OGH 10ObS8/92

OGH10ObS8/9224.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Paul und Dr. Sylvia Krieger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J***** S*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei SOZIALVERSICHERUNGSANSTALT DER BAUERN, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückforderung eines Überbezuges an Ausgleichszulage infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Oktober 1991, GZ 33 Rs 109/91-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. April 1991, GZ 3 Cgs 40/91-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Oberste Gerichtshof stellt beim Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 3 B-VG den

A n t r a g

gem Art 140 Abs 4 B-VG zu entscheiden, daß § 140 Abs 7 BSVG in der mit 31.12.1989 außer Kraft getretenen Fassung der 6. BSVGNov BGBl 1982/649 verfassungswidrig war.

Text

Begründung

Der Kläger und seine Gattin verpachteten die ihnen je zur Hälfte gehörigen landwirtschaftlichen Liegenschaften im Ausmaß von 15,20 ha, für die zum 1.1.1980 ein Einheitswert von 49.000 S festgestellt war, am 1.9.1978 an ihren Sohn. Seit 1.9.1978 bezieht der Kläger von der beklagten Partei eine Alterspension, zu der unter Berücksichtigung der Anrechnung gemäß § 140 Abs 7 BSVG eine Ausgleichszulage gewährt wird. Am 13.1.1984 kauften der Kläger und seine Ehegattin eine forstwirtschaftlich genutzte Liegenschaft im Ausmaß von 5,8892 ha und verpachteten die Liegenschaft unter einem an ihren Sohn. Durch den Kauf trat zufolge der individuellen Bewertung durch das zuständige Finanzamt eine Senkung des Einheitswertes auf 48.000 S ein. Wegen der Geringfügigkeit der Änderung wurde jedoch ein neuer Einheitswertbescheid nicht erlassen. Der Einheitswert aller Liegenschaften, die im Eigentum des Klägers und seiner Gattin stehen, betrug zum 1.1.1989 43.000 S, nachdem am 26.2.1988 ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück im Ausmaß von 0,5931 ha verkauft worden war.

Mit Bescheid vom 3.10.1989 stellte die beklagte Partei die dem Kläger gebührende Ausgleichszulage neu fest und forderte einen Überbezug für die Zeit vom 1.2.1984 bis 30.6.1989 im Betrag von 21.760 S zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zu verpflichten, von der Rückforderung des bescheidmäßig festgesetzten Betrages von 21.760 S Abstand zu nehmen und festzustellen, daß ein Überbezug an Ausgleichszulage nicht stattgefunden habe. Eine Erhöhung des Einheitswertes sei durch den Zukauf nicht eingetreten, sodaß die Voraussetzungen für eine höhere Pauschalanrechnung als vor dem Kauf nicht vorlägen.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der Kläger habe den Zukauf der forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft vom 13.1.1984 nicht gemeldet. Aufgrund dieses Zukaufes sei ab 1.2.1984 von einem Einheitswert von 74.000 S und ab 1.4.1988 von einem solchen von 73.000 S auszugehen. Im Hinblick auf die Höhe des auf dieser Grundlage gemäß § 140 Abs 7 pauschal anzurechnenden Einkommens aus der Übergabe ergebe sich ein Überbezug an Ausgleichszulage in der vorgeschriebenen Höhe.

