Spruch:
Das Klagebegehren, den früheren Zustand eines Grundstückes durch Wiederaufforstung herzustellen, ist hinreichend bestimmt und exekutionstauglich. Die Frage der Bestimmtheit des Klagebegehrens ist von Amts wegen zu prüfen.
Entscheidung vom 14. Juni 1963, 5 Ob 162/63.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Die Klägerinnen sind je zur Hälfte Eigentümerinnen der Liegenschaft EZ. 426, Kat. Gem. G., zu der auch die Grundparzelle 595 Wald gehört. Der Beklagte ist Eigentümer der angrenzenden Grundparzelle. Er ließ im Jahre 1962 ohne Wissen und Willen der Klägerinnen auf deren Waldgrundstück einen Caterpillar-Weg mit einer Kehre anlegen, wobei er sowohl Bäume der Klägerinnen entfernte als auch Veränderungen des Geländes vornahm.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten, entsprechend dem Klagebegehren, den Caterpillar-Weg durch Auffüllen mit Walderde zu planieren und den früheren Zustand durch Wiederaufforstung wiederherzustellen. Es nahm die Behauptung des Beklagten, nach Errichtung des Weges sei zwischen ihm und den Klägerinnen eine Einigung zustandegekommen, daß der Weg bestehen bleiben solle, die Klägerinnen ihn mitbenützen dürften und auf die Klagsführung verzichteten, nicht als erwiesen an. Daher sei das Begehren der Klägerinnen berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge, bestätigte die Verurteilung des Beklagten, den Caterpillar-Weg durch Auffüllen mit Walderde zu planieren, wies aber das Begehren, den früheren Zustand durch Wiederaufforstung wiederherzustellen, wegen Unbestimmtheit ab und hob die Kosten gegeneinander auf. Es führte hiezu aus, die Rechtsrüge sei zwar nicht näher konkretisiert, doch sei die rechtliche Beurteilung unabhängig davon zu untersuchen. Hiebei ergebe sich, daß das Wiederaufforstungsbegehren dem Erfordernis des § 7 (1) EO. nicht entspreche, da es Gegenstand, Art und Umfang der geschuldeten Leistung nicht mit Bestimmtheit erkennen lasse. Es sei nicht angeführt, auf welche Art und in welchem Umfang die Wiederaufforstung durchzuführen sei und welche Gesichtspunkte dabei zu beobachten seien. Es liege somit kein bestimmtes Klagebegehren im Sinne des § 226 (1) ZPO. vor, so daß das Erstgericht diesen Teil des Klagebegehrens als unbestimmt und zur Exekutionsführung ungeeignet hätte abweisen müssen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger Folge und stellte das Ersturteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Beklagte hat eingangs seiner Berufung zwar angeführt das Ersturteil wegen unrichtiger Beweiswürdigung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung anzufechten, in der Folge aber die Rechtsrüge mit keinem Wort ausgeführt. Die vom Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung (JBl. 1950, S. 140 u. a.) besagt zwar, daß dann, wenn der Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht wird, die angefochtene Entscheidung in jeder Richtung einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen ist, doch gilt dies nur dann, wenn die Rechtsrüge wenigstens nach irgendeiner Richtung ausgeführt ist. Wurde hingegen dieser Anfechtungsgrund nur genannt, aber überhaupt nicht ausgeführt, dann ist er nicht zu beachten (EvBl. 1951, Nr. 268 u. a.). Dennoch hat das Berufungsgericht im Gegensatz zur Ansicht der Revisionswerberinnen mit Recht die Bestimmtheit des Klagebegehrens geprüft, da es sich hiebei um eine prozessuale Klagsvoraussetzung handelt, deren Vorhandensein von Amts wegen zu prüfen ist (ZBl. 1937, Nr. 181).
Was nun die vom Berufungsgericht bemängelte Unbestimmtheit des Klagebegehrens anlangt, so hat der OGH. wiederholt ausgesprochen, daß eine jeden Zweifel ausschließende Bestimmtheit nur bei Geldforderungen verlangt werden kann und daß es sonst genügt, wenn sich bei Berücksichtigung des Orts- und Sprachgebrauches und nach den Regeln des Verkehrs dem Begehren entnehmen läßt, was damit gemeint ist (EvBl. 1952, Nr. 229 u. v. a.).
In diesem Sinne muß das Klagebegehren im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes als hinreichend bestimmt und exekutionstauglich angesehen werden. Der Begriff der Wiederaufforstung ist in Waldgegenden und unter Waldbesitzern vollkommen klar. Auch die Forstbehörden verlangen bei Erteilung von Schlägerungsbewilligungen nur die Wiederaufforstung schlechthin. Darunter ist das Nachpflanzen von Baumsetzlingen nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen, und zwar in der Art zu verstehen, wie sie der beiderseits des Caterpillar-Weges bestehende Wald aufweist.
Die in der Klage gewählte Formulierung des Begehrens entspricht demnach sowohl dem Erfordernis der Bestimmtheit im Sinne des § 226 ZPO. als auch dem der Exekutionsfähigkeit nach § 7 (1) EO.
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