OGH 4Ob560/91

OGH4Ob560/913.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Helga K*****, vertreten durch Dr.Diethard Kallab, Rechtsanwalt in Leoben, wider den Antragsgegner Michael S*****, vertreten durch Dr.Harald W.Jessen und DDr.Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 13.August 1991, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10.Oktober 1991, GZ R 674/91-26 und 33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom 1.Juli 1991, GZ 10 F 9/81-22, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der den Aufteilungsantrag abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 6.789,60 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 1.131,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die am 18.1.1975 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit dem am 15.6.1981 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 21.5.1981, 4 Cg 344/80, aus dem alleinigen Verschulden des Mannes geschieden. Durch die Eheschließung war der am 9.1.1975 geborene gemeinsame Sohn Michael legitimiert worden; die Frau brachte zwei Töchter aus erster Ehe in ihre zweite Ehe mit. Der Mann ist alleiniger Hauptmieter der Ehewohnung (Gemeindewohnung) in Leoben, F*****gasse *****.

Mit Schriftsatz vom 7.7.1981, beim Erstgericht eingelangt am 8.7.1981, beantragte die Frau "die Zuweisung dieser früheren Ehewohnung an sie", weil sie auf deren Weiterbenützung dringend angewiesen sei.

Der Mann trat dem Antrag mit der Behauptung entgegen, daß die Frau in ihrem eigenen Haus wohnversorgt sei und er selbst infolge Krankheit und Pflegebedürftigkeit die Wohnung für sich benötige.

Laut Protokoll der Tagsatzung vom 12.10.1982 schlossen die Parteien "nach Erörterung der Sach- und Rechtslage nachstehende Vereinbarung:

1) Herr Michael S***** als Mieter der Wohnung F*****gasse *****, gelegen im 1.Stock, Wohnung Nr 3, bestehend aus Wohnküche, Schlafraum, Kammer, Bad und WC, Speise und Vorraum, gibt die verbindliche Erklärung ab, diese Wohnung seiner gesch.Gattin Helga K***** auf die Dauer von 8 Jahren, das ist sohin bis 1.11.1990, unentgeltlich zur Benützung zu überlassen. Der Hauptmietzins wird demnach von Herrn Michael S***** getragen, während die anfallenden Betriebskosten inkl.Kosten für Strom die gesch.Gattin Frau Helga K***** zu tragen hat.

2) Herr Michael S***** erklärt weiters verbindlich, die von ihm in Bestand genommene Wohnung auf diese Dauer von 8 Jahren nicht zu betreten.

3) Frau Helga K***** verpflichtet sich, die Garage, die nicht zum Mietgegenstand der Wohnung F*****g ***** gehört und die von ihrem PKW Mercedes belegt ist, sofort gegen Bezahlung eines Kaufpreises von 7.000 S für diesen PKW zu räumen.

4) Herr Michael S***** bezahlt nun diesen Betrag von 7.000 S an Frau Helga K***** als Kaufpreis für diesen PKW, sie bestätigt den Empfang dieses Geldbetrages und verpflichtet sich, den Typenschein sowie den Autoschlüssel und den Garagenschlüssel sowie den Kaufvertrag bis spätestens 13.10.1982 bei Gericht zu hinterlegen.

Die von beiden Teilen eingegangen Verpflichtungen gelten bei sonstiger Exekution."

Das Protokoll trägt die Unterschrift beider Parteien.

Mehr als acht Jahre später, nämlich am 25.10.1990, langte - mit Rücksicht auf die seit Abschluß der Vereinbarung vom 12.10.1982 geänderten Verhältnisse - der Antrag der Frau auf "nunmehr endgültige Zuweisung der Ehewohnung an sie" ein.

Der Mann hielt dem entgegen, daß der ursprünglich geltend gemachte Aufteilungsanspruch der Frau durch den Vergleichsabschluß vom 12.10.1982 erledigt worden sei, ergebe sich doch daraus schlüssig, daß die Frau die Wohnung nach dem 1.11.1990 zu räumen habe. Der neue Antrag der Frau sei überdies verfristet.

