OGH 4Ob561/91

OGH4Ob561/9122.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Alfred F*****, vertreten durch Dr.Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

  1. 1.) Fertigteilwerk Ing.K***** Gesellschaft mbH Co KG;
  2. 2.) Fertigteilwerk Ing.K***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2,219.721,60 S sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 2,719.721,60 S; Revisionsinteresse: 2,219.721,60 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20.Dezember 1990, GZ 2 R 206/90-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 1.August 1990, GZ 14 Cg 66/88-59, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Zwischenurteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 2,219.721,60 S sA zu ersetzen, besteht dem Grunde nach zu 3/4 zu Recht. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten."

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch die Zwischenurteile der Vorinstanzen, mit denen diese über das Zahlungsbegehren des Klägers dem Grunde nach abgesprochen haben.

Der Kläger war als Generalunternehmer von der B***** Gesellschaft mbH mit der Errichtung einer Verkaufshalle aus Fertigteilen in W*****, beauftragt worden. Mit Werkvertrag vom 13.7.1987 beauftragte er die Erstbeklagte als Subunternehmerin (nur) mit der Herstellung der Hallen-Fertigteile und deren Montage; die anderen Arbeiten zur Herstellung der Halle blieben im Aufgabenbereich des Klägers.

Nachdem die Erstbeklagte ihre Arbeiten - bis auf das Einsetzen der Wandplatten im Bereich der Stützen B 12, A 2, 13 - im wesentlichen innerhalb des Zeitplanes fertiggestellt hatte, errichtete der Kläger den Hallenboden. Am 11.9.1987 setzte dann die Erstbeklagte die noch fehlenden Wandplatten ein, worauf der Kläger im Anschluß daran die Decke in diesem Bereich betonierte und die Isolierung sowie die Beschüttung aufbrachte. In der Nacht vom 11.9. auf den 12.9.1987 stürzte ein Teil der Halle im Bereich der Stütze B 12 ein.

Die Arbeiten der Erstbeklagten sollten nach den ihr vom Kläger übergebenen Systemplänen erfolgen, nach denen sie Ausführungspläne zu erstatten hatte. Bei Durchsicht der statischen Berechnungen des Klägers hätte die Erstbeklagte das statische System, bei dem die Säulen von der Deckenkonstruktion horizontal gehalten werden sollten, erkennen müssen. Die Erstbeklagte hatte die erforderliche Länge des Auflagers des Binders (Trägers) B 4 auf der Stütze B 12 ursprünglich mit 29,2 cm ermittelt, dann aber mit 22 cm geplant; die Montage des Trägers erfolgte schließlich - im Widerspruch zur ÖNorm 4200 - nur mit einer Auflagertiefe von ca 12 cm. Diese - entgegen den anerkannten Regeln der Technik zu geringe - Auflagertiefe und deren unzureichende Ausbildung sowie die unsachgemäße Verlegung auch des Elastomerlagers waren die Ursache für den Teileinsturz der Halle. Durch sie kam es zu hohen Pressungen unter dem Elastomerlager, welche - zusammen mit den aus der exzentrischen Belastung der Säulen entstehenden Horizontalkräften - zum Bruch des Betons unter dem Auflager führten. Dadurch stürzte der Träger B 4 entlang der Säule B 12 ab und zog dabei das Elastomerlager mit.

Die unsachgemäße, zu nahe dem vorderen Rand ausgeführte Verlegung des Binders B 4 auf der Stütze B 12 war von oben her wahrnehmbar; die Nichteinhaltung der erforderlichen Auflagertiefe wäre dem Kläger bzw seinem Bauführer an der Baustelle erkennbar gewesen.

Die Fundamente der Halle hatte der Kläger nach seinen eigenen Plänen selbst errichtet. In Abweichung zum Plan, wo für die Stützen eine Fundamentfläche von 1,4 x 1,4 m vorgesehen war, wurde das Fundament A 12 nur mit einer Fläche von 1,1 x 1,1 m ausgeführt. Der Wegfall des vorgesehenen Fundamentvorsprunges hat aber beim vorliegenden statischen System nicht zum Einsturz der Halle geführt.

Nach dem Einsturz führte die Erstbeklagte im Auftrag des Klägers Aufräumungsarbeiten durch; sie sanierte die Auflager und die Stützenköpfe und fertigte die zerstörten Teile neu an.

