OGH 6Ob17/91

OGH6Ob17/9112.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchsache der J***** Gesellschaft mbH, ***** infolge Revisionsrekurses der Geschäftsführer der Gesellschaft

1) Kommerzialrat Josef Z*****, 2) Johann B*****, 3) Gerold B*****, und 4) Dr. Egmond S*****, alle vertreten durch Dr. Wilhelm Schneider, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30. August 1991, GZ 6 R 90/91-60, womit der Beschluß des Kreis- als Handelsgerichtes Wiener Neustadt vom 21. Juni 1991, GZ HRB 967-57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

In dem beim Erstgericht geführten Firmenbuch ist die J***** Gesellschaft mbH (im folgenden Gesellschaft) eingetragen. Einzige Gesellschafterin laut der Liste der Gesellschafter war am 30. Jänner 1991 die A*****-Aktiengesellschaft (im folgenden A*****).

Nach dem Inhalt der Firmenbucheingabe der Gesellschaft vom 18. März 1991 (eingelangt beim Erstgericht am 5. April 1991) ON 54 wurde bei der außerordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft vom 18. März 1991 der Beschluß der Gesellschafter auf Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft von voll und bar eingezahlten Nominale 50,000.000 S um Nominale 5,000.000 S auf Nominale 55,000.000 S gefaßt; zur Übernahme der Kapitalerhöhung unter teilweisem Ausschluß des Bezugsrechtes der A***** wurden zugelassen a) die A***** hinsichtlich eines Teiles des Erhöhungsbetrages im Nominale von 1,577.000 S zu einem Übernahmspreis von 24,600.000 S und b) die C***** Aktiengesellschaft (im folgenden C*****) hinsichtlich eines Teiles des Erhöhungsbetrages im Nominale von 3,423.000 S zu einem Übernahmspreis von 53,400.000 S. Demgemäß wurde Punkt Fünftens des Gesellschaftsvertrages neu gefaßt und lautete: "Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 55.000.000 S, ist voll und bar eingezahlt und von folgenden Gesellschaftern übernommen: a) von der A***** hinsichtlich einer Stammeinlage von 51,577.000 S und b) von der C***** hinsichtlich einer Stammeinlage von 3,423.000 S." Die Geschäftsführer gaben iS des § 10 Abs 3 GmbHG die Erklärung ab, daß die für die neuen Stammeinlagen zu erbringenden Übernahmspreise, sohin ein Betrag von insgesamt 78,000.000 S voll und bar einbezahlt seien, sich in ihrer freien Verfügung befänden und sie in ihrer Verfügung über diese Beträge nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen, beschränkt seien. Entsprechend dem rechtskräftigen Eintragungsbeschluß des Erstgerichtes vom 12. April 1991 (ON 55) wurde an diesem Tag ins Firmenbuch eingetragen, daß mit Beschluß der Generalversammlung vom 18. März 1991 das Stammkapital um 5,000.000 S auf 55,000.000 S erhöht und der Gesellschaftsvertrag im Punkt Fünftens geändert worden sei.

Mit Schriftsatz vom 18. Juni 1991 (ON 56) meldeten die Geschäftsführer der Gesellschaft die Eintragung einer Kapitalerhöhung auf Nominale 70,000.000 S mit dem Vorbringen an, in der außerordentlichen Generalversammlung vom 6. Juni 1991 sei das Protokoll des einschreitenden öffentlichen Notars über die außerordentliche Generalversammlung vom 18. März 1991 in Ansehung der zu den Punkten 1.) und 3.) der Tagesordnung gefaßten Beschlüsse einstimmig dahin berichtigt worden, daß das Stammkapital richtig um Nominale 20,000.000 S (statt 5,000.000 S) auf Nominale 70,000.000 S (statt 55,000.000 S) erhöht worden sei, wovon a) die A***** (wie bisher) Nominale 1,577.000 S und b) die C***** Nominale 18,423.000 S (statt 3,423.000 S) bei jeweils gleichbleibenden Übernahmspreisen übernehme. Demgemäß sei auch Punkt Fünftens des Gesellschaftsvertrages entsprechend berichtigt und neu gefaßt worden. Da der Übernahmspreis von 78,000.000 S unverändert bleibe, erscheine die im Zuge der szt.

Kapitalerhöhung auf Nominale 55,000.000 S abgegebene Erklärung der Geschäftsführer iS des § 10 Abs 3 GmbHG auch für die gegenständliche, "berichtigte" Kapitalerhöhung ausreichend. Die Geschäftsführer erklärten "vorsichtshalber" weiters, daß die für die neuen Stammeinlagen zu erbringenden Übernahmspreise, sohin ein Betrag von insgesamt 78,000.000 S bereits vor der letzten Eingabe vom 5. April 1991 voll und bar eingezahlt sei, sich seit diesem Zeitpunkt in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinde und sie in ihrer Verfügung über diese Beträge nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen, beschränkt seien.