Demgegenüber behauptete die Frau, daß es Sinn und Zweck des Vergleiches vom 12.10.1982 gewesen sei, ihr samt Kindern mangels einer anderen Wohnungversorgung weiterhin eine Wohnmöglichkeit einzuräumen. Der Mann habe sich deshalb bereit erklärt, anstelle von Unterhaltsleistungen den Mietzins für die Dauer von acht Jahren zu zahlen; er sei bereits damals anderweitig wohnversorgt gewesen und habe unmißverständlich zu erkennen gegeben, daß er auf die Ehewohnung gar keinen Wert mehr lege. Auch der damalige Verhandlungsleiter habe der Frau versichert, daß sie mit den Kindern für immer in der Wohnung verbleiben könne. In diesem Sinne enthalte die Vereinbarung vom 12.10.1982 auch keine Räumungsverpflichtung der Frau.

Das Erstgericht wies ohne weitere Beweisaufnahmen den Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung an die Frau ab. Der Verfahrensgegenstand habe durch die Vereinbarung vom 12.10.1982 eine endgültige Regelung erfahren, so daß "res judicata" vorliege.

Das Rekursgericht faßte inhaltlich einen Aufhebungsbeschluß und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auch im nachehelichen Aufteilungsverfahren komme einem gerichtlichen Vergleich verfahrensbeendigende Wirkung nur in dem Umfang zu, in dem eine Einigung der Parteien über den Streitgegenstand erzielt worden sei. Hier habe die Frau - rechtzeitig im Sinne des § 95 EheG - die Zuweisung der Ehewohnung begehrt; die Vereinbarung vom 12.10.1982 enthalte aber nur eine Regelung über einen Teil dieses Verfahrensgegenstandes, nämlich über die unentgeltliche Benützung der Wohnung für einen bestimmten Zeitraum und über die Tragung der damit verbundenen Kosten. Der Vereinbarung könne auch nicht die Absicht der Frau entnommen werden, die Ehewohnung nach dem Verstreichen der genannten Frist zu verlassen. Die Frage der (endgültigen) Zuweisung der Wohnung sei daher noch offen. Bisher habe sich das Aufteilungsverfahren in einem ruhensähnlichen Zustand befunden.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Mannes mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes oder auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Die Frau hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Frau zunächst fristgerecht (§ 95 EheG) einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung an sie gestellt hatte. Von ihrem Antrag war daher quantitativ nur die Ehewohnung umfaßt gewesen, welche kraft der Legaldefinition des § 81 Abs 2 EheG immer eheliches Gebrauchsvermögen ist. Es ist auch zulässig, die gerichtliche Aufteilung im Sinne der §§ 85 ff EheG bloß für einzelne Vermögensgegenstände zu begehren (Koziol-Welser9 II 239 mwH in FN 160). Qualitativ, also hinsichtlich der vom Gericht zu treffenden Anordnungen, hat die Frau zwar keinen Vorschlag gemacht; hier kam aber nur eine rechtsgestaltende Verfügung des Außerstreitrichters gemäß § 87 Abs 2, erster Fall, EheG in Betracht, weil der Mann alleiniger Hauptmieter der Ehewohnung ist. Das Gericht konnte somit nur die Person des Alleinmieters im Sinne einer Ersetzung des Mannes durch die Frau auswechseln, nicht aber ein Rechtsverhältnis begründen, das gegenüber dem Vermieter noch nicht bestanden hatte (Schwimann-Bernat, ABGB I, § 87 EheG Rz 4; SZ 53/165; JBl 1982, 212; EvBl 1982/160; RZ 1988/4). Nur eine solche rechtsgestaltende Verfügung war daher Gegenstand des von der Frau angestrebten Aufteilungsverfahrens gemäß §§ 81 ff EheG (EFSlg 57.400).