Die Zweitbeklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Der Kläger begehrt mit der Behauptung, die Erstbeklagte habe den Teileinsturz der Halle aus ihrem alleinigen Verschulden dadurch verursacht, daß sie planwidrig an den Trägerauflagern keine Dornen angebracht und die erforderliche Auflagertiefe bei den Trägern nicht eingehalten habe, von den beiden Beklagten zur ungeteilten Hand den Ersatz des ihm entstandenen Schadens (Aufwendungen für die Wiederherstellung des eingestürzten Hallenteils und Pönale für die Verzögerung der Fertigstellung) von insgesamt 2,219.721,60 S sA.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die Erstbeklagte habe nur einen Teil der zur Fertigstellung der Halle erforderlichen Arbeiten, nämlich die Herstellung der Fertigteile und deren Montage, übernommen; alle anderen Arbeiten habe entweder der Kläger selbst ausgeführt oder von anderen Professionisten erbringen lassen, so daß die Erstbeklagte darauf keinen Einfluß gehabt habe. Der Einsturz sei ausschließlich auf die unrichtige Dimensionierung der vom Kläger berechneten und hergestellten Fundamente zurückzuführen. Überdies sei der Bauleiter des Klägers stets an der Baustelle anwesend gewesen und habe die Lieferungen und Leistungen der Erstbeklagten widerspruchslos abgenommen. Wenn die Erstbeklagte ein Mitverschulden treffe, so sei jenes des Klägers als Planer, Statiker, Planprüfer und als mit der örtlichen Bauaufsicht Beauftragter weitaus höher anzusetzen.

Das Erstgericht beschränkte die Verhandlung auf den Grund des Anspruches und entschied durch Zwischenurteil, daß das Klagebegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger "den aus dem klagegegenständlichen Schadensfall, nämlich Einsturz der Halle in W*****, entstandenen Schaden zu ersetzen", dem Grunde nach mit 50 % zu Recht bestehe; das "darüber hinausgehende Mehrbegehren" wies es ab. Die Erstbeklagte sei bei der Ausführung des Werkes von den Plänen des Klägers, aus welchen für sie das vorgegebene statische System erkennbar gewesen sei, in schadensursächlicher Weise abgewichen. Dieses rechtswidrige Verhalten sei der Erstbeklagten als Fachfirma für die Herstellung und Montage von Fertigteilen als Verschulden zuzurechnen. Auch den Kläger treffe aber ein Mitverschulden, weil ihm als sorgfältigem Geschäftspartner die Überprüfung der Ausführungspläne der Erstbeklagten und der von ihr angelieferten und montierten Fertigteile zumutbar gewesen und in diesem Fall die Nichteinhaltung des vorgegebenen statischen Systems erkennbar gewesen wäre. Der Kläger habe daher zwar nicht rechtswidrig gehandelt, aber doch eine Obliegenheit verletzt, bei deren Wahrnehmung der Schaden nicht eingetreten wäre. Die Intensität der dem Kläger und der Erstbeklagten vorwerfbaren Sorgfaltswidrigkeiten sei annähernd gleich, so daß eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 gerechtfertigt erscheine.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß das Klagebegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, "dem Kläger die aus dem klagegegenständlichen Schadensfall, nämlich dem Einsturz der Halle in W*****, entstandenen Schäden zu ersetzen", dem Grunde nach zu Recht bestehe und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Alleinige Ursache des Teileinsturzes der Fertigteilhalle sei die auftrags- und planwidrige sowie den anerkannten Regeln der Technik zuwiderlaufende Ausführung der Auflagertiefe des Binders (Trägers) B 4 auf der Stütze (Säule) B 12 mit nur ca 12 cm durch die Erstbeklagte gewesen. Den Kläger treffe daran schon deshalb kein Mitverschulden, weil für ihn weder eine gesetzliche noch eine nebenvertragliche Verpflichtung zur Überprüfung der Ausführungspläne der Erstbeklagten oder deren Werkleistungen bestanden habe. Der Kläger sei ja als Generalunternehmer nur von seinem Bauherrn mit der Bauaufsicht betraut worden, habe aber mit der Erstbeklagten als Subunternehmerin einen selbständigen Werkvertrag geschlossen, so daß diese zum Bauherrn des Klägers in keinem Vertragsverhältnis stehe. Demnach habe auch keine nebenvertragliche Fürsorge- oder Schutzpflicht des Klägers zugunsten der Erstbeklagten bestanden, weil die Ausübung der einem Generalunternehmer vom Bauherrn übertragenen Bauaufsicht keine vertraglichen Nebenpflichten zugunsten des mit einem eigenen Werkvertrag beauftragten Subunternehmers auslösen könne.

Gegen das Zwischenurteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung dieser Entscheidung oder deren Abänderung im Sinne des Ausspruches einer lediglich mit 15 % dem Grunde nach zu Recht bestehenden Ersatzpflicht.

In der ihm vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist entgegen der Meinung des Klägers schon deshalb gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil - soweit überblickbar - zur Frage des Mitverschuldens eines Generalunternehmers an dem Schaden, den er infolge eines auf einer schuldhaften Schlechterfüllung des von ihm beauftragten Subunternehmers beruhenden Teilmißlingens des Werkes erlitten hat, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist auch teilweise berechtigt.