Das Erstgericht stellte fest, daß in der Zeit vom 1.2.1984 bis 30.6.1989 ein Überbezug an Ausgleichszulage nicht erfolgt sei und die beklagte Partei schuldig sei, von der Rückforderung eines Betrages von 21.760 S abzustehen. Der Berechnung des pauschal zu berücksichtigenden Einkommens aus der Verpachtung der Liegenschaft sei der Einheitswert der Liegenschaft aufgrund der individuellen Bewertung zugrundezulegen. Dieser Einheitswert habe sich durch den Zukauf der Liegenschaften im Jahr 1984 jedoch nicht erhöht, sondern sich sogar verringert. Für die pauschale Anrechnung eines höheren Betrages als vor dem Zukauf der Liegenschaften bestehe keine Grundlage und es sei daher auch kein Überbezug entstanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, daß es feststellte, daß die klagende Partei zum Rückersatz von Ausgleichszulagenbeträgen für die Zeit vom 1.2.1984 bis 30.6.1989 in einer Höhe von 21.760 S nicht verpflichtet sei. Für die Berechnung des pauschal anzurechnenden Ausgedinges sei der zum 1.1.1980 geltende Einheitswert vom 1.1.1979 maßgebend gewesen. Trete eine Änderung in den verpachteten Flächen ein, so sei für die Beurteilung der Frage der Weitergewährung einer Ausgleichszulage ein neuer Einheitswertbescheid Voraussetzung. Ein solcher sei aber zufolge Geringfügigkeit der Änderung nach individueller Bewertung nicht erlassen worden. Für den strittigen Zeitraum sei daher weiterhin von dem zum 1.1.1980 geltenden Einheitswert von 49.000 S auszugehen. Die beklagte Partei sei nicht berechtigt gewesen, im eigenen Wirkungsbereich fiktive Einheitswerte festzustellen. Dem Umstand, daß der Kläger den Zukauf nicht gemeldet habe, komme keine Bedeutung zu, weil es sich nicht um eine maßgebliche Änderung gehandelt habe, die zu einer Neuberechnung oder zum Entzug von Leistungen führen konnte. Die Unterlassung der Meldung sei daher rechtlich irrelevant.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht für zulässig erklärte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung in klageabweisendem Sinn abzuändern und den Kläger zur Rückzahlung des Überbezuges von 21.760 S zu verpflichten. Die beklagte Partei vertritt den Standpunkt, daß der vom Finanzamt erlassene Einheitswertbescheid nur dann maßgeblich sei, wenn die tatsächliche Fläche mit der dem Bescheid zugrundeliegenden Fläche übereinstimme. Werde bei einer Flächenänderung mangels Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze vom Finanzamt kein neuer Einheitswertbescheid erlassen, so seien für sozialversicherungsrechtliche Zwecke im Sinn des § 23 Abs 3 und 5 BSVG eine eigene Bewertung vorzunehmen, die auch der Ausgleichszulagenberechnung zugrundezulegen sei. In diesem Umfang sei der finanzbehördliche Einheitswert durch Zurechnung bzw Abrechnung zu korrigieren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig, weil die entscheidungswesentlichen Fragen in der Judikatur des Obersten Gerichtshofes bisher nicht behandelt wurden und daher eine Rechtsprechung hiezu fehlt.

Einer sachlichen Erledigung des Rechtsmittels steht jedoch vorerst entgegen, daß der Oberste Gerichtshof aus nachstehenden Gründen gegen die anzuwendende Bestimmung des § 140 Abs 7 BSVG verfassungsrechtliche Bedenken hat.

Das österreichische Pensionsversicherungssystem soll dem Versicherten im Alter und bei Minderung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung sichern, die sich am Lebensstandard vor der Pensionierung orientiert. Am deutlichsten wird das Ineinandergreifen der versicherungsmäßigen und der sozialen Komponente der Pensionsversicherung, wenn die versicherungsmäßig ermittelte Pensionsleistung nicht mehr ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Dies kann bei sehr niedriger Bemessungsgrundlage und/oder kurzer Versicherungsdauer eintreten. Eine Lösungsmöglichkeit wäre eine gesetzlich festgelegte Mindestpension. Das System der Mindestpension, das in der österreichischen Sozialversicherung vor dem Inkrafttreten des ASVG in Geltung stand, erwies sich aber nicht nur wegen seines Widerspruchs zum Versicherungsprinzip, sondern auch wegen seiner relativen Unbeweglichkeit gegenüber den Erfordernissen des Einzelfalles als nicht befriedigend. Es wurde daher mit dem Inkrafttreten des ASVG durch ein System abgelöst, das bedürftigen Versicherten neben der versicherungsmäßig ermittelten Pension eine Ausgleichszulage gewährte, die seither die Alimentationsfunktion übernimmt. Die Ausgleichszulage errechnet sich als Differenz zwischen dem gesamten zu berücksichtigenden Einkommen (Pensions- und sonstiges Einkommen) des Berechtigten und dem vom Gesetzgeber in einem Schillingbetrag fixierten Richtsatz. Dieser Ausgleichszulagenrichtsatz legt gleichsam das Existenzminimum für den Bereich der Sozialversicherung fest. Die Ausgleichszulage ist keine Versicherungsleistung im engeren Sinne, sondern eine Leistung mit Fürsorge-(Sozialhilfe)charakter (Binder in ZAS 1981, 89; Prähauser in ZAS 1971, 105; Teschner in Tomandl SV-System 5.ErgLfg.413 f mwN; so auch etwa die Materialien zur 14.BSVGNov. 1102 BlgNR 17.GP, 7).

