Spruch:
Wurde der eine gesetzliche Erbe enterbt und entschlagen sich die anderen gesetzlichen Erben der Erbschaft - während Testamentserben nicht vorhanden sind -, so hat der Enterbte, der auf Grund des Gesetzes eine Erbserklärung abgegeben hat, seinen Erbrechtstitel erst dann nachgewiesen, wenn er die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung oder das Nichtvorliegen des darin genannten Enterbungsgrundes nachgewiesen hat. Da dies mangels widersprechender Erbserklärungen nicht im streitigen Verfahren möglich ist, wird der Enterbte die entsprechenden Anträge und Bescheinigungen dem Abhandlungsgericht zu erbringen haben, das dann nach amtswegiger Überprüfung darüber zu entscheiden haben wird, ob sein Erbrecht hinreichend ausgewiesen ist
OGH 28. Oktober 1970, 7 Ob 198/70 (LGZ Wien 44 R 289/70; BG Innere Stadt-Wien 1 A 613/69)
Text
Der am 15. August 1969 verstorbene Franz B hinterließ drei Kinder, u zw Ludwig B, Christine Sch, geb B und Anna K, geb B. In einer letztwilligen Verfügung vom 29. Juli 1964 enterbte er seine Tochter Anna K, "weil sie eine gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart beharrlich" führe. Die beiden anderen Kinder des Erblassers entschlugen sich der Erbschaft.
Anna K gab auf Grund des Gesetzes eine bedingte Erbserklärung ab, die vom Erstgericht angenommen wurde. Anna K wurde aber der Auftrag erteilt, binnen vier Wochen den Nachweis ihres Erbrechtstitels durch Nachweis der Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung oder der Unrechtmäßigkeit ihrer Enterbung zu erbringen.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, den Vater und gesetzlichen Vertreter der Kinder der Anna K aufzufordern, zu erklären, ob er namens der Kinder eine Erbserklärung abgibt, weil im Falle der Rechtmäßigkeit der Enterbung der Anna K deren Kinder als gesetzliche Erben in Betracht kämen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Anna K Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichts wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes kommen die Kinder der Anna K als gesetzliche Erben nicht in Betracht, denn die Bestimmung des § 541 ABGB gilt nur für den Fall der Erbunwürdigkeit. Im Fall der Enterbung, die hier vorliegt, gilt die Bestimmung des § 780 ABGB, wonach den Abstämmlingen eines enterbten Kindes nur der Pflichtteil zusteht, also nur ein Anspruch auf Geld. Dieser Anspruch steht solchen Kindern aber nur zu, wenn das Kind des Erblassers zu Recht enterbt wurde. Ist dies nicht der Fall, dann ist dieses Kind Erbe und besteht kein Pflichtteilsanspruch für seine Abstämmlinge. Das Rekursgericht hat daher zu Unrecht dem Erstgericht aufgetragen, den Vater der Kinder der Anna K zu einer Äußerung über eine Erbserklärung zu veranlassen. Ist die Enterbung der Anna K zu Recht erfolgt, dann würde der Nachlaß, falls keine weiteren in Betracht kommenden Erben vorhanden sind, dem Fiskus anheim fallen. Dieser hat aber nicht die Rechtsstellung eines Erben, er kann daher auch keine Erbserklärungen abgeben. Da derzeit keine widersprechenden Erbserklärungen vorliegen und auch vom Vater der Kinder der Anna K keine Erbserklärung abzugeben ist, kann Anna K auch nicht auf den Rechtsweg verwiesen werden, um ihr Erbrecht nachzuweisen. Das hat das Erstgericht auch nicht getan.
Gemäß § 799 ABGB muß derjenige, der eine Erbschaft in Besitz nehmen will, den Rechtstitel dem Gericht ausweisen. Für die Annahme der Erbserklärung genügt zwar ganz allgemein die Berufung auf einen Rechtstitel, also etwa auf das Gesetz, der Zweck der Abhandlungspflege ist aber die Feststellung der Rechtsnachfolge in das Vermögen eines Verstorbenen. Diese Frage ist nicht nur eine privatrechtliche, sondern auch von allgemeinem Interesse. Zur Übernahme der Erbschaft in Verwaltung und Benützung und zur Einantwortung ist daher die Ausweisung des Erbrechtstitels und die gerichtliche Erbrechtsanerkennung erforderlich, wozu die Abhandlungsbehörde nach § 122 AußStrG die entsprechenden Anweisungen zu geben hat (vgl Wöß, NZ 1891, 53 GlU 15549, 1747). Da im vorliegenden Fall der Erblasser seine Tochter Anna K ausdrücklich enterbt hat, ist dem Erstgericht beizustimmen, daß sie ihren Erbrechtstitel erst dann nachgewiesen hat, wenn sie die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung oder das Nichtvorliegen des daringenannten Enterbungsgrundes nachgewiesen hat. Da dies mangels widersprechender Erbserklärungen nicht im streitigen Verfahren möglich ist, wird die Rechtsmittelwerberin die entsprechenden Anträge und Bescheinigungen dem Abhandlungsgericht zu erbringen haben, das dann nach amtswegiger Überprüfung darüber zu entscheiden haben wird, ob ihr Erbrecht hinreichend ausgewiesen ist.
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