OGH 1Ob531/92

OGH1Ob531/9219.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Walter Moser und Dr. Nikolaus Lanner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Fritz K*****, vertreten durch Dr. Annemarie Schreiner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 6. Dezember 1991, GZ 5 R 235/91-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 1. Oktober 1991, GZ 23 Cg 224/90-28, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Beschluss wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.419,20 bestimmten Revisionsrekurskosten (darin S 3.403,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei führte im August 1989 in einer Produktionshalle Demontagearbeiten durch; am 30.8.1989 brach dort ein Brand aus.

Die klagende Partei begehrte die Feststellung, dass ihr die beklagte Partei für alle Schäden im Zusammenhang mit der durch deren Mitarbeiter am 30.8.1989 verursachten Feuersbrunst zu haften habe. Sie habe die Räumung der Halle von den dort befindlichen Anlagen bis 1.10.1989 zugesichert. Der neue Mieter habe wegen des Brandes nur einen Teil des Mietobjektes beziehen können. Er habe seinen Schaden zwar noch nicht beziffert, sich jedoch Ersatzansprüche vorbehalten. Der klagenden Partei seien darüber hinaus weitere, der Höhe nach noch nicht feststehende Schäden erwachsen. Sie habe deshalb ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht der beklagten Partei.

Die beklagte Partei bestritt das behauptete rechtliche Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung, weil der durch den Brand verursachte Schaden bereits unmittelbar nach dessen Ausbruch festgestanden sei. Eine Vermietung der Halle sei nicht beabsichtigt gewesen; das Feuer sei auch für die verzögerte Übergabe der Räumlichkeiten nicht ursächlich gewesen. Das Objekt sei im Juni oder Juli 1990 ohnehin geräumt worden, sodass die klagende Partei die von ihr behaupteten Ersatzansprüche schon bei Klagseinbringung hätte beziffern können.

Zur Ermittlung der Brandursache, der Abtretung der Schadenersatzansprüche an die klagende Partei und der Schadenshöhe führte das Erstgericht ein umfangreiches Beweisverfahren durch. Insbesondere beauftragte es einen bautechnischen Sachverständigen unter anderem mit der Klärung der Frage, ob die Schadenshöhe bereits feststehe.

Der vom Erstgericht zugezogene Sachverständige legte in seinem Gutachten dar, der überwiegende Teil der Dachkonstruktion der Halle sei in Stahlbetonbauweise ausgeführt und habe bis auf die durch Rauch- und Rußentwicklung entstandene Schwärzung durch den Brand keinen gravierenden Schaden genommen; die Standsicherheit sei nicht gefährdet, die Lebensdauer nicht beeinträchtigt. Eine über dem Brandherd gelegene, etwa 100 m2 große Dachfläche in Stahlbauweise (Dachlaterne) sei überwiegend durch den Brand beschädigt worden, diese Schäden ließen sich jedoch ohne großen Aufwand schätzen und beziffern.

Darauf ergänzte die klagende Partei ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom 23.8.1991 dahin, sie habe mit Rücksicht auf dieses Gutachten einen Sachverständigen mit der Ausmittlung der Höhe der Gebäudeschäden beauftragt, sodass sie nun das Feststellungsbegehren in ein Leistungsbegehren ändern könne. Überdies habe sich mittlerweile herausgestellt, dass der Mieter wegen der durch den Brand verursachten Verzögerung beim Bezug der Halle keine Schadenersatzansprüche geltend mache. Durch den von der beklagten Partei verursachten Brand seien ihr Schäden von insgesamt S 2,883.754,43 erwachsen. Zum Beweis dieses Vorbringens berufe sie sich auf das vorzulegende (Privat-)Gutachten, einen gerichtlichen Sachverständigen und auf Parteivernehmung. Deshalb werde das Feststellungsbegehren in ein Leistungsbegehren auf Zahlung von S 2,883.754,43 samt 12 % Zinsen seit 7.8.1991 geändert.

Sogleich nach Vortrag dieses Schriftsatzes bei der Verhandlungstagsatzung vom 1.10.1991 sprach sich die beklagte Partei gegen die Zulassung dieser Klagsänderung aus. Die Sache sei im Sinne der Abweisung des Feststellungsbegehrens entscheidungsreif. Bei Zulassung der Klagsänderung wären weitere umfangreiche Beweiserhebungen notwendig.

Mit dem bei der Verhandlungstagsatzung vom 1.10.1991 verkündeten Beschluss ließ das Erstgericht die Klagsänderung zu. Wohl wäre die Sache bei Entscheidung über die Klagsänderung bereits spruchreif, dennoch sei diese zuzulassen, weil die Durchführung der beantragten Beweise zur Schadenshöhe die Verhandlung weder erheblich erschwere noch verzögere.

