OGH 8Ob627/90

OGH8Ob627/9015.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Vormundschaftssache der am 14. Dezember 1987 geborenen mj. Jasmin-Maria W***, infolge Revisionsrekurses der R*** Ö***, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 21. Juni 1990, GZ 22 c R 72/90-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 26. April 1990, GZ 4 P 19/90-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. In Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen wird der Antrag der Minderjährigen auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3 und 4 Z 1 UVG abgewiesen.

Text

Begründung

Die Minderjährige ist das uneheliche Kind des Naser D***, der in Rosenheim, Bundesrepublik Deutschland, lebt. Der Vater ist auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Bezirksgerichtes Mondsee vom 11. September 1989, GZ C 246/88 -35, ab 14. April 1988, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.500,-- verpflichtet. Das Erstgericht bewilligte der Minderjährigen über Antrag des Unterhaltssachwalters mit Beschluß vom 26. April 1990 für die Zeit vom 1. April 1990 bis 31. März 1993 Unterhaltsvorschüsse von monatlich S 1.500,-- gemäß den §§ 3 und 4 Z 1 UVG mit der Begründung, die Exekutionsführung erscheine aussichtslos, weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen des Vaters nicht bekannt sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, die Rechtsprechung sei in der Frage, ob § 4 Z 1 UVG im Hinblick auf die engen Rechtsbeziehungen zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland einschränkend auszulegen sei und demnach die Notwendigkeit der Exekutionsführung in der Bundesrepublik Deutschland allein noch nicht den Vorschußgrund darstelle, nicht einheitlich. Es halte jedoch zufolge der Kommentarmeinung von Knoll (UVG in ÖA Rz 24 zu § 4 Z 1) und der Überlegungen des Gesetzgebers in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der UVG-Novelle 1980 (RV 276 BlgNR 15. GP 8) eine Exekutionsführung schon dann für (scheinbar) aussichtslos, wenn das im § 3 Z 2 UVG genannte Exekutionsmittel (Gehaltsexekution) im Inland nicht erfolgversprechend eingesetzt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz ist zulässig, weil die Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz (vgl. nur EFSlg. 49.057 und 49.058 gegen 49.059 und 57.463), aber auch jene des Obersten Gerichtshofes (vgl. 2 Ob 582/90 vom 11. Juli 1990 gegen 6 Ob 648/90 vom 11. Oktober 1990) zu dieser Frage uneinheitlich ist. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt. Gemäß § 4 Z 1 UVG sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG (Vorliegen eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels) gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 (im wesentlichen Gehaltsexekution) aussichtslos erscheint, besonders weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten läßt, nicht bekannt ist. Diese Bestimmung gibt zu Zweifeln Anlaß und es wurde auch in jüngster Zeit die Frage, ob Unterhaltsvorschüsse jedenfalls zu gewähren seien, wenn sich eine Exekutionsführung im Ausland als notwendig erweist, oder ob aber nach den konkreten Verhältnissen differenziert vorgegangen werde müsse, von den Gerichten zweiter Instanz und von einzelnen Senaten des Obersten Gerichtshofs selbst unterschiedlich beantwortet wurde.

