zu befolgen. Ein vom Erblasser bestimmter Machthaber ist nur dessen Machthaber, nicht jener des Erben. Es steht ihm daher keine Befugnis zur persönlichen Vertretung des Erben zu, wenn dieser die vom Erblasser erteilte Vollmacht widerruft oder ihm keine eigene Verwaltungsvollmacht erteilt oder eigene konkurrierende Verwaltungshandlungen setzt (Bydlinski aaO; Welser in Rummel ABGB2 Rz 13 zu § 816 mwN). Der Erblasser hat somit nur die Möglichkeit, durch entsprechende Verfügungen, insbesondere durch auflösende Bedingungen oder Auflagen, den Erben zu veranlassen, dem vom Erblasser gewünschten Nachlaßverwalter Vollmacht zu erteilen, um eine Verwirkung des Nachlasses zu vermeiden. Es entspricht allerdings einhelliger Lehre und Rechtsprechung, daß im Zweifel, d. h. wenn die Anordnung des Erblassers nicht völlig eindeutig und zweifelsfrei eine Bedingung oder Auflage mit der Wirkung einer Resolutivbedingung darstellt, eine solche den Erben stark belastende Auslegung abzulehnen ist. Im Zweifel kann ein Wille des Erblassers nicht angenommen werden, daß der Erbe den Nachlaß verlieren solle, wenn er gegen die Verwaltungsanordnungen des Erblassers verstoße (Bydlinski aaO mwN).

Die hier zu beurteilende letztwillige Verfügung enthält über die Anordnung einer Verwaltung des Nachlasses durch den Rekurswerber, der Rechtsanwalt ist, bis zu einem Stichtag hinaus - sie sollte nach dem eigenen Vorbringen des Rekurswerbers dem Schutz der noch jungen und unerfahrenen Enkelkinder und der Verhinderung der Einflußnahme von deren Mutter dienen - nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß es der Wille der Erblasserin war, die eingesetzten Erbinnen sollten für den Fall der Nichtbefolgung ihrer Anordnungen der Erbschaft verlustig gehen. Dies um so weniger, als in einem solchen Fall bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge die Tochter der Erblasserin die nächstberufene Erbin gewesen wäre; gerade dies aber wollte die Erblasserin vermeiden.

Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, daß die getroffene Verwaltungsanordnung durch den vom Erblasser bestimmten Machthaber nicht durchsetzbar und das Verlassenschaftsverfahren daher ohne dessen Beteiligung nur mit den erbserklärten Erben durchzuführen und zu beenden war.

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