Das Rekursgericht ließ die Klagsänderung nicht zu und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwar seien Klagsänderungen tunlichst zuzulassen, vor allem dann, wenn sie die endgültige und erschöpfende Bereinigung des streitigen Verhältnisses zwischen den Parteien zum Ziele haben und geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Die Aussichtslosigkeit des ersten Begehrens sei kein Grund dafür, die Klagsänderung nicht zuzulassen. Aus der Zulassung der vorliegenden Klagsänderung sei jedoch mit Rücksicht auf den Umfang und die Dauer der durch die Klagsänderung bedingten Prozesshandlungen und Beweisaufnahmen eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens zu besorgen. Eine Erschwerung wäre nur dann nicht anzunehmen, wenn die Streitsache in der laufenden Verhandlungstagsatzung ohnehin spruchreif gemacht hätte werden können.

Rechtliche Beurteilung

Der von der klagenden Partei dagegen erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Umwandlung (Erweiterung) des Feststellungsbegehrens in ein Leistungsbegehren ist stets eine Klagsänderung (SZ 43/56 ua). Widerspricht der Beklagte der vom Kläger - wie hier - erst nach Eintritt der Streitanhängigkeit vorgenommenen Klagsänderung, kann diese vom Gericht dennoch zugelassen werden, wenn durch sie die Zuständigkeit des Prozessgerichtes nicht überschritten wird (was hier gar nicht fraglich sein kann) und aus ihr keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens zu besorgen ist (§ 235 Abs 3 ZPO). Klagsänderungen sind tunlichst zuzulassen (SZ 50/29 uva), namentlich dann, wenn die Klagsänderung die endgültige und erschöpfende Bereinigung des Streitverhältnisses zwischen den Parteien ermöglicht (RZ 1976/55) und damit einen weiteren Rechtsstreit erspart, sofern nur das anhängige Verfahren nicht unbillig erschwert oder verzögert wird (SZ 47/49 ua) und die Dauer sowie die Kosten des neuen Rechtsstreits voraussichtlich höher wären als der durch die Klagsänderung notwendig gewordene zusätzliche Aufwand (1 Ob 227, 228/75 ua).

Bei Verweigerung der Klagsänderung wäre das Feststellungsbegehren abzuweisen, weil die klagende Partei nach dem vom Erstgericht eingeholten Gutachten ihre Schadenersatzansprüche hätte bereits beziffern können, sodass das Feststellungsinteresse zu verneinen wäre. Dann müsste die klagende Partei jedoch ihre erst im Zuge der Klagsänderung bezifferten Ersatzansprüche erneut einklagen, was zur Folge hätte, dass damit der gesamte bisherige Verfahrensaufwand zur Ermittlung der Anspruchsgrundlagen verloren ginge. Im neuen Rechtsstreit müssten nämlich nicht bloß die nicht mehr allzu umfangreichen Beweiserhebungen zur Anspruchshöhe nachgetragen werden, die bei Zulassung der Klagsänderung im anhängigen Verfahren noch durchzuführen wären, sondern es müsste auch der erstinstanzliche Verfahrensaufwand wiederholt werden. Demgemäß wäre der bei Zulassung der Klagsänderung noch notwendige Verfahrensaufwand zweifellos wesentlich geringer als der Aufwand, den die Verfolgung der Schadenersatzansprüche der klagenden Partei in einem weiteren Rechtsstreit erfordern würde. Die Klagsänderung ist bei der gegebenen Verfahrenslage schon aus diesen Erwägungen zuzulassen, zumal ihr auch die Aussichtslosigkeit des Feststellungsbegehrens allein nicht entgegenstünde (SZ 47/49; EvBl. 1959/382; vgl. auch JBl. 1975, 549).

Darüber hinaus ist dem Grundsatz, Klagsänderungen vorzugsweise zuzulassen, gerade bei der Umstellung (Erweiterung) eines Schadenersatzfeststellungsbegehrens in ein solches Leistungsbegehren im besonderen Maß Rechnung zu tragen: Der Geschädigte ist zur Vermeidung von Verjährungsfolgen und Beweisschwierigkeiten häufig genötigt, ein Feststellungsbegehren zu erheben, weil er seine Ersatzansprüche noch nicht beziffern kann (vgl die Nachweise bei Schubert in Rummel, ABGB § 1489 Rz 3). Würde ihm nun die Umstellung des Feststellungsbegehrens in ein Leistungsbegehren verwehrt werden, nachdem er in die Lage versetzt wurde, seine Ersatzansprüche auch der Höhe nach festzulegen, ginge er dieser Ansprüche verlustig, wäre die Verjährungsfrist gemäß § 1489 erster Satz ABGB mittlerweile verstrichen, sodass er in einem Leistungsstreit mit der Verjährungseinrede des Schädigers zu rechnen hätte. Dass dieses Ergebnis nicht sachgerecht wäre, bedarf keiner weitwendigen Erörterungen.

Da das Erstgericht die Klagsänderung im Hinblick auf die veröffentlichte Rechtsprechung zu Recht zugelassen hat, ist sein Beschluss in Abänderung der rekursgerichtlichen Entscheidung wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Das wegen der Einwendungen der beklagten Partei gegen die Klagsänderung erforderlich gewordene zusätzliche Verfahren ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, als Zwischenstreit anzusehen (GlUNF 3595; Fasching, Komm II 362).

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