OGH 9ObA186/91

OGH9ObA186/9125.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Sylvia Krieger und Margarethe Heidinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** K*****, EDV-Konsulent, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei R***** GesmbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen Rechnungslegung und Leistung eines noch bekanntzugebenden Geldbetrages (Streitwert S 60.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.Mai 1991, GZ 33 Ra 38/91-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 28. Jänner 1991, GZ 20 Cga 211/90-2, in ein Teilurteil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.077,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 679,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bis 31.5.1989 bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem gemäß § 396 ZPO (hier) für wahr zu haltenden Sachverhalt schloß er mit der Beklagten am 29.4.1988 eine "Provisionsvereinbarung" ab; nach dieser hatte er Anspruch auf Auszahlung einer "Provision" aus dem "Deckungsbeitrag", welcher sich aus dem Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung zuzüglich Steuern und Personalkosten der Geschäftsleitung errechnet. Die Höhe der Provision wurde für die erste Million mit 2 %, für die zweite und dritte Million mit 4 %, für die vierte und fünfte Million mit 3 %, sowie ab der sechsten Million wieder mit 2 % vereinbart. Der Provisionsanspruch sollte nur dann bestehen, wenn der Deckungsbeitrag positiv war und mindestens 15 % vom Umsatz ohne Mehrwertsteuer ausmachte. Die erste Abrechnung dieser Art sollte mit dem Abschluß des Geschäftsjahres vom 1.7.1987 bis 30.6.1988 erfolgen.

Die Beklagte legte dem Kläger für das Geschäftsjahr vom 1.7.1987 bis 30.6.1988 trotz Aufforderung keine ordentliche Abrechnung. Sie teilte ihm nur mit, daß mangels eines positiven Deckungsbeitrages auch kein Provisionsanspruch entstanden sei.

Der Kläger begehrte das Urteil

1. die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm binnen 14 Tagen über die Zeit vom 1.7.1987 bis 30.6.1988 eine vollständige Abrechnung, beinhaltend die Gewinn- und Verlustrechnung zuzüglich Steuern und Personalkosten der Geschäftsleitung und die Höhe des Umsatzes zu legen;

2. die Beklagte ferner schuldig zu erkennen, ihm binnen weiterer 14 Tage den sich auf Grund der Rechnungslegung laut Punkt 1 des Urteils als Provisionsanspruch ergebenden Geldbetrag, das sind 2 % von der ersten Million des Deckungsbeitrages, 4 % von der zweiten und dritten Million des Deckungsbeitrages, 3 % von der vierten und fünften Million des Deckungsbeitrages sowie 2 % ab der sechsten Million des Deckungsbeitrages, soferne dieser mindestens 15 % des Umsatzes abzüglich Mehrwertsteuer beträgt, zu zahlen.

3. (Kostenersatzbegehren).

Infolge Säumnis der Beklagten gab das Erstgericht dem gesamten Klagebegehren mit Versäumungsurteil statt.

Die Beklagten bekämpften das Versäumungsurteil in Punkt 2. und im Ausspruch über die Kosten und beantragten, die Entscheidung des Erstgerichtes dahin abzuändern, daß das (unbestimmte) Leistungsbegehren abgewiesen werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil in Punkt 2. (Leistungsbegehren) und Punkt 3. (Kostenausspruch) dahin ab, daß es die Entscheidung über das Leistungsbegehren und über die Verfahrenskosten dem Endurteil vorbehielt. Die zweite Instanz sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das Leistungsbegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das vom Kläger erhobene Begehren ist eine sogenannte "Stufenklage", die über den unmittelbaren Anwendungsbereich des Art XLII Abs 3 EGZPO (Klage auf eidliche Angabe des Vermögens) hinaus nach Lehre und Rechtsprechung auch in Verbindung mit einem Rechnungslegungsbegehren erhoben werden kann (Fasching LB2 Rz 1046; SZ 23/190; Arb.9164 = ZAS 1974/28 = SZ 46/112; ÖBl 1982, 24 (Schönherr); ÖBl 1983, 8 = SZ 55/145; MR 1989, 169). Bei dieser Klage darf das Begehren auf Zahlung mit dem Rechnungslegungsbegehren verbunden werden, obwohl die Höhe des zu zahlenden Betrages erst nach erfolgter Rechnungslegung feststeht. Der Kläger darf hier ausnahmsweise die Bezifferung der Geldsumme vorläufig unterlassen und braucht sie erst nachzuholen, sobald die Rechnungslegung erfolgt ist bzw. das zu fällende Urteil auf Rechnungslegung vollstreckt ist (Fasching aaO). Art XLII Abs 3 EGZPO durchbricht somit den Grundsatz des § 226 Abs 1 ZPO, wonach die Klage ein bestimmtes (und im Falle eines Leistungsbegehrens auch vollstreckbares) Begehren enthalten muß (ÖBl 1984, 46). Die Zulässigkeit dieses Vorbehaltes besagt allerdings nicht, daß der Kläger die Präzisierung (etwa wenn ihm die Höhe seines Anspruches ohne Rechnungslegung auf anderem Wege bekannt wird), nicht auch schon vor der (Durchsetzung der) Rechnungslegung vornehmen dürfte (EvBl 1976/170; 4 Ob 45/78).

