OGH 2Ob501/92

OGH2Ob501/9211.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 9.Jänner 1988 verstorbenen Bernhard ***** D*****, geboren am 30.Dezember 1915, Kaufmann, wohnhaft gewesen in *****, Bundesrepublik Deutschland, infolge Revisionsrekurses der REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Oktober 1991, GZ 3 b R 153/91-54, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs vom 29.Dezember 1989, GZ A 241/88-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Punkt II 5 des Beschlusses des Erstgerichtes aufgehoben wird.

Text

Begründung

Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger, wohnte in Deutschland und war Eigentümer einer Liegenschaft in Tirol. Diese Liegenschaft wurde am 16.Mai 1989 auf Ansuchen des Amtsgerichtes Neuss mit Zustimmung des Erstgerichtes freiwillig versteigert. In der Folge hat das Erstgericht zur Ermittlung inländischer Erben, Vermächtnisnehmer und weiterer Nachlaßgläubiger ein Ediktalverfahren gemäß den §§ 137 ff AußStrG eingeleitet. Die Ediktalfrist ist am 1.11.1989 abgelaufen.

Das Erstgericht hat mit seinem - abgesehen vom Punkt II 5 unangefochten gebliebenen - Beschluß das Ergebnis der freiwilligen Feilbietung genehmigt, die Aktiven und Passiven des in Österreich gelegenen Nachlasses ermittelt und der weiteren Abhandlung einen Betrag von S 1,200.004,45 zugrunde gelegt. Mit Punkt II 5 seiner Entscheidung hat es die weitere Abhandlung des "verbleibenden beweglichen Vermögens" von S 1,200.004,45 (zuzüglich Zinsen aus der fruchtbringenden Anlegung des Feilbietungserlöses in derzeit nicht bekannter Höhe) gemäß § 23 AußStrG der zuständigen Behörde der Bundesrepublik Deutschland, nämlich dem Amtsgericht Neuss, überlassen.

Das Rekursgericht veranlaßte zunächst eine Verständigung der bekannten Erben im Sinne der §§ 75, 116 f AußStrG. Diese gaben die Erklärung ab, die Erbschaft auszuschlagen. Sodann gab das Gericht zweiter Instanz dem gegen Punkt II 5 des Beschlusses des Erstgerichtes gerichteten Rekurs der Republik Österreich nicht Folge. Es führte aus, die im Rahmen der freiwilligen Feilbietung der Liegenschaft ergangenen Beschlüsse seien rechtskräftig, diese sei daher inhaltlich nicht mehr in Frage zu stellen. Entscheidungswesentlich sei, ob das zum Zeitpunkt der Beschlußfassung in Österreich befindliche Nachlaßvermögen als beweglich oder unbeweglich zu qualifizieren und insofern nach § 22 oder nach § 23 AußStrG vorzugehen sei. Wenn auch der Zeitpunkt des Todes des Erblassers für die Beurteilung erbrechtlicher Fragen in der Regel relevant sei, bestünden im vorliegenden Fall gegen die Vorgangsweise des Erstgerichtes, den Nachlaß (in Form des Erlöses aus der freiwilligen Feilbietung) nunmehr als beweglich zu behandeln, keine Bedenken. Gemäß § 22 AußStrG komme dem zuständigen österreichischen Gericht die Abhandlung über die innerhalb des Staatsgebietes liegenden unbeweglichen Güter eines verstorbenen Ausländers im vollen Umfang zu, wenn nicht durch Staatsverträge ein anderes Übereinkommen getroffen wurde. Als Regelungszweck sei erkennbar, daß die grundbücherliche Verfügung über in Österreich gelegene Liegenschaften den österreichischen Gerichten vorbehalten und damit auch der Schutz der Buchgläubiger gewährleistet werden sollte. Nachdem mittlerweile die ausschließlich den inländischen Nachlaß bildende Liegenschaft - unbekämpft - feilgeboten und (einer Inländerin) mit nachfolgender Ordnung des Grundbuchsstandes zugeschlagen worden sei, bestehe für eine Vorgangsweise nach § 22 AußStrG in Ansehung des nunmehr beweglich gewordenen Nachlasses kein Schutzbedürfnis mehr, weshalb die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Vielmehr sei der Nachlaß gemäß § 23 Abs. 2 AußStrG - nach Abführung des in den §§ 137 ff AußStrG vorgesehenen Sicherungsverfahrens - an den Heimatstaat des Verstorbenen auszufolgen. Aus Gründen der Vollständigkeit sei zu erwähnen, daß das Amtsgericht Neuss am 7.2.1990 (also nach der angefochtenen Beschlußfassung) das Konkursverfahren über den überschuldeten Nachlaß des Erblassers eröffnet hat. Gemäß Art 10 des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Konkursabkommens vom 25.5.1979, BGBl 1985, 233, seien auf unmittelbaren Antrag des Konkursverwalters von dem zuständigen inländischen Gericht Zwangsmaßnahmen zur Erfassung, Sicherung und Inbesitznahme der Masse anzuordnen. Ein solcher Antrag vom 13.2.1990 des Konkursverwalters liege mittlerweile vor. Auf diesen Umstand, der sich im Rechtsmittelverfahren als unbeachtliche Neuerung darstelle, könne das Rekursgericht allerdings nicht weiter eingehen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs. 1 AußStrG zulässig sei.

