OGH 4Ob35/92

OGH4Ob35/927.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf B*****, vertreten durch Dr.Thomas Prader und Dr.Werner Goeritz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei V***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Andreas Mirecki, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Widerrufsveröffentlichung (Streitwert insgesamt S 500.000; Revisionsinteresse S 150.000) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25.November 1991, GZ 14 R 164/91-18, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.Mai 1991, GZ 14 Cg 220/90-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung - unter Einschluß des als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibenden Ausspruches über das Unterlassungsbegehren (Punkt 1) - insgesamt zu lauten hat wie folgt:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, unrichtige und/oder herabsetzende Äußerungen über den Kläger, insbesondere die Äußerung, der Kläger habe im Namen einer anderen Personen einen Leserbrief an eine Wochenzeitschrift verfaßt und ihn mit deren Namenszug unterfertigt, um ihr zu schaden, zu unterlassen;

2. die beklagte Partei ist weiters schuldig, binnen 14 Tagen die unter Punkt 1. genannten Äußerungen gegenüber den Lesern der periodischen Druckschrift "D***** Blatt" zu widerrufen;

3. die beklagte Partei ist ferner schuldig, binnen 14 Tagen den Widerruf gemäß Punkt 2. in der periodischen Druckschrift "D***** Blatt" zu veröffentlichen;

4. die beklagte Partei ist außerdem schuldig, dem Kläger die mit

S 128.140,40 bestimmten Kosten aller drei Instanzen (darin S 17.143,40 Umsatzsteuer und S 25.280 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger Rudolf B***** verfaßte als Mitarbeiter der "Überparteilichen Bürgerinitiative Müllverbrennungsanlage Flötzersteig" ein an Haushalte in Wien 16. versendetes Flugblatt, in welchem er über Mißstände bei dieser Anlage sowie über die Möglichkeit einer umweltfreundlichen Lösung des Müllproblems informierte und um Unterstützungsunterschriften warb. Daraufhin schrieb Christa S***** dem Kläger am 18.7.1989 einen ausführlichen Brief, in dem sie den Forderungen der Bürgerinitiative entgegentrat; als Anschrift gab sie dabei - was sie weder früher noch später jemals getan hatte - ihre Arbeitsstätte "1070 Wien, N*****gasse 1" an.

In der Wochenzeitung "D*****" vom 14.12.1989 wurde ein mit "C. S*****" unterfertigter Leserbrief veröffentlicht, der sich gegen die Müllverbrennungsanlage wandte. Die Unterschrift "C. S*****" war gefälscht; sie stammte weder von Christa S***** noch vom Kläger. Auf Anzeige von Christa S***** vom 29.3.1990 wurde zunächst gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung eingeleitet, dann aber auf Grund des Gutachtens eines Schriftsachverständigen eingestellt. In der Ausgabe Nr. 1/1990 der Druckschrift "D***** Blatt Ottakring", deren Medieninhaberin die Beklagte ist, erschien ein Artikel von Harald St***** unter der Überschrift "Tricky B*****". Darin hieß es:

"Herr B***** - der Öffentlichkeit bislang unbekannt - ist ein trickreicher älterer Herr, dessen ganze Energien im messianischen Kampf gegen die Müllverbrennungsanlage Flötzersteig aufgehen. In der Hitze des Gefechts dürfte ihm jedoch dabei ein folgenreicher Fehler passiert sein. Anläßlich einer seiner vielen Schnorraktionen erhielt der MVA-Bekämpfer eine Menge Briefe. Darunter auch den drei Seiten langen einer Empfängerin seiner Pamphlete, die alles andere als Herrn B.'s Meinung war. Umso erstaunter war die betreffende Dame, als sie einen bitterbösen, manch' Spitzenpolitiker beschimpfenden Leserbrief in einer Wochenzeitschrift unter ihrem Namen abgedruckt fand. Die Leserbriefredaktion sandte ihr den - angeblich von ihr stammenden - Brief zu. Die Unterschrift sah der ihren zwar sehr ähnlich, doch hatte 'tricky B*****' einen entscheidenden Fehler begangen: der getürkte Leserbrief trug nämlich nicht ihre Privat-, sondern ihre Büroadresse. Die hatte sie auch auf ihrem Schreiben an B***** angegeben. Für die solcherart mißbrauchte Dame ist der Fall daher klar: Herr B. hat offenbar 'zur Strafe' für ihren geharnischten Brief an ihn, den Leserbrief in ihrem Namen verfaßt, um ihr zu schaden.