Wurde nicht nur über das Rechnungslegungsbegehren, sondern auch sofort über das unbestimmte Leistungsbegehren entschieden, liegt ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 226 Abs 1 ZPO und damit ein Verfahrensmangel vor. Der Ausspruch über dieses Leistungsbegehren ist ersatzlos aufzuheben (14 Ob 19/86). Die Auffassung, es könne auch durch Endurteil vorerst ein "angemessenes Entgelt" (oder wie hier: eine nur nach Prozentsätzen unbekannter Bemessungsgrundlagen zu errechnende Provision) zugesprochen und die (endgültige) Bestimmung der Höhe einer Folgeklage vorbehalten werden, entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage (ÖBl 1984, 46), da die Bestimmtheit des Klagebegehrens eine von Amts wegen (auch noch im Rechtsmittelverfahren) wahrzunehmende Klagevoraussetzung ist (RZ 1979/91; SZ 36/86; ÖBl 1981, 122; ÖBl 1989, 14 ua).

Die Revisionswerberin meint nun, die Klägerin habe ganz bewußt die Urteilsfällung über das noch unbestimmte Leistungsbegehren verlangt. In einem solchen Falle müsse das Gericht mit der Abweisung der Klage vorgehen. Eine (teilweise) Zurückweisung des Antrages auf Fällung eines Versäumungsurteils (über das unbestimmte Leistungsbegehren) komme nicht in Betracht, weil in § 402 Abs 1 ZPO die Zurückweisungsfälle taxativ aufgezählt seien.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Das vom Kläger erhobene unbestimmte Leistungsbegehren (Punkt 2.) enthält die Formulierung, daß die Beklagte schuldig sei, binnen weiterer 14 Tage den sich auf Grund der Rechnungslegung laut Punkt 1. des Urteils als Provisionsanspruch ergebenden Geldbetrag zu zahlen; aus den Worten, daß binnen weiterer 14 Tage zu zahlen sei, könnte zwar bei isolierter Beurteilung der Schluß gezogen werden, daß der Kläger eine sofortige Entscheidung über das unbestimmte Leistungsbegehren anstrebte; aus der Formulierung des Begehrens, daß der Kläger den sich "auf Grund der Rechnungslegung ergebenden Geldbetrag" verlange, geht aber hinreichend deutlich hervor, daß er sich die Präzisierung des Leistungsbegehrens bis zur Rechnungslegung vorbehalten hat. Selbst wenn er beim Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles der Meinung gewesen sein sollte, daß über das Leistungsbegehren trotzdem sofort zu entscheiden sei (und etwa die Bestimmung der Höhe einer Folgeklage vorbehalten bleiben könne), hatte das Erstgericht diesem Antrag weder stattzugeben noch das unbestimmte Leistungsbegehren sofort abzuweisen, sondern wegen des Vorliegens einer Stufenklage die Entscheidung über das Leistungsbegehren vorzubehalten.

Die oben wiedergegebenen allgemeinen Grundsätze der Rechtsprechung für die prozessuale Behandlung einer Stufenklage gelten auch bei Fällung eines Versäumungsurteiles gegen den Beklagten. Schlüssigkeit der Klage vorausgesetzt, ist dann nur über das Rechnungslegungsbegehren mit Teilversäumungsurteil zu entscheiden, die Entscheidung über das Leistungsbegehren aber vorzubehalten; bezüglich der Fortsetzung des Verfahrens sind die weiteren Anträge der Parteien abzuwarten.

Die Bestimmung des § 402 Abs 1 ZPO steht einer solchen Vorgangsweise nicht im Wege. Sie betrifft nur prozessuale Gründe für die Zurückweisung des Antrages auf Urteilsfällung, die darauf beruhen, daß die Säumnis des Beklagten nicht feststeht oder offenkundig auf einem unabwendbaren Ereignis beruht oder daß die erschienene Partei von Amts wegen für die Urteilsfällung zu beachtende Umstände nicht nachzuweisen vermag. Der teilweise Entscheidungsvorbehalt bei der Stufenklage hat aber seine Ursache darin, daß sich der Kläger die Präzisierung des Leistungsbegehrens bis zur Rechnungslegung vorbehalten darf, so daß dieses im Zeitpunkte der Säumnis des Beklagten noch gar nicht spruchreif sein kann.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht daher der Rechtslage.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Da sich die Revision nur gegen die Zulässigkeit eines Teilurteiles gerichtet hat und der Zwischenstreit über diese Frage vollständig erledigt ist, hat die Beklagte dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen (§ 52 Abs 2 ZPO).

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