Das Erstgericht wies den Eintragungsantrag im wesentlichen aus der rechtlichen Erwägung ab, beim gestellten Antrag handle es sich materiellrechtlich um einen Berichtigungsantrag. Im Firmenbuch seien subsidiär die Bestimmungen der ZPO anzuwenden. Berichtigungen seien nur aufgrund - hier nicht

vorliegender - offenbarer Unrichtigkeiten oder Rechenfehler möglich. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe zwar in der Entscheidung WBl 1988, 236 = NZ 1988, 333 eine rückwirkende Kapitalerhöhung als zulässig erachtet, doch könne dies nicht in Form einer Berichtigung erfolgen.

Die zweite Instanz bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 50.000 S. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde zugelassen. Nach der wesentlichen Rechtsauffassung der zweiten Instanz stelle sich die Berichtigung in Wahrheit als unzulässiger Versuch einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dar.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Geschäftsführer der Gesellschaft ist zulässig (SZ 52/41), aber nicht berechtigt.

Soll die Kapitalbasis einer Gesellschaft mbH durch Erhöhung des Stammkapitals erweitert werden, so kann dies auf zweifache Art geschehen, nämlich entweder durch Kapitalerhöhung aus Mitteln

a) der Gesellschaft (Kapitalberichtigung oder sogenannte nominelle Kapitalerhöhung) oder b) der Gesellschafter bzw Dritter (sogenannte effektive Kapitalerhöhung). Bei ersterer wird nicht neues Kapital zugeführt, sondern es werden freie Rücklagen in Stammkapital umgewandelt; die Summe der Mittel, die der Gesellschaft dienen, bleibt dadurch unverändert; es ändert sich aber die rechtliche Ordnung der Eigenmittel (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 469; Kastner-Doralt-Nowotny, Grundriß des österr. Gesellschaftsrechts5 310; Stoll, Die ertragssteuerrechtliche Beurteilung der ordentlichen Kapitalerhöhung in Festschrift Kastner (1972) 491 ff, 494). In der außerordentlichen Generalversammlung vom 18. März 1991 beschlossen die Gesellschafter eine effektive Kapitalerhöhung. Da das Stammkapital bei Übernahmspreisen von insgesamt 78,000.000 S um Nominale 5,000.000 S erhöht werden sollte, betrug das zulässige (Reich-Rohrwig aaO, 37; Gellis-Feil, Kommentar zum GmbH-Gesetz2, § 6 Anm 3 mwN, § 52 Anm 15a; Wünsch, GmbHKomm, § 4 GmbHG Rz 31) Aufgeld (Agio) bei dieser Überpari-Emission 73,000.000 S. Das Agio wird nicht dem Stammkapital zugeschlagen (Wünsch aaO, § 4 GmbHG Rz 31 mwN) und dient bei Kapitalerhöhungen insbesondere der Herstellung der Wertäquivalenz der alten und neuen Stammeinlagen oder auch der Abdeckung von Verlusten (Reich-Rohrwig aaO, 37). Der notariell zu beurkundende Beschluß der Gesellschafter einer Gesellschaft mbH auf effektive Erhöhung des Stammkapitals ist ein Beschluß auf Abänderung des Gesellschaftsvertrages (§ 52 Abs 1 GmbHG), denn das Stammkapital (§ 4 GmbHG) ist ein Essentiale des Gesellschaftsvertrages (Reich-Rohrwig aaO, 469; Gellis-Feil aaO, § 52 Anm 2; Wünsch aaO, § 4 GmbHG Rz 25; Kastner-Doralt-Nowotny aaO, 441). Erst nach Übernahme und Einzahlung der neuen Stammeinlagen ist die Kapitalerhöhung zum Firmenbuch anzumelden (§ 53 GmbHG), um mit ihrer Eintragung im Firmenbuch wirksam zu werden (Reich-Rohrwig aaO, 470; Kastner-Doralt-Nowotny aaO, 441). Durch die rechtskräftige Eintragung im Firmenbuch wurde auch hier die (tatsächlich durchgeführte) effektive Kapitalerhöhung wirksam.