Die engagierte Ottakringerin wollte es dabei jedoch nicht bewenden lassen und erstattete Strafanzeige gegen 'tricky B*****' wegen Urkundenfälschung, Kreditschädigung und Rufschädigung. Sie fordert die vollständige Wiederherstellung ihrer Integrität. Das letzte Wort haben nunmehr die Gerichte."

Das auf Betreiben des Klägers gegen die Beklagte und Harald St***** durchgeführte medienrechtliche Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien endete mit folgendem Vergleich vom 11.12.1990:

"1.) Der Beschuldigte Harald St***** und die Antragsgegnerin V***** GmbH, letztere durch ihren Vertreter RA Dr.Andreas Mirecki, verpflichten sich zur ungeteilten Hand zu nachstehender Veröffentlichung

a) Text:

'Tricky B*****'

Unter dem Titel 'Tricky B*****' berichteten wir in der Ausgabe Nummer 1/90 über den Leserbrief einer Dame an eine Wochenzeitschrift und äußerten den Verdacht, Herr Rudolf B***** habe in der Hitze des Kampfes gegen die Müllverbrennungsanlage Flötzersteig diesen Leserbrief gefälscht.

Wir erklären dazu, daß eine in diesem Zusammenhang an die Staatsanwaltschaft Wien gegen Herrn B***** erstattete Anzeige von dieser Behörde zurückgelegt wurde. Wir können daher den seinerzeit erhobenen Vorwurf gegen Herrn B***** nicht aufrecht erhalten.

b) Form und Zeitpunkt der Veröffentlichung:

Diese Veröffentlichung hat in der Form des inkriminierten Artikels auf der Seite 3 der Nummer 1/90 'D***** Blatt-Ottakring' zu erscheinen, mit dem selben Rand, demselben Foto, der Überschrift 'Tricky B*****', Druck wie im Bezugsartikel und der übrige Text in dem seinerzeit verwendeten Druck. Die Veröffentlichung hat in der Ausgabe der genannten periodischen Druckschrift vom Februar 1991 zu erscheinen.

.........".

Auf Grund dieses Vergleiches veröffentlichte die Beklagte in der Ausgabe Nr. 1/1991 des "W***** Blattes-Ottakring" unter der Überschrift "Entgegnung" den im Vergleich vorgesehenen Text.

Harald St***** hatte vor der Veröffentlichung seines Artikels weder mit Christa S***** noch mit dem Kläger gesprochen.

Mit der Behauptung, daß die gegen ihn im Artikel "Tricky B*****" erhobenen Vorwürfe unwahr und geeignet seien, ihn in seinem Kredit, Erwerb und Fortkommen zu gefährden, begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen

1. unrichtige und/oder herabsetzende Äußerungen über den Kläger, insbesondere die Äußerung, der Kläger habe im Namen einer anderen Person einen Leserbrief an eine Wochenzeitschrift verfaßt und ihn mit deren Namenszug unterfertigt, um ihr zu schaden, zu unterlassen;

2. die unter Punkt 1. genannten Äußerungen gegenüber den Lesern der periodischen Druckschrift "D***** Blatt" zu widerrufen;

3. den Widerruf gemäß Punkt 2. in der periodischen Druckschrift "D***** Blatt" zu veröffentlichen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Widerrufsanspruch - welcher im Revisionsverfahren allein noch von Bedeutung ist - sei bereits durch die Entgegnung auf Grund des im medienrechtlichen Verfahren abgeschlossenen Vergleiches erfüllt.

Der Erstrichter gab dem Unterlassungsbegehren statt und wies das Begehren auf Widerruf und dessen Veröffentlichung ab. Der Kläger sei in seinem wirtschaftlichen Ruf geschädigt worden. Das rechtfertige aber nur den Unterlassungsanspruch; der Widerrufsanspruch sei hingegen durch die Erfüllung des Vergleiches im medienrechtlichen Verfahren erloschen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ein von der beklagten Partei bereits vorgenommener Widerruf sei darauf zu überprüfen, ob er nach seinem Inhalt für den durchschnittlichen Leser geeignet ist, den seinerzeitigen Vorwurf als unwahr zurückzunehmen. Die von der Beklagten veröffentlichte "Entgegnung" enthalte die Rücknahme des Vorwurfs, daß der Kläger einen Leserbrief gefälscht habe; der Hinweis auf die Einstellung des gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens als Grund für die Entgegnung vermöge der Widerrufserklärung die vorgenannte Eignung nicht zu entziehen. Der Unterlassungsanspruch sei hingegen mit Recht bejaht worden.

