OGH 12Os136/91

OGH12Os136/9119.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Westermayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Lisbeth W***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.April 1991, GZ 12 c Vr 1219/90-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Bock, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Hingegen wird der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.

Ebenso wird der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis Folge gegeben, der Zuspruch an die Privatbeteiligte V***** aufgehoben und die Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs. 1 StPO mit all ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch von der insgesamt wegen Beteiligung am Verbrechen der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB erhobenen Anklage enthält, wurde die ***** 1943 geborene Angestellte Lisbeth W***** des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe sowie zur Zahlung eines Betrages von 839.935 S an die Privatbeteiligte V***** verurteilt. Dem Urteilsspruch zufolge liegt ihr zur Last, in der Zeit von Mitte Juni 1978 bis März 1981 in Wien mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung dadurch, daß sie in einer mündlichen Schadensanzeige zur Eigenheim-Bündelversicherung fälschlich behauptete, der Rohbau ihres Hauses in Wien 14., ***** sei unwetterbedingt durch einen Erdrutsch derart beschädigt worden, daß ein Schaden in der Höhe von zirka 1 Million Schilling entstanden sei, obgleich der Schaden in Wahrheit lediglich einem Wert von maximal 150.000 S entsprach, ihren Entschluß, das (bis zum 31.Dezember 1980) Mitglied des Vorstandes und (den) Vorsitzenden des Vorstandes der V*****, Dr. ***** R*****, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, es läge ein Schadenereignis vor, dessentwegen der Versicherer zur Zahlung eines weit um über 500.000 S überhöhten Betrages verpflichtet sei, zu Handlungen, nämlich zur Veranlassung der Überweisung entsprechender Beträge an sie, wodurch der Versicherer am Vermögen um einen 500.000 S übersteigenden Betrag geschädigt werden sollte, durch der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlungen betätigt zu haben, woraufhin Dr. ***** R***** zugunsten der von ihr genannten Konten unter wissentlichem Mißbrauch seiner Befugnisse am 25.Mai 1979 die Überweisung von 150.000 S, am 6.August 1980 die Überweisung von 488.844 S und am 9.März 1981 die Überweisung von 351.091 S veranlaßte.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte ficht diesen Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach Z 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch und den Zuspruch an die Privatbeteiligte bekämpft sie mit Berufung.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet sich die Beschwerdeführerin zunächst gegen die Feststellung, sie habe im Jahre 1987 dem Dr. K***** R***** eine mündliche Schadensmeldung erstattet. Dabei wird nach Art einer Schuldberufung und ohne prozeßordnungsmäßige Argumentation an Hand des Akteninhalts einfach eine von den Urteilsannahmen abweichende Version des Sachverhaltes vorgebracht. Abgesehen davon, daß die weiteren Urteilsfeststellungen über die im Jahre 1980 gestellten und zwangsläufig eine Schadensmitteilung enthaltenden Nachforderungen der Angeklagten gegenüber Dr. ***** R***** - welche als weitere Tathandlungen Gegenstand des Schuldspruches sind - nicht bekämpft werden und somit die rechtliche Erheblichkeit der isoliert herausgegriffenen ersten Tatphase - nämlich der im Jahre 1978 erstatteten Schadensanzeige - nicht erkennbar wird, bestehen gegen diese Urteilsannahme allein schon deshalb keine erheblichen Bedenken, weil sie durch die Verantwortung der Angeklagten voll gedeckt ist ("..... ich gehe jetzt zum Leiter der Abteilung, zum Herrn Dr. R***** und werde ihm diesen Schaden melden und das habe ich auch getan. Es waren also noch keinerlei Unterlagen und nichts noch da und das war einmal meine mündliche Meldung an den damals zuständigen obersten Mann", S 88, 89, 109/Band III).

Auch gegen die Urteilsfeststellung, daß es der Angeklagten um die Vorspiegelung eines weit höheren Schadens ging, als tatsächlich eingetreten war, vermag die Beschwerde keine Bedenken hervorzurufen. Die zum ergangenen Teilfreispruch festgestellten Vorgänge, bei denen die Angeklagte im Zuge eines zeitmäßig und aktionsmäßig völlig anders gelagerten Geschehens von einer ihr ohne Rechtsgrund zugekommenen Geldsumme von 995.000 S einen Betrag von 895.500 S als irrtümliche Zahlung an die V***** zu Handen Dris. R***** zurückgab, sind mit den zum Schuldspruch wegen versuchten schweren Betruges getroffenen Urteilskonstatierungen vereinbar, weshalb hier von einem "eklatanten Widerspruch" oder einer unschlüssigen Beweiswürdigung keine Rede sein kann.