Der Beschluß der Gesellschafter - als Rechtshandlung, die auf die verbindliche Fixierung des gemeinsamen Willens als Willen der Gesellschaft gerichtet ist (Koppensteiner in Rowedder, GmbHG2, § 47 dGmbHG Rz 3, 6; Hüffer in Hachenburg, GmbHG8, § 47 dGmbHG Rz 36) - in der außerordentlichen Generalversammlung vom 6. Juni 1991, das Nominale der Kapitalerhöhung statt mit 5,000.000 S mit 20,000.000 S zu bestimmen, demgemäß das Agio entsprechend zu verringern, unabhängig vom gleichbleibenden Willen der Gesellschafter, einen Barbetrag von 78,000.000 S der Gesellschaft zuzuführen, stellt keine "Berichtigung" eines in der außerordentlichen Generalversammlung vom 18. März 1991 unterlaufenen Schreib- oder Rechenfehlers dar, sondern ist Ausdruck einer zulässigen Willensänderung der Gesellschafter, wie der Revisionsrekurs auch selbst zu erkennen gibt. Denn wie erstmals im Revisionsrekurs ausgeführt wird, war Beweggrund für die Beteiligung der C***** an der Gesellschaft die Einbringung dieser Beteiligung zum Stichtag 31. März 1991 in die "100 %-ige Muttergesellschaft" der C***** unter Inanspruchnahme der abgabenrechtlichen Begünstigungen des Art I Abs 1 lit e StruktVG ohne Durchführung einer Kapitalerhöhung bei der Muttergesellschaft und einer unmittelbar hierauf zu erfolgenden Abtretung eines 26 %igen Anteiles an der C***** an ein weiteres Unternehmen und eine Voraussetzung nach dem StruktVG eine wesentliche Beteiligung; diese werde bei Beteiligung mit einem Nominale von 3,423.000 S nicht erreicht, sondern erst mit einem Nominale von 18,423.000 S. Versehentlich sei nur eine 6 %ige Beteiligung geschaffen worden, wogegen als wesentlich eine mindestens 25 %ige Beteiligung verlangt werde. Der Beschluß der außerordentlichen Generalversammlung vom 6. Juni 1991 war somit inhaltlich eine Änderung des satzungsändernden Beschlusses vom 18. März 1991, dessen abgabenrechtliche Folgen offenbar als wirtschaftlich kontraproduktiv erkannt wurden.

Die am 12. April 1991 im Firmenbuch eingetragene Satzungsänderung der effektiven Kapitalerhöhung war gemäß § 49 Abs 2 GmbHG konstitutiv. Nach einheitlicher und von den Rechtsmittelwerbern auch nicht in Frage gestellter Auffassung ist eine nach der Eintragung der Satzungsänderung im Firmenbuch vorgenommene Änderung eines Gesellschafterbeschlusses eine neue Satzungsänderung, deren Eintragung wiederum nur unter Beachtung der dafür bestehenden gesetzlichen oder statutarischen Voraussetzungen erfolgen kann (Reich-Rohrwig aaO, 435; Priester in Scholz7, Kommentar zum GmbH-Gesetz, § 53 dGmbHG Rz 183, § 55 dGmbHG Rz 35; vgl auch Schiemer, Handkommentar zum AktG2 § 149 AktG Anm 2.2). Entsprechend dem Vorbringen der Geschäftsführer der Gesellschaft und der vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfenden Tatsachengrundlage war bei Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses am 12. April 1991 im Firmenbuch der Übernahmspreis von 78,000.000 S (Nominale und Agio) bereits zur freien Verfügung der Geschäftsführer. Dem entspricht, daß die Anmeldung der Kapitalerhöhung wie bei der Gesellschaftsgründung die sogenannte "§ 10-Erklärung" zu enthalten hat (Reich-Rohrwig aaO, 494). Zutreffend ging die zweite Instanz daher davon aus, daß der neuerliche Generalversammlungsbeschluß vom 6. Juni 1991 inhaltlich die Verwendung von Gesellschaftsmitteln - und nicht von Mitteln von Gesellschaftern (oder Dritten) - zur Kapitalerhöhung anstrebte und damit anders als bei dem auf effektive Kapitalerhöhung gerichteten Beschluß der außerordentlichen Generalversammlung vom 18. März 1991 nunmehr nur eine Kapitalberichtigung anstreben konnte.

Nach § 1 KapitalberichtigungsG BGBl 1967/171 (KapBG) - die Änderungen durch Art IV des RLG BGBl 1990/475 sind hier noch unanwendbar - unterliegen Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln stets dem KapBG, ein "Verzicht" auf dessen Vorschriften und die bloße Anwendung des GmbHG für Kapitalberichtigungen ist nicht zulässig. Der Beschluß der außerordentlichen Generalversammlung vom 6. Juni 1991 kann daher inhaltlich nur als solcher auf Kapitalberichtigung angesehen werden. Entgegen § 3 Abs 4 KapBG stehen die neuen Anteilsrechte den Gesellschaftern nicht im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Nennkapital kraft Gesetzes zu, sodaß der Beschluß der außerordentlichen Generalversammlung vom 6. Juni 1991 nichtig ist (Reich-Rohrwig aaO, 471, 490) und daher schon deshalb nicht zu einer Eintragung im Firmenbuch führen kann (Reich-Rohrwig aaO, 510), ohne daß das Vorliegen der übrigen, auch im Rechtsmittel verneinten Voraussetzungen nach dem KapBG geprüft werden müßte.

Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.

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