Gegen den die Klageabweisung bestätigenden Teil dieses Urteils wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen im abweisenden Teil dahin abzuändern, daß der Klage zur Gänze stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht übereinstimmt; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten veröffentlichte, als unwahr erwiesene Behauptung, der Kläger habe die Unterschrift unter einem Leserbrief gefälscht, ist zweifellos geeignet, den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen des Klägers zu gefährden; der Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB ist demnach verwirklicht. Der Kläger kann daher den Widerruf und dessen Veröffentlichung verlangen (§ 1330 Abs 2 Satz 2 ABGB). Die von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung neuerlich aufgeworfene Frage der Wiederholungsgefahr hat nur für den hier bereits rechtskräftig bejahten Unterlassungsanspruch, nicht aber für den Anspruch auf Widerruf und Widerrufsveröffentlichung Bedeutung, liegt doch der offenkundige Zweck des Widerrufs darin, die durch eine herabsetzende Äußerung bereits eingetretene Gefährdung nachträglich zu beseitigen (vgl SZ 52/81 ua zu § 7 UWG) oder bereits eingetretenen Schaden wieder gutzumachen (vgl SZ 18/45; EvBl 1957/188 zu § 7 UWG); dieser Anspruch hängt daher nicht von der Gefahr ab, daß der Beklagte die kreditschädigende Äußerung wiederholen werde.

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Widerruf in gleich wirksamer Form wie die beanstandete Tatsachenbehauptung zu geschehen (SZ 50/111); dabei sind die in der Klage beanstandeten kreditschädigenden Mitteilungen ausdrücklich als unwahr zu bezeichnen und ihnen der in der Klage behauptete Sachverhalt als richtig gegenüberzustellen (EvBl 1957/188; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 22 zu § 1330). Der Täter ist verpflichtet, die von ihm abgegebene oder - wie hier von der Beklagten - verbreitete Erklärung zu widerrufen und auf diese Weise zur Kenntnis zu bringen, daß die seinerzeitige Äußerung unrichtig war (ÖBl 1974, 111; ÖBl 1981, 45).

Dem Kläger ist darin beizupflichten, daß die auf Grund des im Strafverfahren geschlossenen Vergleiches veröffentlichte Entgegnung diesen Anforderungen an einen Widerruf nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht genügt. Die Mitteilung, daß die Beklagte den seinerzeit gegen den Kläger erhobenen Vorwurf deshalb nicht aufrecht erhalten könne, weil die entsprechende Anzeige gegen den Kläger von der Staatsanwaltschaft Wien zurückgelegt worden sei, besagt nur, daß sich die Beklagte nicht in der Lage sieht, ihre frühere Behauptung zu beweisen. Das ist aber viel weniger als die - nach dem Gesagten von der Beklagten

abzugebende - Erklärung, daß ihre Behauptung unrichtig war und in Wahrheit der Kläger nichts mit einer Unterschriftenfälschung im Zusammenhang mit dem Leserbrief einer angeblichen "Christa S*****" zu tun hat. Auf Grund der von der Beklagten veröffentlichten "Entgegnung" besteht keine Gewähr, daß nicht zumindest ein Teil der Leser weiterhin der beanstandeten Mitteilung Glauben schenkt und meint, das Strafverfahren sei nur im Hinblick auf den Grundsatz, daß im Zweifel die Unschuld des Verdächtigten anzunehmen sei, eingestellt worden.

Die Beklagte hat demnach den Anspruch des Klägers auf Widerruf der unwahren Behauptung gegenüber den Lesern ihrer Druckschrift und auf dessen Veröffentlichung noch nicht erfüllt.

Aus diesen Erwägungen waren in Stattgebung der Revision die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die Beklagte auch zum Widerruf und zu dessen Veröffentlichung verurteilt wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf dieselbe Gesetzesstelle in Verbindung mit § 50 ZPO.

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