OGH 7Ob501/92

OGH7Ob501/9216.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Gritt ***** B*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Hans ***** B*****, vertreten durch Dr. Kurt Asamer und Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 21. November 1991, GZ 22 a R 145/91-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 6. September 1991, GZ 4 P 90/91-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der mj. Gritt und der inzwischen volljährig gewordenen Ruth B***** wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12. 4. 1991 einvernehmlich (§ 55a EheG) geschieden. Anläßlich ihrer Scheidung haben die Ehegatten dem Gericht eine Vereinbarung für den Fall der Scheidung unterbreitet, in der es unter anderem heißt:

"4. Das Recht zur Pflege und Erziehung der beiden Kinder der Antragsteller, mj. Ruth Maria, geb. am 3. 6. 1972 und mj. Gritt, geb. am 31. 12. 1974 (§ 146 ABGB), kommt ausschließlich dem Erstantragsteller (Vater) zu. Die Antragsteller vereinbaren, daß die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Vermögensverwaltung und des Vertretungsrechtes (§§ 149, 150, 154, 154a ABGB) auch im Falle der Rechtskraft der Ehescheidung weitergelten.

5. Der Erstantragsteller verpflichtet sich zur Zahlung eines Unterhalts für die beiden vorgenannten Kinder in Höhe von je

S 7.000,-, 13x jährlich, und zwar jeweils am 1. eines Monates im Vorhinein, die 13. Zahlung am 1. 6. eines Jahres. Die Zahlungen sind zu Handen der Zweitantragstellerin (Mutter) zu leisten. Bei dieser Regelung ist schon berücksichtigt, daß der Erstantragsteller weiterhin die Familienbeihilfe für die beiden Kinder beziehen wird. Der Erstantragsteller verpflichtet sich, zusätzlich die Prämien für die Haftpflichtversicherung der Mopeds der beiden Töchter zu bezahlen."

Das Erstgericht hat diese Vereinbarung in ihren Punkten 4 und 5 hinsichtlich der mj. Gritt pflegschaftsbehördlich nicht genehmigt.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Werde die Ehe der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt oder lebten die Eltern nicht bloß vorübergehend getrennt, könnten sie dem Gericht eine Vereinbarung darüber unterbreiten, wem von ihnen künftig die Obsorge für das Kind allein zukommen soll; das Gericht habe die Vereinbarung zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entspreche. Aus dieser Bestimmung ergebe sich, daß eine Aufteilung der Obsorgerechte und -pflichten grundsätzlich unzulässig sei. Die Eltern der mj. Gritt aber hätten vereinbart, daß die Pflege und Erziehung des Kindes ausschließlich dem Vater zukommen, es hinsichtlich der Vermögensverwaltung und Vertretung dagegen bei der gemeinsamen Obsorge im Sinne des § 144 ABGB verbleiben solle. Mit einer derartigen Regelung werde der Dispositionsbereich der Eltern im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen überschritten, sodaß diese auch dann nicht genehmigt werden könne, wenn sie dem Kindeswohl nicht widersprechen sollte. Dazu komme, daß Pflege und Erziehung tatsächlich, wie sich aus dem Akt ergebe, von der Mutter ausgeübt würden, dessenungeachtet jedoch dem Vater die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung zukommen solle. Zwar könne derjenige, dem Pflege und Erziehung zukommen, diese auch durch Dritte ausüben lassen; doch könne der andere Elternteil nicht als Dritter im Sinne dieser Rechtsprechung angesehen werden. Eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Vereinbarung könne auch nicht erfolgen, wenn man sich der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ÖA 1991, 54, anschließe, in der eine analoge Anwendung des § 177 Abs.3 (§ 167) ABGB auf einen Fall in Erwägung gezogen worden sei, in dem die geschiedenen Eltern, die zwar nicht in häuslicher Gemeinschaft lebten, aber doch örtlich benachbarte Wohnsitze aufwiesen, im Scheidungsvergleich vereinbart hatten, weiterhin die Obsorge für ihr Kind gemeinsam zu übernehmen; denn im vorliegenden Fall sei vereinbart worden, daß die Obsorge hinsichtlich Pflege und Erziehung dem Vater allein zukomme. Es fehle auch am Merkmal einer dauernden häuslichen Gemeinschaft der Eltern zumindest in der Form, die bei der zitierten Entscheidung bestanden habe.

