OGH 11Os11/92-9

OGH11Os11/92-924.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Friedrich, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kohout als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christoph B***** und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Christoph B***** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wels vom 11.Dezember 1991, GZ 11 Vr 389/91-58, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Kuprian, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Christoph B***** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) der am 3.November 1968 geborene Christoph B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (gemeint: erster Satz) zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 7.April 1991 in Bad Ischl im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem (rechtskräftig mitverurteilten) Josef S***** durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe, indem er mit einer Motorradhaube maskiert mit dem Kolben eines ihm von Josef S***** vor der Tatausführung übergebenen Militärkarabiners die Verandatüre zur Wohnung des Richard R***** einschlug, die Waffe drohend gegen den Wohnungsinhaber richtete und den Karabiner mehrmals repetierte, während Josef S***** vor dem Haus Aufpasserdienste leistete, dem Richard R***** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung eine Geldbörse mit 700 S Bargeld weggenommen.

Die Geschwornen bejahten die anklagekonforme Hauptfrage nach schwerem Raub stimmeneinhellig und ließen dementsprechend die Eventualfrage nach Begehung der Raubtat im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs. 1 StGB) als einzige weitere den Angeklagten B***** betreffende Frage unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte Christoph B***** bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 6, 10 a, 11 lit. b und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch mit Berufung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund behauptete Verletzung der Vorschrift des § 313 StPO, die in der Nichtaufnahme einer Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB (vor der ohnehin gestellten Eventualfrage in Richtung § 287 Abs. 1 StGB) erblickt wird, liegt der Beschwerdeauffassung zuwider nicht vor. Gemäß § 313 StPO setzt eine Zusatzfrage nach einem Strafausschließungs-(oder Strafaufhebungs-)Grund (im weiteren Sinn) voraus, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen (oder aufheben) würden. Aus dieser Sicht wird einem auf volle Berauschung des Täters zur Tatzeit hindeutenden Vorbringen zwar tatsächlich richtigerweise nur eine dem Drei-Fragen-Schema (anklagekonforme Hauptfrage, Zusatzfrage in Richtung § 11 StGB, Eventualfrage nach § 287 StGB) entsprechende Fragestellung vorbehaltslos gerecht, weil eine Tatbeurteilung nach § 287 StGB denkfolgerichtig die Annahme einer Tatbegehung in einem die Kriterien der Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB erfüllenden Zustand und damit die Bejahung einer hierauf abstellenden Zusatzfrage voraussetzt (ua Mayerhofer-Rieder3 EGr 73 zu § 314 StPO; 15 Os 80/89; 13 Os 53/90). Eine davon abweichende - wie vorliegend am "zwei-Fragen-Schema" (Hauptfrage und Eventualfrage in Richtung § 287 StGB) orientierte - Fragestellung führt allerdings nicht unter allen Umständen zur Anfechtbarkeit nach § 345 Abs. 1 Z 6 StPO. Besteht nämlich kein Anhaltspunkt dafür, daß der Angeklagte den Zustand voller Berauschung unverschuldet (sohin nicht einmal fahrlässig) herbeigeführt hat, dann ist den Geschwornen auch durch die dem Zwei-Fragen-Schema folgende (bloße) Eventualfrage nach § 287 StGB der unabdingbare Freiraum dafür eröffnet, das die Möglichkeit einer Volltrunkenheit zur Tatzeit indizierende Vorbringen zu prüfen und eine entsprechende Tatsachenannahme im Wahrspruch zum Ausdruck zu bringen (aaO EGr 76; 9 Os 24/86; 13 Os 53/90). Eine derartige Sachkonstellation, die einen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß der solcherart unterlaufenen (bloßen) Formverletzung auf die Entscheidung unzweifelhaft ausschließt und damit aus der Sicht des § 345 Abs. 3 StPO einer Urteilsanfechtung zum Vorteil des Angeklagten die Grundlage entzieht, liegt hier aber vor. Fehlt doch schon im Hinblick auf die eigenen Angaben des Angeklagten B*****, sich durch exzessiven Alkoholkonsum berauscht zu haben (insbesondere S 200, 206 bis 210, 224 bis 227, 253/II), jedweder Anhaltspunkt dafür, daß ihm diesbezüglich nicht einmal Fahrlässigkeit angelastet werden könnte.