Das landwirtschaftliche

Zuschußrentenversicherungsgesetz - LZVG - BGBl 1957/293, verzichtete allerdings auf die Einführung von Ausgleichszulagen in der landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherung nach dem Vorbild der §§ 292 ff ASVG bzw der §§ 89 ff GSPVG. Nach den Gesetzesmaterialien wurde dies damit begründet, daß es sich bei den Rentenleistungen in der landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherung nur um Zuschüsse zu den in der Landwirtschaft üblichen Ausgedingeleistungen handelt und der Wert des Ausgedinges zuzüglich der Zuschüsse die Beträge der Richtsätze für die Ausgleichszulage im allgemeinen erreichen oder übersteigen werde (344 BlgNR 8.GP, 40).

Erst die Einführung einer vollwertigen Pensionsversicherung für die selbständig Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft durch das B-PVG BGBl. 1970/28 brachte es mit sich, daß die Einrichtung der Ausgleichszulage, wie sie im ASVG und GSPVG bereits bestand, grundsätzlich auch in das B-PVG übernommen werden sollte. Um die Einheitlichkeit des Ausgleichszulagenrechtes zu wahren, wurden die einschlägigen Bestimmungen des ASVG bzw GSPVG übernommen. Eine Besonderheit bildete jedoch die Bestimmung des § 85 Abs 3 B-PVG, wozu die Gesetzesmaterialien (1411 BlgNR 11.GP, 57) folgendes ausführten:

"Eine Besonderheit, auf die bei der Regelung des

Ausgleichszulagenrechtes im Bereich der Pensionsversicherung der

Bauern Bedacht genommen werden mußte, stellt die Einrichtung des

Ausgedinges dar. In der Land- und Forstwirtschaft ist noch immer

die Gepflogenheit weit verbreitet, daß der Übergeber eines

Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhält, das ihm

für seinen Lebensabend Wohnung und Verpflegung sichert. Die

üblichen Ausgedingsleistungen sollen im Ausgleichszulagenrecht

ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang solche Leistungen

im Einzelfall tatsächlich empfangen werden, bei der Ermittlung

des Gesamteinkommens durch Hinzurechnung eines Pauschalbetrages

berücksichtigt werden. .... Da sich die Höhe der

Ausgedingsleistungen im allgemeinen nach der Ertragsfähigkeit des

übergebenen Betriebes richtet, erscheint es gerechtfertigt, auch

bei der Bewertung von Ausgedingsleistungen den Einheitswert als

Maßstab heranzuziehen. ..... Bei der Abfassung der Bestimmung des

§ 85 Abs 3 war auch darauf Bedacht zu nehmen, daß eine Umgehung dieser Bestimmung nach Möglichkeit ausgeschlossen wird. Insbesondere mußte dafür gesorgt werden, daß die Hinzurechnung des Pauschalbetrages zum Einkommen des Pensionsberechtigten auch dann erfolgt, wenn der Betrieb nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht übergeben sondern lediglich verpachtet oder gegen einen bestimmten Betrag verkauft wird. ...."

