Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die auf den § 43 a Abs. 3 StGB gestützte bedingte Nachsicht eines Teiles der verhängten Freiheitsstrafe aufgehoben. In Stattgebung der in der Nichtigkeitsbeschwerde enthaltenen Berufung (§ 290 Abs. 1, letzter Satz, StPO) wird gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl F***** wegen der Vergehen der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 2 StGB und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB gemäß dem § 105 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, welche im Sinne der §§ 31 und 40 StGB als Zusatzstrafe zu einer (dort bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe in der Dauer von ebenfalls vier Monaten aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Dezember 1990, GZ 6 c Vr 11052/90-6, verhängt wurde. Bei der im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Zusatzstrafe sah das Erstgericht unter Heranziehung des § 43 a Abs. 3 StGB einen Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nach.
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den erstgerichtlichen Strafausspruch zunächst insoweit, als der § 43 a Abs. 3 StGB angewendet wurde. Die bedingte Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe sei nur bei solchen von mehr als sechs Monaten zulässig.
Die Staatsanwaltschaft ist im Recht.
Die gesetzliche Beschränkung einer derartigen Gestaltung des Sanktionsausspruches auf Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten gilt auch dann, wenn eine unter diesem Maß bleibende Strafe als Zusatzstrafe verhängt wird und nur die (hypothetische) "Gesamt-Strafe" aus den mehreren zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Urteilen sechs Monate übersteigt. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes kann nämlich den auf Berücksichtigung des Absorptionsprinzips nach dem § 28 Abs. 1 StGB abzielenden Vorschriften der §§ 31 und 40 StGB nicht entnommen werden, daß die in den §§ 43 f StGB jeweils an die Sanktionshöhen geknüpften Anwendungsbedingungen auf das Ausmaß der Summen der Strafen zu beziehen sind. Vielmehr enthält ein Erkenntnis im Sinn des § 31 StGB, auch wenn eine Zusatzstrafe verhängt wird, einen selbständigen Strafausspruch, für den nur in Ansehung der Strafhöhe besondere Vorschriften gelten (EvBl. 1989/86; 15 Os 15/91; 11 Os 127,133/90; EvBl. 1986/183; SSt. 51/4; Leukauf-Steininger Komm.2 § 31 RN 2).
Da somit der Ausspruch einer Zusatzstrafe in Ansehung der Voraussetzungen einer teilweisen oder gänzlichen bedingten Strafnachsicht gesondert zu beurteilen war, hätte der § 43 a Abs. 3 StGB auf die Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Monaten nicht angewendet werden dürfen. Durch die bedingte Nachsicht eines Teils der viermonatigen Zusatzstrafe wurde die gesetzliche Strafbefugnis zugunsten des Verurteilten überschritten, weshalb der gerügte Ausspruch in Stattgebung der diesbezüglich zum Nachteil des Verurteilten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben war.
Soweit die Anklagebehörde in der Nichtigkeitsbeschwerde als Alternativbegehren über die bloße Beseitigung des auf den § 43 a Abs. 3 StGB gestützten Strafausspruches hinaus gegebenenfalls die Gewährung einer vollständigen bedingten Nachsicht nach dem § 43 Abs. 1 StGB fordert, wird vom Beschwerdeansatz her nicht die Korrektur einer Überschreitung der Strafbefugnis, sondern die Änderung einer in den Ermessensbereich fallenden Entscheidung angestrebt, sodaß dieses Vorbringen als eine zum Vorteil des Angeklagten erhobene Berufung zu gelten hat (§ 290 Abs. 1 letzter Satz StPO).
Auch insoweit ist der Staatsanwaltschaft zu folgen, weil schon die Anhaltung des Angeklagten in Untersuchungshaft während eines weit mehr als die Hälfte des Strafmaßes betragenden Zeitraums für die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht spricht. Trotz des durch einschlägige Verurteilungen belasteten Vorlebens des Angeklagten läßt der erlittene Freiheitsentzug nach Lage des Falles die Annahme zu, daß die bloße Androhung der Vollziehung genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Es bedarf auch nicht der Vollstreckung der (nach Abrechnung der Vorhaft verbleibenden) Freiheitsstrafe, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Bemerkt wird, daß die im Urteil enthaltene Entscheidung über die Anrechnung der Vorhaft unvollständig blieb, weil die Vorhaft laut S 9 und die Vorhaften aus dem früheren Verfahren (siehe hiezu Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 32 zu § 38) sowie aus dem einbezogenen Verfahren AZ 2 U 973/90 des Strafbezirksgerichtes Wien (ON 17 des Aktes) nicht auf die Strafe angerechnet wurden (siehe aber § 400 Abs. 2 StPO). Ferner wurde die gemäß dem § 494 a Abs. 1 StPO auch im Falle einer nachträglichen Verurteilung gemäß dem § 31 StGB grundsätzlich dem erkennenden Gericht obliegende Entscheidung über den Widerruf oder das Absehen vom Widerruf der in der früheren Verurteilung ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht (§ 55 Abs. 1 StGB) unterlassen (siehe hiezu EvBl. 1990/166).
Die Pflicht des Angeklagten zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.
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