Die Tatsachenrüge (Z 10 a) richtet sich gegen die dem Wahrspruch zugrunde liegende Annahme der tataktuellen Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten B*****, vermag allerdings keine (geschweige denn erhebliche) Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Annahme zu erwecken. Der gutächtlichen Schlußfolgerung des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen auf eine den Grad einer vollen Berauschung nicht erreichenden Alkoholisierung stehen weder die vom Zeugen R***** angegebenen Alkoholisierungsmerkmale (S 262, 266/II) noch die wechselhafte Verantwortung des Angeklagten B***** - der im übrigen nach eigenen Angaben vor wie auch nach der Tat zur Lenkung eines Mopeds imstande war (S 212, 220, 222, 228/II) - zu seinem Alkoholkonsum vor der Tat entgegen (S 270 bis 276/II).

Als nicht gesetzmäßig ausgeführt erweist sich die auf § 345 Abs. 1 Z 11 lit. b StPO gestützte Rechtsrüge, durch den bekämpften Schuldspruch werde - so die Beschwerdeargumentation wörtlich - "das Gesetz verletzt, weil auf die gemäß § 11 StGB wahrzunehmende Unzurechnungsfähigkeit des Beschuldigten B***** nicht Bedacht genommen wurde". Mit dem solcherart reklamierten Nichtigkeitsgrund können nämlich nur prozessuale Verfolgungshindernisse geltend gemacht werden, nicht aber auch Schuldausschließungsgründe (hier: § 11 StGB), deren Nichtannahme im geschwornengerichtlichen Verfahren (anders als nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO) durch Anfechtung der Fragestellung (§ 345 Abs. 1 Z 6 StPO) zu bekämpfen ist (vgl. Mayerhofer-Rieder3 EGr 4 zu § 345 Z 11 b StPO).

Nicht anders verhält es sich mit der Subsumtionsrüge (Z 12), die mit dem Postulat einer Tatbeurteilung nach § 287 Abs. 1 StGB prozeßordnungswidrig von (wahrspruchs- und urteilsfremden) Tatsachenprämissen ausgeht.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten Christoph B***** nach § 143 erster Strafsatz StGB unter Anwendung des § 41 StGB dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe, worauf dem Angeklagten - unter Vernachlässigung der vom 23.April 1991, 18.00 Uhr, bis 25.April 1991, 11.15 Uhr, erlittenen sicherheitsbehördlichen Vorhaft (S 189 und 227/I), in Ansehung deren der Vorsitzende gemäß § 400 Abs. 2 StPO vorzugehen haben wird - die (im übrigen erlittene) Vorhaft gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB angerechnet wurde. Dabei wertete es die führende Tatbeteiligung und eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis, die Schadensgutmachung durch den Mittäter sowie den Umstand, daß der Angeklagte B***** "schwach am Verstand" ist.

Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung strebt Christoph B***** eine Herabsetzung und die bedingte Nachsicht eines Teils der über ihn verhängten Freiheitsstrafe im wesentlichen mit der Begründung an, der Angeklagte blicke auf eine abnorme Persönlichkeitsentwicklung zurück, vor deren Hintergrund sich die tataktuelle starke Alkoholisierung als Folge eines suchtartigen chronischen Alkoholmißbrauchs darstelle und der wegen der (auf die nunmehr eröffnete Möglichkeit einer Rückkehr in den Familienverband gestützten) Hoffnung darauf, "ein neues Leben zu beginnen", besonderes Gewicht zukomme.

Auch die Berufung erweist sich als nicht berechtigt.

Die zur Tatzeit wirksame alkoholisierungsbedingte Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten wurde vom Erstgericht zutreffend (§ 35 StGB) nicht als mildernd berücksichtigt, weil dem Angeklagten nach langjährigem Alkoholmißbrauch die damit verbundenen enthemmenden Auswirkungen bekannt waren und er bereits einmal straffällig geworden war, um die Fortsetzung einer begonnenen Zechtour zu finanzieren (S 3 und 5 des Aktes 11 E Vr 675/89 des Kreisgerichtes Wels). Die anlage- und entwicklungsbedingte Verstandesschwäche des Berufungswerbers hat aber im Rahmen der erstgerichtlichen Strafbemessung ohnedies (insbesondere durch die hier ins Gewicht fallende Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB) ausreichend Berücksichtigung gefunden. In Anbetracht des außergewöhnlich hohen Unrechtsgehalts und Störwerts der tataktuellen Raubmodalitäten (Eindringen in ein Wohnhaus mit Gewehr im Anschlag) sowie der ersichtlich eskalierenden deliktischen Anfälligkeit des Angeklagten sind aus general- wie auch spezialpräventiver Sicht die Voraussetzungen weder einer Herabsetzung der über Christoph B***** verhängten Freiheitsstrafe noch der weiters angestrebten bedingten Nachsicht eines Teils derselben erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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