Diese ursprünglich nur für die Pensionsversicherung der Bauern gedachte Pauschalierung von Ausgedingsleistungen ohne Rücksicht auf deren tatsächliche Erbringung wurde erst durch die

29. ASVG-Nov. und die 21.GSPVG-Nov. (BGBl 1973/31 und 32) allgemein eingeführt. § 85 Abs 8 B-PVG entsprach nun wörtlich dem § 292 Abs 8 ASVG und dem § 89 Abs 8 GSVG. Die Gesetzesmaterialien zur 29.ASVG-Nov (404 BlgNR 13.GP, 110) führten dazu aus:

"Abs 8 sieht eine Pauschalanrechnung von Ausgedingsleistungen vor. Die Notwendigkeit der Schaffung eines einheitlichen Ausgleichszulagenrechtes in allen Pensionsversicherungsgesetzen bedingt auch die Einführung einer schon im Bauernpensionsversicherungsgesetz bestehenden Regelung über die Pauschalanrechnung von Ausgedingsleistungen im ASVG und GSPVG. Eine solche einheitliche Regelung ist vor allem deshalb erforderlich, weil es ansonsten in Wanderversicherungsfällen bei Vorliegen ähnlicher tatsächlicher Verhältnisse zu unterschiedlichen Ansprüchen auf Ausgleichszulage käme, je nachdem ob die Pensionsversicherungsanstalt der Bauern oder ein anderer Pensionsversicherungsträger leistungszuständig ist. Nicht zuletzt wird aber eine einheitliche Regelung der Pauschalanrechnung des Ausgedinges durch die Schaffung des "Familienrichtsatzes" zur Notwendigkeit. ....."

Die hier anzuwendende Fassung des § 140 Abs 7 BSVG geht auf die 6. Novelle zum BSVG (BGBl 1982/649; die Neufassung des § 140 Abs 7 BSVG durch die 14.BSVGNov BGBl 1989/644 trat erst nach dem Ende des in diesem Fall maßgeblichen Zeitraumes in Kraft) zurück.

Gegen eine Pauschalanrechnung von Einkünften aus der Übergabe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe unabhängig von der Vereinbarung eines Ausgedinges bzw der Höhe eines vereinbarten Ausgedinges bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes des Art 7 B-VG. Die oben dargestellten Bestimmungen über die Ausgleichszulage führen nämlich zu einer Ungleichbehandlung der Pensionisten, wie im folgenden dargelegt werden soll.