Das weitere Vorbringen der Tatsachenanfechtung, wonach absolut untauglicher Versuch vorgelegen sei, stellt einen Einwand rechtlicher Natur dar, der auch als Nichtigkeit nach Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO weitwendig ins Treffen geführt wird.

Die vorgebrachten Rechtsrügen versagen aber ebenfalls:

Es ist nämlich unzutreffend, daß falsche Angaben über einen Versicherungsfall gegenüber einem Organ des Versicherungsunternehmens, welches zum Vermögensnachteil des Versicherers über Grund oder Höhe eines Ersatzanspruches in Irrtum geführt werden soll, noch eine straflose Vorbereitungshandlung des Versicherungsbetruges darstellen oder bei leichter Überprüfbarkeit keine tatbestandsmäßige Täuschung sein können (Mayerhofer-Rieder3 ENr. 4, 104 zu § 146 StGB). Derartige Irreführungsakte, welche tätergewollt eine unmittelbare Einwirkung auf den für die schädigende Verfügung zu Lasten des zu täuschenden Versicherers maßgeblichen Entscheidungsträger darstellen, sind keine der Betrugsausführung unmittelbar vorangehenden (und solcherart dem Versuchsbegriff entsprechenden) Handlungen, sondern bereits der Beginn der deliktischen Ausführungshandlungen. Somit gelangt der geplante Betrug durch dieses Täterverhalten auf jeden Fall ins Versuchsstadium (§ 15 Abs. 2 StGB). Für die von der Beschwerdeführerin ferner in diesem Zusammenhang angestrebte Beurteilung der Täuschungsmittel nach den Anforderungen an einen sogenannten Prozeßbetrug besteht keinerlei Anlaß, weil die Gestion eines privatrechtlichen Versicherungsunternehmens mit einem behördlichen Verfahren nicht gleichzusetzen ist, abgesehen davon, daß nach der neueren Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorsätzliche Falschangaben von Parteien gegenüber der Behörde zur Erlangung vermögenswerter Leistungen bei Vorliegen aller übrigen Tatbestandserfordernisse ebenfalls als Betrug zu beurteilen sind (JBl. 1989, 59).

Als verfehlt erweist sich auch der Einwand eines Feststellungsmangels darüber, ob die Angeklagte meinte, daß der von ihr bezeichnete Versicherungsvertrag das konkrete Schadensgeschehen überhaupt umfaßte oder ob sie in Wahrheit von einer fehlenden Versicherungsdeckung ausging. Der Angeklagten wird nämlich nur eine unternommene Täuschung über die Schadenshöhe und nicht über die Grundlage des Ersatzanspruches gegen die V***** angelastet, weshalb die bezeichnete Frage keine für den Schuldspruch entscheidende Tatsache betrifft.

Eine absolute Untauglichkeit und daher Straflosigkeit der Versuchshandlungen liegt im Sinne des § 15 Abs. 3 StGB nur vor, wenn es bei generalisierender Betrachtung geradezu denkunmöglich ist, daß der Betrug zur Vollendung gelangt. Demnach wird ein versuchter Versicherungsbetrug an einem Schadensversicherer nicht schon dadurch absolut untauglich, daß sich der in Anspruch genommene Versicherungsvertrag nicht auf das verwirklichte Schadensrisiko erstreckt und daß die zur Unterstützung der erhobenen Forderungen vorgelegten Rechnungen bei einer Überprüfung gar nicht auf das angegebene Schadensereignis zurückgeführt werden könnten, weil es eben nicht darauf ankommt, ob das Betrugsopfer bei Anwendung sonst üblicher Sorgfalt einen durch Täuschung hervorgerufenen Irrtum zu vermeiden vermag, sondern vielmehr nur entscheidend ist, ob die Irreführung unter keinen Umständen erfolgreich verlaufen kann (EvBl. 1972/80, 14 Os 121/87, 11 Os 75/88). Im vorliegenden Fall muß bei dieser Beurteilung der Art der unternommenen Betrugshandlungen überdies in die Erwägungen einbezogen werden, daß die Täuschung nicht von einem beliebigen Kunden der Versicherungsanstalt gesetzt wurde, sondern von einer Prokuristin dieses Unternehmens, welche eine entgegenkommende Behandlung zu erwarten hatte (S 477/III) und über eine vom zuständigen Vorstandsdirektor stammende Zusage der unbürokratischen Schadensabwicklung verfügte (S 466/III). Allein schon diese in den Beschwerdedarlegungen übergangenen Sachverhaltsmodalitäten stehen der Annahme entgegen, daß das Betrugsvorhaben der Angeklagten von vornherein chancenlos war, weshalb keine absolute Untauglichkeit des Versuches angenommen werden kann.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich einwendet, nach dem Urteilssachverhalt habe sie die angestrebten Leistungen gar nicht als Ersatz eines versicherten Schadens, sondern als Abgeltung eines besonderen Arbeitseinsatzes für das Versicherungsunternehmen erlangen wollen und daher ohne Betrugsvorsatz gehandelt, liegt eine prozeßordnungswidrige Umdeutung der erstgerichtlichen Entscheidungsgründe vor: Den Feststellungen zufolge durfte die Angeklagte bei der Frage, ob der Schaden am Rohbau ihres Hauses überhaupt durch die Eigenheim-Bündelversicherung gedeckt war, mit einer Kulanzentscheidung zu ihren Gunsten und ebenso mit dem Ersatz des gesamten Schadens rechnen. Daraus folgt nicht, daß die Erwartung der Angeklagten sich auch darauf erstreckte, aus Kulanzgründen und ohne kausale betrügerische Irreführung weitere Zahlungen zu erlangen, die über den ohnehin geleisteten Ersatz eines Schadens hinausgingen. Mit diesem Beschwerdevorbringen wird dem Urteil in subjektiver Richtung ein Inhalt unterstellt, der darin in Wahrheit nicht zum Ausdruck kommt. Der Rechtsrüge mangelt es sohin insoweit an einer dem Gesetz entsprechenden Ausführung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach § 147 Abs. 3 StGB eine zwanzigmonatige, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe, wobei kein Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen gewertet wurde, daß die Angeklagte vor und nach dieser schon länger zurückliegenden Tat, die mit ihrem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat.

