OGH 11Os87/91 (11Os88/91)

OGH11Os87/91 (11Os88/91)24.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.September 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter N***** wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 12. Juni 1991, GZ 8 Vr 509/90-25, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Raunig, des Angeklagten Walter N***** und des Verteidigers Dr. Pichler zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung

verwiesen.

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 12.August 1959 geborene, zuletzt beschäftigungslose Walter N***** wurde der Vergehen (1.) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, (2.) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und

(3.) der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 27.Juli 1990 in Braunau am Inn 1. eine fremde Sache zerstört zu haben, indem er ein Radiogerät des Ferdinand N***** im Wert von ca. 790 S aus einem Wohnungsfenster warf; 2. Rudolf P***** am Körper verletzt zu haben, indem er ihm durch Faustschläge und einen Fußtritt ein Hämatom und eine Hautabschürfung im Bereich der linken Gesichtshälfte sowie eine Schädelprellung zufügte; 3. Anna P***** durch die Ankündigung, im Fall der Anzeigeerstattung Rudolf P***** umzubringen, sohin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Körperverletzung zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen der zu 2. bezeichneten Tathandlung zu nötigen versucht zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte ficht seine Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, welcher in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft mit Blickrichtung auf eine Tatbeurteilung nach § 287 Abs. 1 StGB die tatrichterliche Feststellung, daß die Alkoholisierung des Angeklagten die Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt nicht aufhob, als offenbar unzureichend begründet und verweist in diesem Zusammenhang auf das eine volle Berauschung nicht ausschließende gerichtsärztliche Gutachten. Dem Beschwerdestandpunkt zuwider hat aber das an ein Sachverständigengutachten nicht gebundene, vielmehr im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) zur Würdigung dieses Beweismittels verpflichtete Erstgericht ausführlich, denkrichtig und auch sonst formell mängelfrei die Gründe dargetan, aus denen es dieser Expertise, die unter ausschließlicher Berücksichtigung der divergierenden Angaben des Angeklagten über seinen Alkoholkonsum den tatrelevanten Blutalkoholgehalt in der für die Frage der Zurechnungsfähigkeit nur unzulänglich aussagekräftigen Bandbreite von 2,1 %o bis 4,4 %o ermittelte, nicht folgte (S 164, 165). Die Feststellung des die Annahme der Zurechnungsfähigkeit rechtfertigenden Grades der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt stützt sich dabei auf den insgesamt folgerichtigen Ablauf des gesamten Täterverhaltens, wobei insbesondere die Aussagen der als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten über ihren Eindruck vom Angeklagten bei seiner Festnahme unmittelbar nach den Tathandlungen und auch die evidentermaßen intakte logische Orientierung des Angeklagten bei seinem gegen Anna P***** gerichteten Nötigungsversuch in den Urteilserwägungen sachgerechten Niederschlag fanden.

Die das Urteilsfaktum II (Körperverletzung an Rudolf P*****) betreffenden tatrichterlichen Feststellungen wieder stützen sich auf die sicherheitsbehördlichen Angaben des Verletzten und seiner Gattin Anna P*****, die damit korrespondierende Verletzungsanzeige des Krankenhauses (S 11 bis 14) und das in der Hauptverhandlung erörterte (S 82) Schreiben des Rudolf P***** vom 4. August 1990 (S 35 ff in Verbindung mit S 166, 167). Soweit die Mängelrüge dazu eine Nichtbeachtung der den Angeklagten belastenden abweichenden Angaben der Zeugen Rudolf und Anna P***** in der Hauptverhandlung geltend macht, setzt sie sich ihrerseits über jene Urteilspassagen hinweg, die gerade die zu Unrecht vermißte eingehende Würdigung der Entlastungstendenzen dieser beiden Zeuen in der Hauptverhandlung enthalten (S 166, 167), und gelangt insoweit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Es trifft auch nicht zu, daß die Verfahrensergebnisse zum sozialen Umfeld des Tatgeschehens bei der Beurteilung des Sinngehaltes und Gewichtes der als Nötigungsversuch geahndeten Drohung des Angeklagten (Urteilsfaktum 3) nicht die gebotene tatrichterliche Berücksichtigung gefunden hätten. Waren doch gerade milieubedingte Aspekte dafür ausschlaggebend, daß die inkriminierte Drohung trotz der (auch seiner Umgebung vertrauten) Neigung des Angeklagten zu Gewaltexzessen im Vergleich zur Anklagesubsumtion milder beurteilt wurde (S 169).

