Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, es werde dem Beklagten gegenüber festgestellt, daß er nicht Erbe nach der am 25.2.1988 verstorbenen Hermine S*****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** S*****, ist, wird abgewiesen."
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit S 127.877,07 (darin enthalten S 18.312,57 Umsatzsteuer und S 18.000 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger und der Vater des Beklagten, Josef J*****, sind Nachkömmlinge der vorverstorbenen Eltern der Hermine S***** (Erblasserin), die am 25. Februar 1988 verstorben ist. In einer letztwilligen Verfügung vom 7. Jänner 1988 setzte die Erblasserin Josef J***** zum Alleinerben ein und führte aus: "Diese Erbseinsetzung erfolgt in Anerkennung der Hilfe und Unterstützung, die mir mein Neffe und dessen Mutter seit langer Zeit angedeihen ließen." Am 2. Februar 1988 schrieb und unterfertigte die Erblasserin eigenhändig folgendes Schriftstück:
"Mein Neffe Josef J***** hat von seiner Tante Hermine S***** folgenden Betrag erhalten. Für das Begräbnis seiner Mutter Maria J*****, geborene H*****, S 18.000,-- (achtzehntausend) erhalten. Fünf Wochen habe ich ihn verpflegt samt Wohnen in meinem Haus. Auch hat er meinen Wagen ständig in Gebrauch. Ich selbst durfte gar nicht hinein, da er Tag und Nacht unterwegs war. In der Zwischenzeit lag ich zwei Wochen im Krankenhaus. Natürlich mußte er mich besuchen. Selbst da sagte er, er müßte mich besuchen. Da war mein Maß voll. Nun muß er mein Haus verlassen und darf nicht mehr zu mir kommen. Er hätte alles bekommen von mir, so aber bin ich gezwungen, ihn zu enterben. Als Ersatz soll er noch S 10.000,-- erhalten, damit er sieht, daß ich mehr Charakter habe. Er selbst kann über Leichen gehen. Seine Gedanken sind nur Geld, Geld. Er selbst hat eine schöne Pension, war 27 Jahre in der Creditanstalt in Wien, auch da ist er geflogen, da er nur in den Casinos bis Deutschland gefahren ist. Ich leide gesundheitlich so lange er in meinem Haus ist. So ist es besser, er verläßt es so schnell als möglich. Auch er hat in Wien eine sehr schöne Wohnung, die noch von seinen Eltern ist. Hochachtungsvoll."
Im Verlassenschaftsverfahren gaben die erst-, zweit- und siebentklagende Partei zu je 1/4 und die dritt- bis fünftklagenden Parteien zu je 1/16 des Nachlasses Erbserklärungen ab. Der Beklagte gab aufgrund des Gesetzes zu 1/5 des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab. Das Verlassenschaftsgericht wies den Klägern gemäß § 125 AußStrG die Klägerrolle zu.
Die Kläger stellten das aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtliche Begehren und brachten vor, die Erblasserin habe den Vater des Beklagten enterbt, sie habe auch den Beklagten als Erben ausschließen wollen.