Richtig ist zwar, daß zwischen dem Auftraggeber eines Generalunternehmers und dessen Subunternehmern in der Regel kein unmittelbares Rechtsverhältnis entsteht, sondern jeweils rechtlich selbständige Vertragsverhältnisse vorliegen (EvBl 1985/79); daraus folgt aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes noch nicht zwingend, daß nicht auch der Besteller im Schutzbereich des Subunternehmervertrages mit dem Generalunternehmer und der Subunternehmer und seine Leute nicht auch im Schutzbereich des Generalunternehmervertrages zwischen Besteller und Generalunternehmer stehen (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 44 zu §§ 1165, 1166). Ebensowenig kann allein aus der rechtlichen Selbständigkeit der beiden Werkverträge der Schluß gezogen werden, daß den Generalunternehmer als Besteller des mit dem Subunternehmer geschlossenen Werkvertrages insbesondere auch dann keine nebenvertraglichen Schutz- und Kontrollpflichten treffen, wenn er - wie hier - dem Subunternehmer nicht die gesamte Ausführung des Werkes übertragen hat, sondern nur einen - wenngleich auch wesentlichen - Teil, so daß die übrigen Arbeiten in nebeneinander oder aufeinander folgenden, zur Herstellung des Gesamtwerkes aber notwendigen Teilleistungen entweder vom Generalunternehmer selbst oder von anderen Subunternehmern durchzuführen sind. So wie es auch einem Bauherrn, der keinen Generalunternehmer beauftragt hat, obliegt, die einzelnen Leistungen der bei der Werkherstellung tätigen mehreren Unternehmer zeitlich und den Erfordernissen des technischen Ineinandergreifens ihrer Werkleistungen entsprechend zu koordinieren (SZ 57/18 mwN), trifft das in gleicher Weise auf einen Generalunternehmer zu, der nur einzelne Werkteile an Subunternehmer vergeben hat, die übrigen, zur Herstellung des Werkes erforderlichen Teilleistungen aber selbst ausführt oder von anderen Subunternehmern erbringen läßt. Das folgt schon aus dem im Bauwesen typischen Zusammenwirken von Bauherrn (Generalunternehmer), bauausführenden Unternehmen und Sonderfachleuten wie Statikern. Neben der Hauptpflicht auf Erstellung eines bestimmten Werkes (Werkteiles) besteht hier immer die Nebenpflicht der Kooperation zwischen dem Werkbesteller (Generalunternehmer) und den ausführenden Werkunternehmern mit gegenseitigen Aufklärungs- und Kontrollpflichten (dazu ausführlich Meinhardt, Der Sachverständige 1984, Heft 4 a, 3 f; 3 Ob 526/88). So wie mehrere, durch getrennte selbständige Werkverträge mit dem Besteller zur Herstellung von Teilen einer nur durch technischen Zusammenschluß funktionsfähigen Anlage verpflichtete Unternehmer gewissermaßen technischen "Schulterschluß" suchen und sich von dem Vorliegen der positiven und dem Nichtvorhandensein der negativen Bedingungen Gewißheit verschaffen müssen, um das Gelingen und die Funktionsfähigkeit der Gesamtanlage zu gewährleisten und den Besteller vor Schaden zu bewahren, der aus der mangelnden Harmonisierung und Abstimmung der jeweiligen Teile der Anlage entstehen kann (JBl 1990, 656), muß dies auch für den Besteller oder den Generalunternehmer zumindest dann gelten, wenn er sich - wie hier - die Erbringung von Teilleistungenn selbst vorbehalten hat.

Das Berufungsgericht hat somit nicht nur übersehen, daß die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten gemäß § 1304 ABGB kein echtes, weil Rechtswidrigkeit voraussetzendes Verschulden verlangt, sondern schon bei einer bloßen Obliegenheitsverletzung im Sinne einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten Platz greift (Koziol-Welser8 I 426; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 ff zu § 1304); es hat auch die (unbekämpfte) Feststellung übergangen, wonach der Kläger nach Beendigung der Arbeiten der Erstbeklagten noch am 11.9.1987 die Decke betoniert sowie die Isolierung und Beschüttung aufgebracht hat und daß - generell und daher auch anläßlich dieser Arbeiten - die unsachgemäße, zu nahe dem vorderen Rand erfolgte Verlegung des Binders B 4 auf der Stütze B 12 von oben her ebenso wahrnehmbar war, wie überhaupt die Nichteinhaltung der erforderlichen Auflagertiefe dem Kläger bzw seinem Bauführer an der Baustelle erkennbar gewesen wäre. Entgegen der Meinung des Klägers sind diese Feststellungen keineswegs "überschießend", sondern durch den von den Beklagten in erster Instanz erhobenen Mitverschuldenseinwand gedeckt. Da somit dem Kläger die unsachgemäße und gefährliche zu geringe Auflagertiefe des Trägers B 4 auf der Säule B 12 bei Vornahme seiner unmittelbaren Anschlußarbeiten erkennbar gewesen wäre, fällt ihm ein Mitverschulden im Sinn des § 1304 ABGB am Teilmißlingen des Gesamtwerkes zur Last. Ihm ist aber nur die Verletzung einer nebenvertraglichen Kontrollpflicht vorwerfbar, während der Erstbeklagten ein schadensursächlicher Kunstfehler bei Erbringung ihrer werkvertragliche Hauptleistung unterlaufen ist. Ihr rechtswidriges Verhalten bei der Vertragserfüllung ist daher bei Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile weitaus höher zu veranschlagen, so daß eine Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 1 angemessen erscheint.

Die Zwischenurteile der Vorinstanzen waren demnach in diesem Sinne abzuändern.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO (§ 393 Abs 4 ZPO).

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