Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben, der Strafausspruch des angefochtenen Urteils aufgehoben und an Stelle einer Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 37 StGB eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen a S 60, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen verhängt.
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird der Vollzug der verhängten Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 24.Juli 1947 geborene Franz B***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 3.Jänner und 13.Februar 1989 in Waidhofen an der Thaya als für die Gewährung von Schulfahrtbeihilfen und zur Entgegennahme von (darauf gerichteten) Anträgen zuständiger Sachbearbeiter des Finanzamtes Waidhofen an der Thaya, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich in ihrem Recht auf Abweisung verspätet eingebrachter Anträge zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er einen von Herta S***** für ihren Sohn Michael K***** für das Schuljahr 1987/88 verspätet am 3. Jänner 1989 eingebrachten Antrag auf Gewährung von Schulfahrtbeihilfe mit dem Eingangsdatum 31.Dezember 1988 versah und am 13.Februar 1989 dessen stattgebende Erledigung als Approbant genehmigte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil, dessen freisprechender Teil in Rechtskraft erwuchs, richtet sich die auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten.
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung (S 435) gestellten Antrages auf Beischaffung der die Monate Dezember 1988 und Jänner 1989 betreffenden Dienstliste des Landespflegeheimes Waidhofen an der Thaya zum Nachweis dafür, daß die Zeugin Herta S***** im Zusammenhang mit dem von ihr am 2.1.1989 angeblich verrichteten Dienst einem Irrtum unterlegen sei, sodaß von diesem, vermeintlich einzigen datumsmäßigen Anhaltspunkt für die chronologische Rekonstruktion ausgehend, auch ihre Behauptung, den gegenständlichen Antrag am 3.1.1989 eingebracht zu haben, unrichtig sei.
Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor.
Abgesehen davon, daß der Dienst der Zeugin S***** am 2.1.1989 - wie sich aus ihren Depositionen über ihre Frei- bzw Dienstzeit in der Zeit zwischen 31.12.1988 und 3.1.1989 (S 377 = 385, 433 ff) ergibt - nicht als einziger Anhaltspunkt für die zeitliche Zuordnung der Überreichung des gegenständlichen Antrages an den Angeklagten zum 3.1.1989 angesehen werden kann und die Zeugin durchgehend konform die hiefür maßgebenden Umstände darlegte, läuft die auf eine nur vorsorgliche Sondierung potentieller Beweisquellen ausgerichtete Beschwerdebehauptung ("anhand dieser Aufzeichnungen hätte sich die Richtigkeit der Erinnerung der Zeugin S***** und insbesondere die Richtigkeit bzw die Unrichtigkeit der zeitlichen Einordnung feststellen lassen") auf einen bloßen Erkundungsbeweis hinaus, dessen Aufnahme vom Erstgericht ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten abgelehnt werden konnte.
Der mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) verbundenen Mängelrüge (Z 5) ist zu entgegnen, daß der behauptete Widerspruch in den Angaben der Zeugin S***** in Wahrheit nicht vorliegt. Die Zeugin deponierte zwar zunächst, während der Dienstzeit "sicher nicht" das Finanzamt aufgesucht zu haben, führte sodann in unmittelbarem Zusammenhang damit (nur scheinbar widersprüchlich - S 435) aus, sie hätte die Erlaubnis erhalten, den Antrag am 3.1.1989 während der Dienstzeit beim Finanzamt abzugeben, brachte jedoch schließlich in Verbindung mit ihrer weiteren Aussage, das Finanzamt an diesem Tag schon nach 07,30 Uhr aufgesucht zu haben, ersichtlich bloß zum Ausdruck, daß sie ihren Dienst zu diesem Zweck nicht unterbrach, sondern bereits vor dessen Antritt beim Angeklagten vorsprach.
Demnach werden weder entscheidende Verfahrensergebnisse, die die vermeintlich unvollständigen Urteilsgründe übergangen hätten, aufzeigt, noch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erweckt.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen vermißt, wonach der Angeklagte "befugt war, Eingaben mit Einlaufstempeln zu versehen" und er bei Approbation des Erledigungsentwurfes seine Befugnis wissentlich mißbrauchte, erweist sie sich mangels Orientierung am (diese Konstatierungen ausdrücklich beinhaltenden) Urteilssachverhalt (S 449) als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.
Dem weiteren Einwand, der Staat sei durch die inkriminierte Vorgangsweise mit Rücksicht darauf, daß es der Zeugin Herta S***** freigestanden wäre, gemäß § 308 BAO "zweifellos mit Erfolg" die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fallfrist des § 30 e FLAG zu beantragen, gar nicht geschädigt worden, ist entgegenzuhalten:
Als ein (für die Tatbeurteilung nach § 302 Abs. 1 StGB ausreichender) Schaden an einem konkreten öffentlichen Recht ist die Vereitelung einer bestimmten in der Rechtsordnung festgelegten staatlichen Maßnahme zu verstehen, wenn damit jener Zweck beeinträchtigt wird, den der Staat mit der Erlassung der dieser Maßnahme zugrundeliegenden Vorschrift erreichen will (Leukauf-Steininger Komm3 § 302 StGB RN 37). Diese Voraussetzung trifft auch auf die Vereitelung konkreter in Verfahrensbestimmungen verankerter Rechte zu, so auf das staatliche Recht auf Präklusion verspäteter Anträge; auf die materielle Richtigkeit der Erledigung (in Ansehung des Grundanspruches) kommt es nicht an (vgl SSt 57/75; 41/56 und, bezüglich teils verspätet eingebrachter und rückdatierter Freibetragsanträge: SSt 51/32).
Das vom Erstgericht festgestellte, auf Fingierung der Rechtzeitigkeit der Antragseinbringung ausgerichtete Verhalten des Angeklagten verwirklichte daher das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt. Ob im Falle rechtmäßigen Handelns des Angeklagten gegen die Versäumung der Einbringungsfrist der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Erfolgsaussicht hätte ergriffen werden können, kann vorliegend außer Betracht bleiben, weil sich der Angeklagte im erstinstanzlichen Verfahren in dieser Richtung nicht verantwortet und (die Antragstellerin) Herta S***** ein unverschuldetes Versäumnis gar nicht behauptet hat (S 433 ff).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 302 Abs. 1 StGB eine gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von neun Monaten, wobei es keinen Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand wertete, daß Herta S***** (grundsätzlich) anspruchsberechtigt war und die Frist nur um wenige Stunden versäumte.
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat zwar die Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend angeführt, bei der konkreten Sachkonstellation jedoch dem geringen Gewicht der Täterschuld und des verwirklichten Tatunrechts viel zu wenig (mildernde) Bedeutung beigemessen.
Unter Berücksichtigung des hier atypischen tatauslösenden Beweggrundes (falsch verstandenes Fürsorgeanliegen für säumige Antragstellerin) bedarf es im vorliegenden Fall weder aus spezial- noch aus generalpräventiver Sicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe (von mehr als sechs Monaten), vielmehr war in Stattgebung der Strafberufung des Angeklagten in Anwendung des § 37 StGB strafzweckorientiert originär und unmittelbar (vgl 14 Os 60/91 = Jus Extra (1991) OGH SZ 745 = NRsp 1991/252) eine nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten (vgl dessen Angaben im Gerichtstag vom 8.5.1992) bemessene Geldstrafe zu verhängen. Diese konnte überdies angesichts der außergewöhnlich gelagerten Begleitumstände der Tat ohne Nachteil für den Strafzweck bedingt nachgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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