Der Beklagte wendete ein, es bestehe kein Grund zur Annahme, daß ihn die Erblasserin von der gesetzlichen Erbfolge habe ausschließen wollen.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte fest, daß die Erblasserin etwas gegen die Eltern des Beklagten hatte, weil diese in Kasinos viel Geld verspielt hätten. Zum Beklagten habe die Erblasserin nur bis zu dessen 6. Lebensjahr Kontakte gehabt, doch habe sie die Abneigung gegen seine Eltern auch auf ihn übertragen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, das Gesetz regle den Fall der Enterbung eines gesetzlichen Erben, der nicht Noterbe sei, nicht. Die Erblasserin habe den Vater des Beklagten offenbar sowohl von dem ihm ursprünglich aufgrund eines Testamentes zugedachten, als auch vom gesetzlichen Erbrecht ausschließen wollen. Anders könne das Wort "enterben" nicht verstanden werden. Sie habe aber ein Legat zugunsten des Vaters des Beklagten angeordnet. Die Ansicht des Beklagten, ihm stehe das gesetzliche Erbrecht anstelle seines Vaters zu, würde dazu führen, daß die vom Vater des Beklagten repräsentierte Linie bessergestellt wäre, als die anderen Linien, da sie um S 10.000,-- mehr bekommen würde. Dies würde dem das Erbrecht beherrschenden Repräsentationsprinzip widersprechen und könnte daher nur angenommen werden, wenn ein ausdrücklicher Wille der Erblasserin in dieser Richtung vorläge. Die letztwillige Verfügung ziele in die Richtung, daß Josef J***** weniger bekommen solle, als er aufgrund des Testamentes oder der gesetzlichen Erbfolge erhalten hätte, denn er sollte ja für sein Verhalten benachteiligt werden. Da er aber doch immerhin etwas bekommen solle, müsse er als Repräsentant seiner Linie angesehen werden und könne daher nicht ein Erbrecht an seine Nachkommen vermitteln. Auch § 541 ABGB helfe nicht weiter, weil es sich nicht um einen Fall der auch ohne diesbezügliche Anordnung wahrzunehmenden Erbunwürdigkeit handle. In jedem Fall solle der mutmaßliche Wille des Erblassers erforscht werden. Die Feststellungen ließen eher den Schluß zu, daß die Erblasserin auch den Beklagten habe enterben wollen, weil sie eine gewisse Abneigung gegen diesen gehabt habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, die letztwillige Verfügung vom 2. Februar 1988 enthalte den Widerruf des Testaments vom 7. Jänner 1988 und den Ausschluß des Vaters des Beklagten vom gesetzlichen Erbrecht. Einen Hinweis darauf, ob auch der Beklagte vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen werden solle, enthalte die letztwillige Verfügung nicht. Enterben im engeren Sinne beziehe sich nur auf Pflichtteilsberechtigte, solche seien hier nicht vorhanden. Die "Enterbung" des Vaters des Beklagten sei daher an keine Voraussetzungen gebunden gewesen, sie sei im Belieben der Erblasserin gestanden und bedeute eine Entziehung des Erbrechtes aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Selbst bei rechtmäßiger Enterbung des Kindes hätten seine Abstämmlinge nur Anspruch auf den Pflichtteil (Geldanspruch), es stehe ihnen kein Erbteil zu. Seien keine Pflichtteilsberechtigten vorhanden, sei dieser Geldanspruch nicht gegeben. Es wäre ein Wertungswiderspruch, Abstämmlingen eines vom Erblasser vom Erbrecht ausgeschlossenen enterbten gesetzlichen Erben aus der zweiten Parentel aus Gründen einer überspannten Repräsentationstheorie ein abgeleitetes oder eigenes Erbrecht zuzugestehen. Die Rechtsprechung (SZ 21/147 = JBl. 1948/100; SZ 43/193) gebe keine Antwort auf die hier zu lösende Frage. Eine analoge Heranziehung des § 541 ABGB sei nicht hilfreich. Die Erbunwürdigkeitsgründe des § 540 ABGB stimmten mit den Gründen einer Enterbung gemäß § 768 ABGB ihrer Tendenz nach überein. Für eine "rechtmäßige" Enterbung bedürfe es entsprechender Gründe des § 768 ABGB nur bezüglich der Pflichtteilsberechtigten. Bezüglich anderer potentieller Erben wirke allein die Enterbung, ob "rechtmäßig" oder "unrechtmäßig" habe hier keine Bedeutung. Was den offenkundigen Widerspruch zwischen den §§ 780 und 541 ABGB anlange, würden in der Lehre verschiedene Erwägungen angestellt, die aber nicht in übereinstimmender Weise eine Antwort auf die hier zu lösende Frage gäben. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht gelange das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß der Beklagte als Sohn seines überlebenden enterbten Vaters in der zweiten Parentel weder ein übergegangenes noch ein Erbrecht kraft eigenen Rechts habe. Die Feststellung, die Erblasserin habe ihre Abneigung gegen die Eltern des Beklagten auch auf diesen übertragen, sei ein Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung, diese Feststellung sei aber rechtlich nicht relevant. Ob daraus abzuleiten sei, die Erblasserin habe auch den Beklagten vom gesetzlichen Erbrecht ausschließen wollen, vermöge das Berufungsgericht nicht zu beantworten. Folge man Kralik in Ehrenzweig, Das Erbrecht 3, 65, 66 und 287, dann sei der Beklagte "im Zweifel" vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen. Hätte die Erblasserin über die ganze Verlassenschaft zugunsten der anderen gesetzlichen Erben (Kläger) bestimmt, wären der Vater des Beklagten und seine Abstämmlinge vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen. Umso mehr müsse dies bei einer Enterbung gelten, einer Einschränkung des gesetzlichen Erbrechts also auf die übrigen gesetzlichen Erben.
Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt der Beklagte einen Aufhebungsantrag.
Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Vorinstanzen zutreffend ausführten, regelt das Gesetz den hier zu entscheidenden Fall nicht ausdrücklich. § 541 betrifft nur den Fall der Erbunwürdigkeit, § 780 die Enterbung eines (pflichtteilsberechtigten) Kindes. Der durch das negative Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossene Vater des Beklagten ist aber nicht pflichtteilsberechtigt, er ist auch nicht erbunwürdig im Sinne des § 540 ABGB.
Nach neuerer überwiegender Ansicht steht den Nachkommen eines gesetzlichen Erben ein Erbrecht kraft eigenen Rechts zu (Weiß in Klang2 III 213; Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform 30; Welser in Rummel2, Rz 1 zu den §§ 733 f; SZ 21/147; 7 Ob 44/72). Daraus ergibt sich, daß der Ausschluß eines gesetzlichen Erben seinen Stamm, also seine Abkömmlinge, nicht trifft, und zwar auch dann nicht, wenn der ausgeschlossene gesetzliche Erbe noch am Leben ist (Weiß aaO; SZ 21/147; 7 Ob 44/72; vgl. auch Zemen aaO 36, Welser aaO, Rz 1 zu § 780 und Koziol-Welser8 II 292; diese Autoren vertreten die Ansicht, daß sogar die Nachkommen eines rechtmäßig enterbten pflichtteilsberechtigten Kindes im Fall der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigt sind). Eine andere Beurteilung ergibt sich dann, wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung zum Ausdruck brachte, daß auch der Nachkomme vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen sein soll (Weiß aaO; SZ 21/147). Im vorliegenden Fall bietet die letztwillige Verfügung aber keinen Anhaltspunkt in dieser Richtung. Der Umstand, daß die Erblasserin dem Vater des Beklagten einen Geldbetrag von S 10.000 vermachte, spricht nicht dafür, daß sie den Beklagten gegenüber den Klägern benachteiligen wollte, zumal sie in ihrer letztwilligen Verfügung weder die Kläger noch den Beklagten erwähnt. Die Feststellung, die Erblasserin habe ihre Abneigung gegen die Eltern des Beklagten auch auf diesen übertragen, ist schon deshalb ohne Bedeutung, weil ein Wille, auch den Beklagten zu "enterben" in der letztwilligen Verfügung zum Ausdruck kommen müßte (vgl. Weiß aaO). Der Vollständigkeit halber sei überdies darauf hingewiesen, daß die Erblasserin trotz der festgestellten Abneigung gegen die Eltern des Beklagten dessen Vater wenige Wochen vor ihrem Tod sogar zum Alleinerben einsetzte und den Widerruf der Erbseinsetzung und die "Enterbung" dann aus konkreten, den Vater des Beklagten betreffenden, Gründen vornahm. Daraus folgt, daß dem Beklagten ein gesetzliches Erbrecht nach der Erblasserin zusteht. Der vom Berufungsgericht angeführte Wertungswiderspruch dieses dem § 541 ABGB entsprechenden Ergebnisses zu § 780 ABGB liegt zumindest nach einem Teil der Lehre deshalb nicht vor, weil diese - wie oben ausgeführt - die Ansicht vertritt, den Nachkommen eines enterbten Pflichtteilsberechtigten stehe bei gesetzlicher Erbfolge ein Erbrecht zu. Wohl wurde in SZ 43/193 eine andere Ansicht vertreten, doch ist dazu hier nicht Stellung zu nehmen, weil nicht darüber zu entscheiden ist, ob den Nachkommen eines rechtmäßig enterbten pflichtteilsberechtigten Kindes ein gesetzliches Erbrecht zusteht.
Aus allen diesen Gründen war der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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