Gemäß § 140 Abs 1 BSVG (§ 292 Abs 1 ASVG) hat der Pensionsberechtigte, solange er sich im Inland aufhält, Anspruch auf Ausgleichszulage zu seiner Pension, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 142 BSVG (§ 294 ASVG) zu berücksichtigenden Beträge (das sind die Unterhaltsansprüche) nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes erreicht. Gemäß § 140 Abs 3 BSVG (§ 292 Abs 3 ASVG) ist Nettoeinkommen im Sinne der Abs 1 und 2, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge. Für die Bewertung der Sachbezüge gilt, soweit nicht § 140 Abs 7 BSVG (§ 292 Abs 8 ASVG) anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, daß als Wert der vollen freien Station der Betrag von 2.040,-- S heranzuziehen ist; an die Stelle dieses Betrages tritt ab 1.Jänner eines jeden Jahres erstmals ab 1.Jänner 1987 der unter Bedachtnahme auf § 47 BSVG (§ 108i ASVG) mit dem Anpassungsfaktor vervielfachte Betrag. Im § 140 Abs 4 BSVG (§ 292 Abs 4 ASVG) sind eine Reihe von Ausnahmen von der Anrechnung als Einkünfte aufgezählt und § 140 Abs 5 und 6 BSVG (§ 292 Abs 5 und 7 ASVG) regeln die Ermittlung des Nettoeinkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb. In allen bisher aufgezählten Bestimmungen wird daher ausschließlich das Nettoeinkommen, seien es Barbezüge oder Sachbezüge berücksichtigt, nicht aber sonstiges Vermögen. Der Pensionist ist daher nicht verpflichtet, Vermögenswerte zu versilbern oder sein Kapital fruchtbringend anzulegen. Nur die tatsächlich bezogenen Einkünfte vermindern seinen Anspruch auf Ausgleichszulage. Hat er dagegen ein noch so großes Vermögen, das keine Einkünfte abwirft, oder einen Betrieb, der keinen steuerlichen Gewinn erzielt, ja sogar Bargeld in beträchtlicher Höhe, das er nicht fruchtbringend verwertet, so mindert dies seit der 1.ASVGNov BGBl 1956/266 seinen Anspruch auf Ausgleichszulage in keiner Weise (vgl dazu ausführlich Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 89 ff). Das gleiche gilt, wenn ein Pensionist sein Vermögen nicht bestmöglich verwertet; auch in diesem Fall werden nur tatsächlich erzielte und nicht etwa ein allenfalls erzielbares höheres Einkommen berücksichtigt. Bis zur 1.ASVGNov war dagegen das Gesamteinkommen des Rentenberechtigten nach den bei Bemessung einer Fürsorgeunterstützung nach den über die öffentliche Fürsorge anzuwendenden Vorschriften zu berechnen (vgl § 292 Abs 2 des Stammgesetzes). Mit der 1.ASVGNov ging der Gesetzgeber ohne nähere Begründung von der fürsorgerechtlichen Verankerung des Begriffs des Gesamteinkommens ab und schuf nunmehr einen davon unabhängigen Einkommensbegriff (vgl dazu Prähauser aaO und Reiger in ZAS 1967, 55; jüngst Schrammel, Probleme der Ausgleichszulage, ZAS 1992, 9 f), der später auch in die anderen Sozialversicherungsgesetze, darunter in das B-PVG und das BSVG übernommen wurde. Dieser Grundsatz, daß Vermögen, wenn es nicht so eingesetzt wird, daß es tatsächlich Einkünfte bzw entsprechende Einkünfte abwirft, auf den Anspruch auf Ausgleichszulage keinen Einfluß hat, gilt jedoch für den Bereich der land(forst)wirtschaftlichen Flächen nicht. Wurde nämlich die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen, so war nach § 140 Abs 7 BSVG idF der 6.Novelle bei Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (des Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen vom Einheitswert der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung überlassenen land(forst)wirtschaftlichen Flächen auszugehen, sofern die Übergabe (Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als zehn Jahre, gerechnet vom Stichtag, zurücklag. Bei einer Übergabe (Verpachtung, Überlassung) vor dem Stichtag war vom durchschnittlichen Einheitswert, in allen übrigen Fällen von dem auf die übergebenen Flächen entfallenden Einheitswert im Zeitpunkt der Übergabe (Verpachtung, Überlassung) auszugehen. Ein Zwölftel des so ermittelten Betrages gerundet auf volle Schilling galt als monatliches Einkommen. § 140 Abs 6 BSVG war entsprechend anzuwenden.

Wie bereits oben dargelegt, wurde die Pauschalanrechnung bei land(forst)wirtschaftlich genutzten Flächen in den Materialien damit begründet, daß in der Land- und Forstwirtschaft noch immer die Gepflogenheit weitverbreitet sei, daß der Übergeber eines Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhält, das ihm für seinen Lebensabend Wohnung und Verpflegung sichere. Dem Eigentümer land(forst)wirtschaftlicher Betriebe könne zugemutet werden, je nach Größe und Ertragslage der Grundstücke dafür zu sorgen, daß sie auch nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit einen Teil ihres Lebensunterhaltes selbst bestreiten können. Es sei zwar im Wesen der Pauschalierung begründet, daß in den Einzelfällen Härten auftreten. Eine gesetzliche Regelung, die vorsehe, daß im Bereich der Sozialversicherung nur tatsächlich empfangene Ausgedingsleistungen als Einkommen berücksichtigt werden, hätte aber zweifellos zur Folge, daß die im weiten Umfang auch dereit noch üblichen Ausgedingsleistungen entfallen oder zumindest nicht mehr vereinbart würden, weil es nunmehr die Übernehmer von Betrieben in der Hand hätten, ihre traditionellen Verpflichtungen gegenüber den Übergebern auf die bäuerliche Riskengemeinschaft und im Wege über den Bundesbeitrag auf die Allgemeinheit zu überwälzen (vgl 404 BlgNR 13.GP, 110 f; 406 BlgNR 13.GP, 16).

