OGH 8Ob598/91 (8Ob599/91, 8Ob600/91, 8Ob601/91)

OGH8Ob598/91 (8Ob599/91, 8Ob600/91, 8Ob601/91)26.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Jelinek, Dr. Graf und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Jasmina H*****, geboren am 4.Jänner 1981, Joachim H*****, geboren am 22.Juni 1982, Benjamin H*****, geboren am 19. Oktober 1984, und Bernhard H*****, geboren am 21.Jänner 1986, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Bezirkshauptmannschaft J***** als Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche gegen den Vater infolge Revisionsrekurses des Sachwalters gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 31. Juli 1991, GZ R 470/91, R 474/91-476/91-23, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Judenburg vom 6.Mai 1991, GZ P 11/91-10-13, abgeändert wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses werden die Entscheidungen des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Text

Begründung

Die mj. Jasmina, Joachim, Benjamin und Bernhard H***** sind die ehelichen Kinder des Johann H*****. Dieser ist in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt, die genaue Anschrift und der Arbeitgeber sind nicht bekannt. Der Vater ist aufgrund des anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleiches vom 21.11.1990 verpflichtet, für Jasmina, Joachim und Benjamin monatlich je S 4.000 und für Bernhard monatlich S 3.500 an Unterhalt zu bezahlen.

Das Erstgericht bewilligte den Minderjährigen über Antrag der Mutter mit Beschlüssen vom 6.5.1991 für die Zeit vom 1.5.1991 bis 30.4.1994 Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe gemäß den §§ 3 und 4 Z 1 UVG mit der Begründung, die Exekutionsführung erscheine aussichtslos, weil der Vater in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt sei.

Das Rekursgericht wies den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, im Hinblick auf die gerichtsbekannt engen Rechtsbeziehungen zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland lasse eine Vollstreckung des Unterhaltstitels keine Schwierigkeiten erwarten. Die Notwendigkeit einer Exekutionsführung in der Bundesrepublik Deutschland bilde für sich allein noch keinen Grund zur Unterhaltsvorschußgewährung.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch den Unterhaltssachwalter, mit dem Antrag, die Entscheidungen des Erstgerichtes wiederherzustellen. In dem Rechtsmittel wird geltend gemacht, der Aufenthalt des Unterhaltsschuldners in der Bundesrepublik Deutschland sei unbekannt; die Beschäftigung als "Konsulent" lasse darauf schließen, daß er für verschiedene Dienstgeber tätig sei, von denen aber keiner bekanntgegeben wurde. Da Rechtshilfeverfahren in der Bundesrepublik Deutschland relativ lange dauerten, sei die Besorgnis der Mutter, der Unterhaltsschuldner könnte sich seiner Unterhaltspflicht entziehen, durchaus gerechtfertigt. Im Hinblick darauf, daß weder Adresse noch Dienstgeber des Vaters bekannt seien, erscheine die Führung einer Exekution in der Bundesrepublik Deutschland aussichtslos (§ 4 Z 1 UVG).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, da zu einer vergleichbaren Fallkonstellation eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht vorliegt; er ist auch berechtigt.

Gemäß § 4 Z 1 UVG sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG (Vorliegen eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels) gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 (im wesentlichen Gehaltsexekution) aussichtslos erscheint, besonders weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten läßt, nicht bekannt ist. Die Bestimmung des § 4 Z 1 UVG hebt zwar die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland als Beispiel einer aussichtslos scheinenden Exekutionsführung heraus, doch ist ("scheint") die im Ausland notwendige Exekutionsführung gegen den Unterhaltsschuldner etwa dann nicht aussichtslos, wenn der Aufenthalt und die Beschäftigung des Unterhaltsschuldners bekannt sind und die Vollstreckung durch internationale Verträge nicht bloß geordnet, sondern auch durch die konkrete Behördenpraxis gewährleistet ist. Die gegenseitige Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich ist durch das Haager Unterhaltsübereinkommen vom 15.April 1958, BGBl.1961/294, dessen Vertragsstaaten auch die Bundesrepublik Deutschland und Österreich sind, und durch den zweiseitigen Vertrag vom 6.Juni 1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl.1960/105, wohl geordnet (6 Ob 648/90; 8 Ob 627/90; RZ 1991/23).

Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, daß die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland deren Aussichtslosigkeit nahelegt und eine vorhergehende Exekutionsführung jedenfalls nur dann zu verlangen ist, wenn sie in absehbarer Zeit ein positives Ergebnis erwarten läßt (3 Ob 529/91). Im vorliegenden Fall sind der Aufenthalt und die Beschäftigung des Unterhaltsschuldners in der Bundesrepublik Deutschland nicht bekannt. Wenngleich eine Exekutionsführung in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der wohlgeordneten gegenseitigen Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen nicht aussichtslos erscheint, führt der Umstand, daß Aufenthalt und Beschäftigung des Unterhaltsschuldners nicht bekannt sind, dazu, daß in absehbarer Zeit ein positives Ergebnis nicht erwartet werden kann.

Dem Antrag auf Gewährung von Vorschüssen gemäß §§ 3 und 4 Z 1 UVG war daher stattzugeben.

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