Mit dem Einwand, das Erstgericht wäre verhalten gewesen, die von ihm nicht wörtlich verstandene Drohung mit dem "Umbringen" überhaupt als nicht ernstgemeinte und damit zur Deliktsverwirklichung nach § 105 Abs. 1 StGB vorweg ungeeignete, milieubedingte Unmutsäußerung zu beurteilen, übersieht die Rechtsrüge (Z 9 lit. a), daß die Problematik der Ernsthaftigkeit einer ihrem Wortlaut nach drohenden Äußerung (wie auch ihr Sinn- und Bedeutungsgehalt) ausschließlich eine - im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu lösende - Tatfrage betrifft (Mayerhofer-Rieder StPO3 EGr 46 und 47 zu § 281). Die Tatfragen nach dem inneren Vorhaben des Angeklagten und der tätergewollten Bedeutung der inkriminierten Äußerung hat das Erstgericht aber mit formell mängelfreier Begründung dahin gelöst, daß sich der Tätervorsatz auf die Androhung (bloß) einer Körperverletzung beschränkte. Mangels Orientierung an diesem Urteilssachverhalt verfehlt auch die Rechtsrüge insoweit eine gesetzmäßige Ausführung.

Als rechtlich verfehlt hinwieder erweist sich die sinngemäße Beschwerdeauffassung, Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB setze schon in objektiver Hinsicht voraus, daß das Tatopfer in "Furcht und Unruhe" versetzt wurde. Genügt doch schon die - hier vom Erstgericht zutreffend bejahte - objektive Eignung der im konkreten Fall als Nötigungsmittel eingesetzten Drohung, der Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen, zur Deliktsverwirklichung (auch) nach § 105 Abs. 1 StGB (ua Mayerhofer-Rieder StGB3 EGr 36 zu § 74 Z 5), ohne daß es dabei auf den tatsächlichen Eintritt einer nachhaltigen Beunruhigung des Tatopfers ankäme (aaO EGr 41).

Von urteilsfremden Tatsachenprämissen geht letztlich auch die Subsumtionsrüge (Z 10) aus, die aus der Sicht einseitig zugunsten des Angeklagten gezogener Schlußfolgerungen aus dem bereits erörterten Sachverständigengutachten eine Tatbeurteilung nach § 287 Abs. 1 StGB anstrebt. Auch sie erweist sich damit als nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 105 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB vier Monate Freiheitsstrafe, wobei es das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 StGB übersteigenden einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung während der Anhängigkeit eines Strafverfahrens und den schlechten Leumund als erschwerend, den bloßen Versuch der Nötigung hingegen als mildernd wertete.

Überdies widerrief das Erstgericht gemäß § 53 Abs. 1 StGB die mit Urteil des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 21.Juni 1989, GZ U 110/89-4 (wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB) ausgesprochene bedingte Nachsicht einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten (§ 494 a Abs. 1 Z 4 StPO).

Den Strafausspruch bekämpfen beide Prozeßparteien mit Berufung, der Angeklagte überdies den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde.

Während der Angeklagte unter Hinweis auf den milieubedingt begrenzten Störwert seiner in alkoholisiertem Zustand verübten Taten eine Herabsetzung und die bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe, beziehungsweise die Umwandlung in eine Geldstrafe anstrebt, begründet die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Straferhöhung im wesentlichen damit, daß mangels tatsächlicher Anwendung der Strafschärfung bei Rückfall (§ 39 StGB) auch die rückfallsbegründenden Vorstrafen erschwerend zu werten und die in der Täterpersönlichkeit begründeten besonderen spezialpräventiven Erfordernisse in höherem Maße zu berücksichtigen gewesen wären.

Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Der Angeklagte wurde bisher (seit 1974) insgesamt sechzehnmal (davon neunmal wegen Körperverletzung und wiederholt wegen Sachbeschädigung) zu teils empfindlichen Freiheitsstrafen (in einem vier Jahre übersteigenden Gesamtausmaß) verurteilt und verübte die hier urteilsgegenständlichen Taten während der Anhängigkeit des seine letzte Verurteilung wegen Körperverletzung betreffenden Rechtsmittelverfahrens. Seine - so gesehen manifeste - Anfälligkeit (vor allem) für Gewaltdelikte erfordert schon aus spezialpräventiver Sicht die von der Staatsanwaltschaft beantragte Erhöhung der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe; dabei trägt ein Strafausmaß von sechs Monaten sowohl der Täterpersönlichkeit als auch dem hier in Rede stehenden Tatunwert in angemessener Weise Rechnung.

Daß die - wie dargelegt - im Lebenslängsschnitt signifikante Strafanfälligkeit des Angeklagten einem Absehen vom Widerruf der im Verfahren AZ U 110/89 des Bezirksgerichtes Braunau am Inn entgegensteht, bedarf nach Lage des Falles keiner näheren Erörterung. Damit erwies sich auch die Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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