Der Revisionsrekurs des Vaters ist im Hinblick auf die genannte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 177 ABGB idF vor dem KindRÄG, BGBl. 1989/162, kannte für den Fall der Ehescheidung der Eltern nur die Zuteilung der Elternrechte an einen Elternteil allein. Durch das KindRÄG wurde diese Bestimmung dahin geändert (§ 177 Abs.3, § 167 ABGB idF des genannten Gesetzes), daß das Gericht über gemeinsamen Antrag der Eltern zu verfügen habe, daß ihnen beiden die Obsorge für das Kind zukommt, wenn die Eltern - ungeachtet der Auflösung ihrer Ehe - auch in Zukunft miteinander leben wollen und diese Verfügung für das Wohl des Kindes nicht nachteilig ist (vgl. auch JAB 887 Blg.NR 17.GP zu § 167 ABGB idF des KindRÄG). Durch diesen eindeutigen Gesetzeswortlaut brachte der Gesetzgeber zum Ausdruck, daß er die Zuteilung der Obsorge über die gemeinsamen Kinder an beide geschiedenen Elternteile gemeinsam nur für den Fall des Bestehens einer dauernden häuslichen Gemeinschaft vorsieht. Eine Auslegung dahin, daß auch im Fall des Nichtbestehens einer dauernden häuslichen Gemeinschaft zwischen den geschiedenen Ehegatten die Zuteilung der Obsorge an beide Elternteile gemeinsam erfolgen könne, verbietet sich daher aus dem Gesetzeswortlaut selbst (5 Ob 536/91).

Im vorliegenden Fall wollen die Eltern keineswegs weiterhin in dauernder häuslicher Gemeinschaft leben. Es soll nach der von den Eltern dem Gericht anläßlich ihrer Scheidung unterbreiteten Vereinbarung auch nicht die Obsorge für die mj. Gritt zur Gänze ihnen beiden zukommen; das Recht der Pflege und Erziehung soll vielmehr ausschließlich dem Vater zustehen. Damit unterscheidet sich die Sachlage deutlich von jener, die der - von Pichler in ÖA 1991, 55 f heftig kritisierten - Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 719/89 (EvBl. 1991/99) zugrundelag, da dort die Obsorge über ihr Kind beiden Elternteilen uneingeschränkt zukommen sollte und eine örtliche Nähe der Wohnsitze beider Elternteile gegeben war. Zur Ansicht eines Teils der Lehre (Pichler in Rummel2, Rz 2 zu § 177 ABGB mwN, dagegen Schlemmer/Schwimann in Schwimann, ABGB I, Rz 5 zu § 177) - nicht auch des Obersten Gerichtshofes (SZ 53/23) -, es sei denkbar, daß ein Elternteil zwar zur Pflege und Erziehung der Kinder, nicht aber auch zur Regelung komplizierter Fragen wie etwa einer Vermögensverwaltung oder der Vertretung des Kindes in allen Fällen geeignet ist, und daß in einem solchen Fall der andere hiezu bereite und befähigte Elternteil bestellt werden könne, eine Aufteilung der Aufgabenbereiche in einem derartigen Sonderfall also zulässig sei, erübrigt sich eine Stellungnahme hier schon deswegen, weil die mangelnde Eignung eines der Elternteile der mj. Gritt, die Obsorge insgesamt allein auszuüben, gar nicht behauptet wird.

§ 178 ABGB sieht vor, daß jenem Elternteil, dem die Obsorge nicht zukommt (Schwimann a.a.O. Rz 2 zu § 178), bestimmte näher bezeichnete Mindestrechte im Innenverhältnis - nicht im Außen- oder Vertretungsverhältnis - (Pichler a.a.O. Rz 6 zu § 178 ABGB) gewahrt bleiben sollen (es sei denn, die Wahrnehmung dieser Mindestrechte würde das Wohl des Kindes ernstlich gefährden). Der Bestimmung ist dagegen nicht zu entnehmen, daß danach ein Teil der Obsorge, wie etwa die gesetzliche Vertretung oder die Vermögensverwaltung, beiden Elternteilen auch nach Auflösung ihrer Ehe und ungeachtet des Mangels einer dauernden häuslichen Gemeinschaft zukommen könne.

Eine Erörterung der Frage, ob es sich bei der Person des Dritten, dem der erziehungsberechtigte Elternteil Betreuungsaufgaben übertragen darf (EFSlg. 59.833), auch um den anderen Elternteil handeln kann, erübrigt sich bei der gegebenen Sachlage.

Mit Recht haben deshalb die Vorinstanzen die von den Eltern der mj. Gritt dem Gericht unterbreitete Vereinbarung nicht genehmigt. Der Revisionsrekurs erweist sich damit als nicht berechtigt.

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