Damit hat aber der Gesetzgeber eine bestimmte Bevölkerungsgruppe anders als alle anderen Pensionisten gezwungen, ihr Vermögen seinem Ertrag entsprechend fruchtbringend zu verwerten. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß ausschließlich bei land- und forstwirtschaftlichen Vermögen ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse bei Aufgabe des Betriebes in Form der Pauschalanrechnung angenommene Einkünfte aus der Übergabe bei Berechnung der Ausgleichszulage berücksichigt werden, ist nicht ersichtlich. Die bloße Tatsache, daß es in bäuerlichen Kreisen üblich ("Gepflogenheit") ist, sich bei Übergabe vom Übernehmer (aber ohne jede rechtliche Verpflichtung) Ausgedingsleistungen auszubedingen, kann keine Rechtfertigung für eine Pauschalanrechnung und damit den Zwang zur fruchtbringenden Verwertung des Vermögens darstellen. Denn es ist kein sachlicher Grund dafür einzusehen, zwar Landwirte, nicht aber etwa Inhaber eines Gewerbebetriebes oder eines sonstigen Vermögens zu einer solchen Handlungsweise zu zwingen. Während etwa ein Gewerbetreibender seinen Betrieb ohne Gegenleistung übergeben oder verschenken sowie veräußern kann, ohne daß ihm hiebei Beträge auf die Ausgleichszulage angerechnet werden, ist dies bei land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken regelmäßig der Fall. Dies kann auch nicht mit Besonderheiten der Bauernpension gerechtfertigt werden. Abgesehen davon, daß es sich bei den Pensionen nach dem BSVG - anders als bei der Zuschußrente nach dem LZVG - um echte Pensionen handelt, enthalten sowohl das ASVG als auch das GSVG völlig gleichlautende Bestimmungen über die Pauschalanrechnung, obwohl die dortigen Pensionisten keine überwiegend in der Landwirtschaft tätige Personen sind. Diese Ungleichbehandlung von Pensionsbeziehern macht aber die Regelung des § 140 Abs 7 idF der 6.Novelle (§ 292 Abs 8 ASVG idF der 38. Novelle) aus dem Gleichheitsgebot des Art 7 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich. Insoweit hält der erkennende Senat seine in der Entscheidung SSV-NF 3/94 vertretene gegenteilige Ansicht nicht aufrecht.

In jüngster Zeit hat auch Schrammel ("Probleme der Ausgleichszulage" ZAS 1992, 9 (17)) erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Pauschalanrechnung von Einkünften aus der Übergabe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe unabhängig von der Vereinbarung eines Ausgedinges angemeldet, weil offenbar Gleiches ungleich behandelt werde. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum nur in der Land- und Forstwirtschaft das alte "Fürsorgedenken" wiederbelebt werden solle. Die Tradition und die Befürchtung, sie werde nicht fortgeführt, scheine als Begründung für die unterschiedliche Behandlung von Einkünften aus Anlaß einer Betriebsübergabe etwas dünn zu sein. Die Absicht des Gesetzgebers zu verwirklichen, heiße daher in Wahrheit, das Gesetz mit Verfassungswidrigkeit zu belasten. Der Verfassungsgerichtshof habe zwar in einem Erkenntnis zum KOVG die Meinung vertreten, es sei nicht unsachlich, bei der Bewertung von Ausgedingsleistungen am Einheitswert anzuknüpfen, im Anlaßfall sei allerdings ein Ausgedinge tatsächlich vereinbart worden (VfSlg 5882/1969). Wenn die Materialien zur 14.BSVG-Novelle auf dieses Erkenntnis verweisen, so könne daraus nur abgeleitet werden, daß es nicht unsachlich sei, die ziffernmäßige Ermittlung der Einkünfte durch Festlegung von Pauschalbeträgen zu erleichtern, wenn ein Ausgedinge vereinbart worden sei. Nur bei dieser Sicht ließen sich im übrigen Widersprüche mit der Behandlung von Unterhaltsansprüchen vermeiden. Die pauschale Anrechnung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 294 ASVG beziehe sich nur auf gesetzliche Unterhaltsansprüche. Wenn gesetzliche Unterhaltsansprüche unabhängig davon angerechnet würden, ob sie tatsächlich erbracht werden, so könne immer noch argumentiert werden, daß ja zumindest eine Grundlage für die Zahlung von Unterhalt bestehe. Vertragliche Unterhaltsansprüche seien demgegenüber von einer Pauschalanrechnung ausgenommen (SSV-NF 2/15). Bestehe kein Unterhaltsvertrag, dann finde auch keine Anrechnung statt. Dies müsse auch für Ausgedingsleistungen aus der Übergabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gelten, weil kein sachlicher Grund ersichtlich sei, warum allein in diesem Fall schon die bloße Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, als "Einkunft" angerechnet wird.