Aus §§ 85, 97 Abs 2 EheG und aus § 230 Abs 1, letzter Satz, AußStrG ergibt sich, daß der Gesetzgeber der gütlichen Einigung der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung einräumt, welche erst dann und nur insoweit Platz greifen soll, als die gütliche Einigung ausbleibt (EvBl 1982/160 mwH). Eine rechtswirksame Regelung nach § 97 Abs 2 EheG schließt jedenfalls, so weit sie reicht, eine Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG aus (Schwimann-Bernat aaO § 97 EheG Rz 7; SZ 52/129). Auch nach Einleitung des gerichtlichen Aufteilungsverfahrens kann aber - vom Gesetzgeber sogar erwünscht (§ 230 Abs 1, letzter Satz, AußStrG) - eine Vereinbarung nach § 97 Abs 2 EheG zustande kommen, und zwar entweder in Form eines gerichtlichen Vergleiches oder als außergerichtliche Einigung. In beiden Fällen liegt eine zulässige und daher rechtswirksame Vereinbarung im Sinne des § 97 Abs 2 EheG vor (SZ 53/150). Das ergibt sich insbesondere aus § 230 Abs 2 AußStrG, wonach im Aufteilungsverfahren auch die Bestimmungen der ZPO über den Vergleich anzuwenden sind (EvBl 1982/160). Entgegen der Meinung der Frau können aber solche Vereinbarungen auch nicht nachträglich mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens an geänderte Verhältnisse angepaßt werden (Koziol-Welser aaO 238; Schwimann-Bernat aaO § 95 EheG Rz 9; EvBl 1982/160).

Ob ein Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet wurde (und ob ein solcher gerichtlicher Vergleich einen Exekutionstitel im Sinne des § 1 Z 5 EO bildet), ist ausschießlich nach Prozeßrecht zu beurteilen, weil es insoweit um die Wirksamkeit einer Prozeßhandlung geht. Die prozessuale Unwirksamkeit eines Vergleiches kann von den Parteien durch einen Fortsetzungsantrag geltend gemacht werden (SZ 59/170 mwH); derartiges hat aber die Frau mit ihrem Antrag vom 25.10.1990 nicht einmal behauptet. Der Form und dem Inhalt nach handelt es sich bei der im Tagsatzungsprotokoll vom 12.10.1982 beurkundeten "Vereinbarung" jedenfalls um einen gerichtlichen Vergleich im Sinne des § 204 ZPO, mag er auch nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet worden sein. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ergibt schon die Auslegung dieses Vergleiches nach dem Wortsinn und dem Zweck sehr wohl, daß er auf die Beendigung des Verfahrensverhältnisses zwischen den Parteien gerichtet war, enthalten doch seine Punkte 1 und 2 im Zusammenhalt mit dem Schlußsatz des Punktes 4 eine vollstreckbare Regelung über den Verfahrensgegenstand, ohne daß sich daraus eine Beschränkung auf einzelne Streitpunkte entnehmen ließe. Vielmehr hat sich die Frau damit zufriedengegeben, daß der Mann zwar Hauptmieter der Wohnung bleibt, ihr aber diese immerhin für die Dauer von acht Jahren zur alleinigen Benützung überläßt, wobei der Mann weiterhin den Hauptmietzins zu entrichten und sich verpflichtet hatte, die Wohnung während dieser Zeit nicht zu betreten. Auch die privatrechtliche Bereinigungswirkung des Vergleiches umfaßte demnach den gesamten geltend gemachten Anspruch auf Zuteilung der Ehewohnung. Im Vergleichsweg konnten die Parteien zwar ohne Zustimmung des Vermieters keine Vereinbarung im Sinne der von der Frau angestrebten rechtsgestaltenden gerichtlichen Verfügung treffen; sie haben aber kraft ihrer privatautonomen Gestaltungsfreiheit über den Verfahrensgegenstand Ehewohnung eine andere Einigung gemäß § 97 Abs 2 EheG erzielt.

Da somit über den Gegenstand des von der Frau eingeleiteten Aufteilungsverfahrens bereits ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen wurde, kam diesem auch verfahrensbeendende Wirkung zu, so daß eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr in Betracht kommt. Vielmehr ist die vom Mann erhobene materiellrechtliche Einwendung der verglichenen Streitsache begründet, so daß in Stattgebung seines Revisionsrekurses die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Gemäß § 234 AußStrG erscheint es billig, dem obsiegenden Mann die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zuzusprechen.

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