Die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes und strebt die Aufhebung des Punktes II 5 des Beschlusses des Erstgerichtes an.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin ist zur Erhebung dieses Rechtsmittels legitimiert, weil von der Erblosigkeit des Nachlasses nach deutschem und österreichischem Recht auszugehen ist. Es wurde nämlich ein Ediktalverfahren zur Erforschung inländischer Erben im Sinne der §§ 137 ff AußStrG durchgeführt und die als Erben in Betracht kommenden Personen, die in dem in Deutschland geführten Verlassenschaftsverfahren ermittelt wurden, erklärten, die Erbschaft auszuschlagen. Nach § 29 IPRG und § 760 ABGB hat die Republik Österreich daher grundsätzlich ein Heimfallsrecht. Ob tatsächlich ein reiner Nachlaß vorhanden ist, kann erst nach abgewickelter Verwaltung festgestellt werden (Welser in Rummel2, Rz 2 zu § 760; SZ 28/250) und hat daher auf die Frage der Rechtsmittellegitimation keinen Einfluß.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Gemäß § 22 AußStrG kommt über die innerhalb des österreichischen Staates liegenden unbeweglichen Güter eines verstorbenen Ausländers dem nach dem Gesetz über die Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtssachen dazu berufenen österreichischen Gericht, wenn nicht durch Staatsverträge ein anderes Übereinkommen getroffen wird, die Abhandlung im vollen Umfang zu. Da der Erblasser Eigentümer einer in Österreich befindlichen Liegenschaft war, sind die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle gegeben. An der Zuständigkeit des österreichischen Gerichtes ändert sich nichts, wenn die unbeweglichen Güter nach dem Tod des Erblassers mit Zustimmung des Verlassenschaftsgerichtes verkauft werden. Die Rechtskraft von Beschlüssen, die im Verfahren über die freiwillige Feilbietung ergehen, hat darauf ebenfalls keinen Einfluß. Die Veräußerung der Liegenschaft führt daher nicht dazu, daß die Vorschrift des § 23 AußStrG über den im Inland befindlichen beweglichen Nachlaß eines Ausländers anwendbar wird. Gerade der Fall des erblosen Nachlasses zeigt - mag im konkreten Fall wegen Überschuldung des Nachlasses der Republik Österreich auch ein Heimfallsrecht nicht zustehen - daß die Ansicht des Rekursgerichtes, nach Feilbietung der Liegenschaft und nachfolgender Ordnung des Grundbuchsstandes bestehe für eine Vorgangsweise nach § 22 AußStrG in Ansehung des nunmehr beweglich gewordenen Nachlasses kein Schutzbedürfnis mehr, nicht richtig ist. Die Überlassung der weiteren Abhandlung gemäß § 23 AußStrG an das Amtsgericht Neuss entspricht daher nicht dem Gesetz.

Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes im Umfang der Anfechtung ersatzlos aufzuheben.

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