OGH 7Ob28/91

OGH7Ob28/9126.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz W*****, vertreten durch Dr.Walter Hausberger, Rechtsanwalt in Wörgl, wider die beklagte Partei W***** Versicherungs-AG***** vertreten durch Dr.Harald Erich Hummel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung des Versicherungsschutzes (Streitwert S 100.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8.März 1991, GZ 4 R 316/90-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18.Juni 1990, GZ 6 Cg 362/89-12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das Berufungsurteil dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.094 (darin S 5.000 Barauslagen und S 849 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.488,80 (darin S 1.414,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die Kosten des Berichtigungsantrages werden mit S 343,80 (darin S 57,30 Umsatzsteuer) bestimmt.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat für seine Wohnung in W*****, S*****straße 7, eine Haushaltsversicherung bei der beklagten Partei abgeschlossen, in deren Rahmen gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherungen Fassung 1984 auch eine Haftpflichtversicherung für den Kläger als Versicherungsnehmer besteht.

Am 15.9.1988 stänkerte der stark betrunkene Franz L***** im Lokal "B*****" in W***** den Kläger und seinen Freund an. Obwohl der Freund des Klägers vom Tisch, an dem er saß, zur Theke ging, ging ihm L***** nach und belästigte ihn weiter. Daraufhin wollte der Kläger L***** ärgern und hielt diesem ein brennendes Gasfeuerzeug so lange gegen den Hosenboden, bis der Stoff Feuer fing. L***** spürte die Hitze, schlug sich mit den Händen mehrfach gegen das Gesäß und begab sich auf die Toilette. Die Gäste des Lokals brachen in ein Gelächter aus und faßten die Tathandlung des Klägers als Spaß auf. Niemand und auch nicht der Kläger dachte daran, daß er dadurch L***** verletzen könnte. L***** gelang es jedoch aufgrund seiner Alkoholisierung nicht, sich von seiner brennenden Hose zu befreien. Es brannten seine Kleidungsstücke fast zur Gänze ab und er erlitt dadurch Verbrennungen zweiten und dritten Grades an den Beinen und am Gesäß. Der Kläger wurde deswegen mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.5.1989, GZ 26 Hv 21/89-27, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB und der boshaften Sachbeschädigung nach § 125 StGB verurteilt.

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß für das von ihm herbeigeführte Schadensereignis Versicherungsschutz im Rahmen der Risikosparte "Haftpflicht" der Haushaltsversicherung bestehe und die beklagte Partei zu einer Deckung bis zur Haftungsgrenze von 2 Mill.S verpflichtet sei. Er habe den Schaden bei ***** nur fahrlässig herbeigeführt.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, leistungsfrei zu sein. Wenn der Kläger L***** zwar nicht vorsätzlich verletzen wollte, sei bei ihm zumindest ein bedingter Vorsatz vorgelegen. Das Verhalten des Klägers könne auch nicht unter die Gefahren des täglichen Lebens nach Art 17 Abs 1 lit a ABH 1984 subsumiert werden, weshalb auch aus diesem Grund kein Deckungsschutz vorliege.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte aufgrund der eingangs wiedergegebenen Feststellungen, daß zwar der im Art 21 Abs 2 der ABH Fassung 1984 normierte Ausschluß zufolge fehlenden Vorsatzes nicht vorliege, die Handlungsweise des Klägers aber nicht einer Schadenszufügung aufgrund einer Gefahr des täglichen Lebens entspreche.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung nur hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens, soweit Versicherungsschutz und Ersatzpflicht der beklagten Partei für den Sachschaden begehrt wird, änderte jedoch das Ersturteil dahin ab, daß es die Deckungspflicht der beklagten Partei für die vom Kläger Franz L***** am 15.9.1988 fahrlässig herbeigeführte Körperbeschädigung und die daraus entspringenden Schadenersatzansprüche bis zu einer Höhe von S 2,000.000 feststellte. Das Berufungsgericht folgerte rechtlich, daß der Vorsatz des Klägers nur auf eine Beschädigung der Hose L***** durch Verbrennen gerichtet gewesen, daß ihm aber sonst nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Das der Handlungsweise des Klägers entsprungene Schadensereignis falle jedoch unter die Gefahren des täglichen Lebens.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteils gerichtete ao Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Leistungsfreiheit der beklagten Partei nach Art 21 Abs 2 ABH 1984 verneint. Auf die richtig wiedergegebene Judikatur des Obersten Gerichtshofes in der Berufungsentscheidung wird daher verwiesen.

