OGH 13Os117/91

OGH13Os117/9118.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marian B***** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juni 1991, GZ 6 a Vr 12394/90-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.November 1954 geborene Angeklagte Marian B***** des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG schuldig erkannt, weil er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider in der Zeit zwischen Juni 1989 und Mitte September 1990 durch Verkauf von insgesamt 300 Gramm Kokain und 200 Gramm Heroin an den abgesondert verfolgten Horst H***** sen. Suchtgifte in einer Menge, welche die im § 12 Abs. 1 SGG genannte Menge um das Fünfundzwanzigfache übersteigt, in Verkehr gesetzt hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf die Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft mit Berufung angefochten.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen bot der Angeklagte im Sommer 1989 dem heroinsüchtigen Horst H***** sen. an, größere Suchtgiftmengen zu beschaffen. Diesem kam das Anbot "durchaus gelegen" (S 221), da er dadurch nicht nur seinen eigenen Bedarf, sondern auch den seiner Söhne Horst H***** jun. und Thomas H***** zu decken in der Lage war. In der Folge verkaufte der Angeklagte in der Zeit von Juni 1989 bis Mitte September 1990 in mehreren Tathandlungen dem Horst H***** sen. zumindest 200 Gramm Heroin guter Qualität (mit einem Reinheitsgehalt von 34,5 %) und 300 Gramm Kokain von minderer Qualität (mit einem Reinheitsgehalt von etwa 10,5 %), wodurch mit Beziehung auf das überlassene Heroin (69 Gramm Reinsubstanz) das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge des § 12 Abs. 1 SGG (von 1,5 Gramm Reinsubstanz) deutlich überschritten wurde (AS 220, 221; 226).

Rechtliche Beurteilung

In seiner Mängelrüge (Z 5) reklamiert der Beschwerdeführer eine "Unvollständigkeit des Urteils", weil sich das Erstgericht nicht mit den unterschiedlichen Angaben des Zeugen Horst H***** sen. bei dessen Vernehmungen am 17. und 18.September 1990 über den Zeitpunkt des Erwerbes von 100 Gramm Heroin und auch nicht damit auseinandergesetzt habe, daß dieser Zeuge bei seiner ersten Vernehmung am 17.September 1990 aussagte, er habe im September 1990 auch von N. W***** (S 31) und im Laufe eines Jahres von Gerald B***** Heroin bezogen (S 57), andererseits aber behauptete, ab Februar bzw. ab Juni 1989 Suchtgift ausschließlich vom Angeklagten erhalten zu haben (S 35). Diesen Teil der (ersten) Aussage des genannten Zeugen mußte das Schöffengericht aber deshalb nicht gesondert erörtern, weil diese abweichenden Darstellungen darauf zurückzuführen sind, daß sich der genannte Zeuge bei diesen Vernehmungen nicht an alle Einzelheiten erinnern konnte (vgl. S 31 letzter Satz). Auch unterzog der erkennende Senat die den leugnenden Angeklagten belastende Aussage des Horst H***** sen. unter Einbeziehung der Angaben dieses Zeugen vor der Polizei einer durchaus kritischen Prüfung und hielt die im wesentlichen übereinstimmenden Darstellungen vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung insbesonders auch deshalb für wahr, weil diese von Horst H***** jun. und Thomas H*****, die jeweils einmal Zeugen der Suchtgiftübergabe geworden waren, bestätigt wurden und weil der Angeklagte kein plausibles Motiv nennen konnte, warum ihn drei - wenn auch suchtgiftabhängige (AS 220, 221) - Zeugen bewußt falsch verdächtigen sollten (AS 220-225). Daß das Erstgericht nach Lage des Falles auch "zu einer anderen Beweiswürdigung und zu einer anderen Entscheidung" hätte gelangen können (AS 251), stellt den angerufenen formellen Nichtigkeitsgrund nicht her.

Mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe die subjektive Tatseite nicht ausreichend begründet, zumal der Angeklagte den Suchtgifthandel stets bestritten habe, die bezüglichen Feststellungen seien daher nicht überprüfbar, macht der Angeklagte der Sache nach zunächst einen (weiteren) Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend. Die Rüge vernachlässigt dabei aber die für den abstrakten Gefährdungsvorsatz gegebene Begründung, und zwar den Hinweis auf die Aussagen der Zeugen in Verbindung mit der einschlägigen Erfahrung des Angeklagten als Suchtgiftdealer (US 4 unten).

Die weiteren Beschwerdeausführungen im Sinne einer Rechtsrüge, mit denen behauptet wird, der Vorsatz hinsichtlich einer "kontinuierlichen Tatbegehung", der allein eine Zusammenrechnung der Suchtgiftmengen rechtfertige, sei nicht konstatiert, gehen nicht vom vollständigen Urteilssachverhalt aus. Denn sie berücksichtigen nicht die Urteilsfeststellungen über die Vereinbarung einer Beschaffung bzw. Übernahme größerer Suchtgiftmengen (US 5 = S 221).

Richtig ist, daß die Zusammenrechnung der Einzelmengen aus einer Serie von Tathandlungen voraussetzt, daß der Vorsatz des Täters von vornherein auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und auch die anderen Voraussetzungen des Fortsetzungszusammenhanges gegeben sind. Nur in solchen Fällen kommt den Einzelakten keine selbständige Bedeutung zu, sodaß es einer Aufschlüsselung der Gesamtmenge nicht bedarf und auch die "große Menge" (§ 12 Abs. 1 SGG) sowie auch die "übergroße Menge" (§ 12 Abs. 3 Z 3 SGG) anhand der Gesamtmenge zu prüfen ist (11 Os 60/87 ua). Mit den oben erwähnten Feststellungen über die vereinbarte Belieferung ohne jede Beschränkung wird aber ohnedies unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß der Tatplan auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war, die jeweiligen Tathandlungen somit einem einheitlichen Willensentschluß des Täters entsprungen sind und die - bei den als rechtliche Handlungseinheit aufzufassenden Einzelakten

weitergegebenen - Suchtgiftmengen solcherart eine übergroße Menge im Sinne des § 12 Abs. 3 Z 3 SGG erreicht haben. Damit entbehrt die Rechtsrüge einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung des behaupteten Nichtigkeitsgrundes.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO im Zusammenhalt mit dem § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufungen wird demnach das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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