Der Oberste Gerichtshof hat zu den Grundlagen und Zielsetzungen des Unterhaltsvorschußgesetzes in der Entscheidung EvBl 1990/121 ausgesprochen, daß die durch das UVG gewährten Ansprüche in erster Linie auf eine wirtschaftliche Sicherung bereits festgesetzter Unterhaltsansprüche abzielten, indem die öffentliche Hand anstelle des Unterhaltspflichtigen Leistungen erbringe, die aber nur aushilfsweise als Vorschuß auf die vom Unterhaltspflichtigen kraft Gesetzes geschuldeten Leistungen bestimmt seien. Das unterhaltsberechtigte Kind solle deshalb grundsätzlich zunächst die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Durchsetzung seines Unterhaltsanspruches ausschöpfen. Nur aussichtslose Schritte könnten dem Unterhaltsvorschußwerber nicht zugemutet werden. Soweit im Schrifftum (etwa Strauß-Bosch, UVG, 65, 67) die Meinung vertreten werde, Ziel des Unterhaltsvorschußgesetzes sei die "rasche und unbürokratische" Befriedigung von Unterhaltsansprüchen, könne sie nur vor diesem Hintergrund bestehen. Diesen Darlegungen wird auch vom achten Senat des Obersten Gerichtshofes beigestimmt. In seiner Entscheidung vom 11. Oktober 1990, 6 Ob 648/90, hat der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs ausgeführt, daß einem solchen Verständnis des Unterhaltsvorschußgesetzes - entgegen Knoll (Komm UVG in ÖA § 3 und § 4 Z 1 Rz 22) - auch der Wortlaut des § 4 Z 1 UVG keineswegs entgegenstehe; diese Bestimmung hebe zwar die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland als Beispiel einer aussichtslos scheinenden Exekutionsführung heraus, doch könne nicht zweifelhaft sein, daß die im Ausland notwendige Exekutionsführung gegen den Unterhaltsschuldner etwa dann nicht aussichtslos sei, aber auch nicht aussichtslos "scheine", wenn der Aufenthalt und die Beschäftigung des Unterhaltsschuldners bekannt seien und die Vollstreckung durch internationale Verträge nicht bloß geordnet, sondern auch durch die konkrete Behördenpraxis gewährleistet sei. Die Bestimmung des § 4 Z 1 UVG könne daher - entgegen den vom objektiven Wortsinn dieser Gesetzesstelle nicht gedeckten Materialien (276 BlgNR 15. GP 8), welche die vorstehenden Erwägungen außer acht ließen - bei Bedachtnahme auf die oben dargelegten Zielsetzungen des Unterhaltsvorschußgesetzes nur so verstanden werden, daß die Annahme der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Ausland zwar nahe liege, daß deshalb aber das Gericht nicht schon jedweder Prüfung der Aussichtslosigkeit enthoben sei. Hätte der Gesetzgeber die Exekutionsführung im Ausland in jedem Fall einer aussichtslos scheinenden Exekutionsführung im Sinne des § 4 Z 1 UVG gleichsetzen wollen, hätte er dies eindeutig - etwa in Form einer alternativen Aufzählung oder als Fiktion - zum Ausdruck bringen müssen. Für eine ausdehnende Auslegung der genannten Gesetzesbestimmung böten weder die in der Entscheidung EvBl 1990/121 dargestellten Zielsetzungen des Gesetzes Anlaß, noch sei eine solche Auslegung angesichts einer international geordneten gegenseitigen Vollstreckung von Entscheidungen geboten. Der Entscheidung des 2. Senates des Obersten Gerichtshofs vom 11. Juli 1990, 2 Ob 582/90, die jede Exekutionsführung im Ausland als aussichtslos erscheinende Exekutionsführung beurteilt habe, könne demnach nicht beigetreten werden. Diese Entscheidung stütze sich vor allem auf praktische Erwägungen, indem sie auf Schwierigkeiten infolge der unterschiedlichen Rechtslage sowie auf das Erfordernis der Einschaltung einer geeigneten Vertretung im ausländischen Staate und auf die Prüfung der konkreten Verhältnisse in diesem Staate zur Begründung hinweise. Solche Erwägungen seien jedoch für die Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung nicht entscheidend. Überdies sei darauf hinzuweisen, daß sich die Jugendämter, die gerade auch in solchen Fällen zu Unterhaltssachwaltern bestellt werden, bei Vorliegen internationaler Vollstreckungsverträge im allgemeinen ohnehin der Amtshilfe der ihnen korrespondierenden Einrichtungen in den betreffenden Staaten bedienen könnten.

Der achte Senat des Obersten Gerichtshofs schließt sich angesichts der dargelegten Judikaturdivergenz zum Unterhaltsvorschußgrund nach §§ 3 und 4 Z 1 UVG unter Ablehnung der Ansicht des zweiten Senates den in der Entscheidung des sechsten Senates dargelegten überzeugenden Gründen an. Im vorliegenden Fall ist der Aufenthalt des Vaters bekannt. Anstände bei der Erbringung der ihm auferlegten Unterhaltsleistung sind nicht aktenkundig. Die gegenseitige Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich ist durch das Haager Unterhaltsübereinkommen vom 15. April 1958, BGBl. 1961/294, dessen Vertragsstaaten auch die Bundesrepublik Deutschland und Österreich sind, und durch den zweiseitigen Vertrag vom 6. Juni 1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1960/105, wohl geordnet. Bei der Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung (auf Gehalt) im Ausland dürfen zwar auch die praktischen Erfahrungen mit den damit befaßten Stellen des betreffenden Staates nicht außer acht gelassen werden, doch liegt es in solchen Fällen am Unterhaltssachwalter, auf derartige Umstände im Antrag hinzuweisen. Der aus den Akten ersichtliche Rechtshilfeverkehr mit den Behörden der Bundesrepublik Deutschland läßt ohnedies auf die Durchführung einer "raschen und unbürokratischen" Vollstreckung schließen. Für eine im Sinne des § 4 Z 1 UVG aussichtslos scheinende Exekutionsführung gegen den Vater in der Bundesrepublik Deutschland finden sich jedenfalls keine Anhaltspunkte.

Der Antrag auf Gewährung von Vorschüssen gemäß §§ 3 und 4 Z 1 UVG war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz abzuweisen.

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