Nach Art 17 Abs 1 lit a ABH 1984 erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Durchaus zu teilen ist Jabornegg's Ansicht in VR 1989, 209 ff, daß wegen der unüberschaubaren Vielfalt der Gefahren des täglichen Lebens eine klare Umschreibung des versicherten Risikos Schwierigkeiten bereitet. Es ist davon auszugehen, daß die Gefahr, haftpflichtig zu werden, im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme darstellt und deshalb die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen bilden will, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Die weitergehenden Schlußfolgerungen Jabornegg's, daß der Begriff der Gefahren des täglichen Lebens grundsätzlich so verstanden werden müssen, daß damit auch (alle?) ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten mitabgedeckt seien, daß die Funktion des Art 17 Abs 1 lit a ABH 1984 allein darin bestehe, die Privathaftpflichtversicherungen von anderen Arten der Haftpflichtversicherung abzugrenzen (Jabornegg aaO 226 ff), können jedoch nicht geteilt werden.

Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der "Gefahren des täglichen Lebens" nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin auszulegen, daß der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren umfaßt, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muß. Es darf sich daher nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln; keineswegs müssen aber solche Gefahren geradezu täglich auftreten (VersR 1984, 1197 mwN). Es genügt daher, wenn die "Gefahr" erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf therotisch häufig, praktisch aber seltener eintritt. Die bloße Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nimmt den aus ihm entspringenden Gefahren nicht die Qualifikation als einen solchen des täglichen Lebens (VersR 1984, 1182).

Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch kann aus Unvorsichtigkeit, so zB im Umgang mit leicht brennbaren Flüssigkeiten (VersR 1979, 69 = SZ 51/33) oder aus unsachgemäßer Vornahme einer Reparatur (VersR 1984, 1197) eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen oder sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen (vgl VersR 1978, 532). Derartigen Fällen liegt eine falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zugrunde, nicht aber ein von vornherein geplanter Bosheitsakt, für den es außer der Lust am Zerstören oder am Verletzen (vgl VersR 1982, 274) keine Motivation gibt. Plant der Versicherungsnehmer die Schadenszufügung von vornherein, so handelt es sich nicht um die zitierten "Ausrutscher eines Durchschnittsmenschen", die verheerende Folgen nach sich ziehen können, sondern um gefährliche Bosheitsakte, und zwar auch dann, wenn der beabsichtigte Erfolg weit über seine Erwartungen hinausgeht. Solche Schadenszufügungen sind vom versicherten Risiko nicht umfaßt. Das aus Bosheit erfolgte, sohin bewußte und gewollte Entzünden eines realtiv leicht brennbaren Kleidungsstückes eines Betrunkenen, das zufolge dessen stark herabgesetzter Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit eine Verletzungsgefahr in sich birgt, ist daher nicht unter die Gefahren des täglichen Lebens zu subsumieren. Die Gefährlichkeit und die möglichen Folgen solchen Handelns müssen jedem Erwachsenen bewußt sein. "Zündeln" ist kein bloßer Jux, sondern, wie allgemein bekannt ist, eine äußerst gefährliche Handlung. Die Gefahren, die solchen nach allgemeinem Bewußtsein nicht zu tolerierenden Mutwillensakten entspringen, gehören nicht zum täglichen Leben. Bosheitsakte oder mutwilliges Entfachen von Feuer sind nicht mit dem kontrollierten Entzünden von Gegenständen (etwa Kerzen) zu bestimmten (zB feierlichen) Anlässen zu vergleichen. Daß bei der Beurteilung der Tätigkeiten von Kindern großzügiger vorgegangen wird, liegt daran, daß diese noch nicht in der Lage sind, das Unrechtmäßige und Gefährliche ihrer Handlungen zu erkennen und daß es nie möglich sein wird, Kinder derart so genau zu beaufsichtigen, daß ihnen nicht doch eine Unfughandlung mit immer wieder zugänglichen brennbaren Gegenständen gelingt. Es war daher das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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