Mit ihrer Berufung gegen diesen Strafausspruch begehrt die Angeklagte die erhebliche Herabsetzung dieser Freiheitsstrafe in Heranziehung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB unter Hinweis auf das weite Zurückliegen der Tat, die lange Verfahrensdauer, ihr langjähriges Dienstverhältnis zur V*****, aus dem sie ausscheiden mußte, und den Umstand, daß aus der ihr angelasteten Straftat (versuchter Betrug) kein Schaden entstanden sei.

Mit dem zuletzt genannten Einwand rügt die Berufungswerberin tatsächlich eine Inkonsequenz des Schöffengerichtes, das zwar ausdrücklich feststellt, daß sich Dr. R***** von der Angeklagten nicht täuschen ließ (weshalb der Betrug beim Versuch blieb) und die Überweisungen aus anderen Motiven heraus veranlaßte (US 468, 469/III), im Rahmen der Strafzumessung den Milderungsumstand nach § 34 Z 13 StGB aber nicht anerkennt, weil der Schaden tatsächlich eingetreten ist. Wenn das Erstgericht - entgegen dem durchaus begründeten Anklagevorwurf - glaubt, daß Lisbeth W***** in subjektiver Richtung von den die V***** schädigenden Untreuehandlungen des Dr. R***** keine Kenntnis hatte, dann kann ihr der Schadenseintritt, der ausschließlich durch diese Untreuehandlungen bewirkt wurde, im Rahmen der Strafzumessung auch nicht angerechnet werden. Blieb daher ihre Tat beim Versuch, liegt der genannte Milderungsumstand vor, wenn er auch nicht das Gewicht haben mag wie im Normalfall.

Bei zusammenschauender Würdigung der wie dargestellt zu korrigierenden Strafzumessungsgründe erscheint unter weiterer Bedachtnahme auf die lange Verfahrensdauer (Anklage vom 26. August 1987, Urteil erster Instanz vom 10.April 1991) die vom Schöffengericht verhängte (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe doch etwas überhöht, weshalb der Berufung spruchgemäß Folge zu geben war.

Wegen der bereits erörterten, durch die unabänderlichen Feststellungen vorgegebenen strafrechtlichen Subsumtion kann aber auch dem weiteren Berufungsbegehren der Angeklagten auf Aufhebung des Zuspruches an die Privatbeteiligte nicht entgegengetreten werden. Das Strafgericht darf nämlich nur dann über privatrechtliche Ansprüche absprechen, wenn es den Angeklagten gleichzeitig wegen der Straftat verurteilt, aus der die Ansprüche abgeleitet werden (vgl. Mayerhofer-Rieder3 E 3, 4 zu § 366 StPO, 13 Os 54/85). Wie jedoch bereits dargelegt, entstand der V***** durch den urteilsgegenständlichen Betrugsversuch aber kein vermögensrechtlicher Nachteil, sondern ausschließlich durch die dem seinerzeitigen Generaldirektor Dr. R***** rechtskräftig angelasteten Tathandlungen nach § 153 StGB. Der Schadenersatzanspruch gegen die Berufungswerberin kann sich daher - möge sie den Betrag auch aus anderen Gründen der V***** schulden - nicht auf den hier vorliegenden Schuldspruch stützen.

Die Privatbeteiligte war daher mit allen Ansprüchen - wie zum Teil bereits vom Erstgericht - auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, den sie ohnehin bereits bestritten hat.

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