Die von Schrammel aaO weiters in Erwägung gezogene verfassungskonforme Auslegung der hier in Rede stehenden Bestimmungen scheitert aber nicht nur an den ausführlich dargelegten Gesetzesmaterialien, sondern auch am Wortlaut der Bestimmungen ("ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen"). Es wäre darüber hinaus wiederum verfassungsrechtlich bedenklich, ausgerechnet bei land(forst)wirtschaftlichen Betrieben die Pauschalanrechnung vorzunehmen, wenn auch nur ein geringfügiges laufendes Ausgedinge vereinbart würde, nicht aber wenn es an einer solchen Vereinbarung fehlte oder ein Verkauf gegen einen einmaligen, vielleicht auch sehr hohen Kaufpreis erfolgte. Es besteht kein sachlicher Grund, etwa im Falle eines Verkaufes den Pensionisten, der den Kaufpreis nicht fruchtbringend anlegt, sondern ihn laufend als Zuschuß zu seiner Pension verbraucht, ausgleichszulagenrechtlich besser zu stellen als den Pensionisten, der eine - wenn auch vielleicht ganz

geringe - laufende Leistung (etwa ein geringfügiges Wohnrecht oder - wie hier - bei Verpachtung einen geringfügigen Pachtzins) erhält.

Den oben dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken kann auch nicht entgegengehalten werden, die Pension für die Bauern sei von vornherein so konzipiert gewesen, daß der Lebensunterhalt in den Fällen des Alters oder der Erwerbsunfähigkeit einerseits durch Sozialversicherungsleistungen, andererseits durch Ausgedingsleistungen sicherzustellen gewesen wäre (vgl 344 BlgNR 8. GP, 40), sodaß der Wegfall der Berücksichtigung von Ausgedingsleistungen von den Versicherungsträgern finanziell nicht verkraftet werden könnte und zu einer für die Landwirtschaft nicht tragbaren Beitragserhöhung führen müßte. Von Anfang an war nämlich die Ausgleichszulage von den Ländern zu ersetzen (§ 299 ASVG, § 156 GSVG, § 147 BSVG bzw die vorher in Geltung stehenden Gesetze), niemals aber aus Mitteln der Sozialversicherungsträger, was sich schon aus dem bereits erwähnten Sozialhilfecharakter der Ausgleichszulage erklärt. Daß ab dem Finanzausgleichsgesetz 1959, BGBl Nr 97, die nach den genannten Bestimmungen den Ländern, Bezirksfürsorgeverbänden und Gemeinden auferlegte Kostentragung vom Bund übernommen wurde (zuletzt für die Jahre 1989 bis 1992 durch § 2 Finanzausgleichsgesetz 1989, BGBl 1988/687), änderte daran nichts Grundsätzliches, weil die Bestimmungen der §§ 299 ASVG, 156 GSVG und 147 BSVG immer nur für die Geltungsdauer der jeweiligen Finanzausgleichsgesetze inhaltlich derogiert, jedoch nie aufgehoben wurden. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wäre daher durch eine Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen finanziell nicht belastet, sodaß auch eine in der Landwirtschaft vielleicht nur schwer verkraftbare Beitragserhöhung nicht notwendig wäre. Für die Pensionen nach dem ASVG und dem GSVG könnte aber das Argument von den zwei Säulen, auf denen die Sicherung des Lebensunterhaltes des Pensionisten beruhen soll, überhaupt nicht herangezogen werden.

Da somit gewichtige Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der im vorliegenden Fall anzuwendenden gesetzlichen Regelung bestehen, hält es der Oberste Gerichtshof für geboten, dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu einer Gesetzesprüfung zu geben.

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